Stellungnahme der TGD

Der Geschäftsführende Vorstand der TGD hat sich auf seiner Sitzung vom 15. - 17. Januar 1999 in Hamburg mit dem von der Bundesregierung vorgelegten Entwurf einer Reform des deutschen Staatsangehörigkeits-rechts beschäftigt und nachfolgende Stellungnahme verabschiedet:

Die Türkische Gemeinde in Deutschland und ihre Mitgliedsorganisationen bemühen sich seit Jahren um eine Reform des Staatsangehörigkeitsrechts. Der von der rot-grünen Koalition vorgelegte Entwurf beinhaltet in seinen Grundzügen und seiner Ziel-richtung unsere Forderungen.

Nach diesem Entwurf kann unter Beibehaltung der ursprünglichen Staatsbürger-schaft die deutsche Staatsangehörigkeit erworben werden, d.h. die Mehrstaatigkeit wird akzeptiert.

Neben dem bis heute gültigen Abstammungsrecht erhalten Kinder von Migrantinnen und Migranten unter bestimmten Voraussetzungen die deutsche Staatsangehörigkeit nach dem Territorialprinzip durch Geburt in Deutschland. Somit werden zwei große Hindernisse bei der Übernahme der deutschen Staatsangehörigkeit beseitigt sein.

Bei näherer Durchsicht des Gesetzentwurfes kommen wird jedoch zu dem Schluß, daß folgende Punkte verbessert werden müssen:

§ 86/4: Nach dieser Bestimmung können Empfänger von Sozial- und Arbeitslosen-hilfe nicht die deutsche Staatsangehörigkeit annehmen. Bedenkt man, daß die Ar-beitslosenquote unter der türkischstämmigen Bevölkerung in Deutschland 23,2 % beträgt und viele der Rentnerinnen und Rentner wegen der kurzen Beitragsdauer und den niedrigen Beitragssätzen während ihrer Beschäftigungszeit auf Sozialhilfe angewiesen sein werden, würde durch diese Regelung jeder vierte Deutschland – Türke nicht eingebürgert werden können. Es ist nicht hinnehmbar, daß die Angehörigen der ersten Generation, die durch Schwerstarbeit zum Wohlstand in der Bundesrepublik beigetragen haben, nun von dieser Möglichkeit der Gleichstellung ausgeschlossen werden.

So müßte die derzeitige Regelung beibehalten werden, die nach einem Bezug von Sozial- und Arbeitslosenhilfe ‚ohne eigenes Verschulden‘ differenziert und in diesem Fall die Einbürgerung ermöglicht.

§ 87 a 1: Hiernach wird ‚eine Verständigung mit dem Einbürgerungsbewerber in deutscher Sprache‘ verlangt. Unterschiedliche Umsetzung dieser Bestimmungen in einzelnen Bundesländern kann zu Ungerechtigkeiten führen. Deshalb muß hier eine bundesweit gültige Klarstellung erfolgen. Die Verständigung sollte mündlich und in einfachem Deutsch erfolgen.

§ 87 a 3: Diese Bestimmung öffnet der Willkür Tür und Tor und könnte dazu führen, Menschen wegen ihres politischen Standpunktes oder Glaubens die Einbürgerung zu verwehren. Die Bestimmungen der §§ 86.3, 87.1 und 89.2, die auf die Straffällig-keit abzielen, sind ausreichend.

§ 89/2: Hiernach soll die Einbürgerungsgebühr von derzeit DM 100,– auf DM 300,– erhöht werden. Wir sind der Meinung, daß die geltende Gebühr von 100,– DM wei-terhin ausreicht, zumal sich das Einbürgerungsverfahren vereinfachen wird.

Das Reformgesetz darf keine Verschlechterungen gegenüber den derzeit gülti-gen Regelungen enthalten!

Zur Zeit sind in allen Bundesländern längere Wartefristen bei der Bearbeitung der Einbürgerungsanträge festzustellen. Durch die Reform ist eine starke Erhöhung der Zahl der Antragsteller zu erwarten. Deshalb muß das Personal aufgestockt werden.

Wir mißbilligen aufs Schärfste die Unterschriftenkampagne der Unionsparteien. Die-se Aktion wird zur Stärkung der ausländerfeindlichen Kräfte und zur Polarisierung in der Gesellschaft führen. Daß CDU/CSU, nachdem sie in ihrer 16-jährigen Regie-rungszeit eine Staatsangehörigkeitsreform nicht zustande gebracht haben, nun auf äußerste rechte Stimmen zielend diese Reform blockieren wollen, entbehrt jeglicher politischer Verantwortung und schadet Deutschland.

Wir haben kein Verständnis dafür, daß die FDP, die jahrelang die Mehrstaatigkeit befürwortet hatte, sich nun gegen diese Reform wendet. Wir fordern die FDP auf, sich im Sinne unserer Verbesserungsvorschläge für den Regierungsentwurf einzu-setzen, wie es von einer liberalen Partei zu erwarten ist.