Rede in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, Straßburg
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
zuerst möchte ich dem Berichterstatter Herrn Karim van Overmeire für seinen gelungenen Vortrag danken. Ich erlaube mir, an dieser Stelle zwei Ergänzungen vorzunehmen:
Die Gewaltenteilung ist die größte Errungenschaft der Französischen Revolution. Sie ist die Grundvoraussetzung einer Demokratie. Die Legislative besitzt die Aufgabe, die Exekutive zu kontrollieren. Ich möchte Sie bitten, mit mir zusammen nachzudenken, inwieweit eine tatsächliche Kontrolle der Regierung durch das Parlament stattfindet?
Ich rede hier nicht allein von einer Kontrolle der Regierung durch die Opposition. Auch die Fraktion der Regierungspartei müsste im Sinn der Gewaltenteilung eigentlich die Regierung kontrollieren.
Dies erfolgt jedoch nicht. Die Regierungspartei nimmt, wie wir wissen, die eigene Regierung auch bei berechtigter Kritik in Schutz. Aufgrund ihrer beschränkten Möglichkeiten ist die Kritik der Opposition oft nur von geringerer Wirkung. Wir sollten daher ernsthaft darüber nachdenken, wie eine tatsächliche Kontrolle der Regierung durch das Parlament gelingen kann?
Eine andere wichtige Frage betrifft die Funktionsweise der politischen Parteien: Politische Parteien sind zweifellos Grundelemente der parlamentarischen Demokratie. Ohne sie gäbe es keine funktionierende Demokratie. So unverzichtbar die politischen Parteien für die Demokratie auch sind, so elementar sind aber auch demokratische Strukturen in den Parteien selbst.
Deshalb stellen sich hier die Fragen:
Wie demokratisch sind die Strukturen in den Parteien?
Wie demokratisch sind die Wahlen in den Parteien? Gibt es eine Instrumentalisierung von Mitgliedern zu politischen und taktischen Zwecken?
Welchen tatsächlichen Einfluss können die Mitglieder auf politische Entscheidungen ihrer jeweiligen Parteien ausüben?
Werden die Beschlüsse in den Parteigremien demokratisch oder autoritär gefällt?
Wie demokratisch sind die innerparteilichen Verfahren zur Auswahl und Aufstellung von Kandidatinnen und Kandidaten?
Der Europarat muss sich in seiner Arbeit mit diesen Fragen auseinandersetzen, wenn er die Demokratisierungsprozesse in seinen Mitgliedstaaten unterstützen und kritisch begleiten will. Dass wir alle eine tatsächlich funktionierende, parlamentarische Demokratie befürworten, davon gehe ich grundsätzlich aus.
Meine sehr geehrten Damen und Herren,
ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.