Blickpunkt Bundestag
50 Jahre Deutscher Bundestag
Wenn ich nach den Beschlüssen des Deutschen Bundestages ge-fragt werde, welche die Entwicklung der Bundesrepublik Deutsch-land nachhaltig beeinflußt haben, so fallen mir spontan zwei Er-eignisse ein:
Uneingeschränkt positiv beurteile ich die ‚Ostverträge‘ unter der Kanzlerschaft von Willy Brandt. Gegen den erbitterten Widerstand der Unionsparteien setzte die sozialliberale Koalition Anfang der 70er Jahre der sogenannten ‚Hallstein-Doktrin‘, die von Ade-nauer bis Kiesinger auf Isolierung der DDR setzte, den Dialog ü-ber die Systemgrenzen hinweg, den ‚Wandel durch Annäherung‘ entgegen. Historisch betrachtet hat sich diese Sicht als richtig er-wiesen. Es war die Politik Willy Brandts, die dafür sorgte, daß demokratische Ideale langsam aber unaufhaltsam den ‚Eisernen Vorhang‘ durchdrangen und schließlich zur Vereinigung der bei-den deutschen Staaten und zum Zusammenbruch der Sowjetuni-on führten.
Äußerst problematisch beurteile ich hingegen die Änderung von Art. 16 GG. Vor dem Hintergrund wachsender Asylbewerberzah-len gab Deutschland seine eigene Geschichte preis, indem es die Erfahrungen der Nazi-Diktatur, aufgrund derer die ‚Väter des Grundgesetzes‘ 1949 eine der weltweit liberalsten Asylgesetzge-bungen geschaffen hatten, beiseite schob und einer opportunisti-schen ‚das Boot ist voll‘-Mentalität das Wort redete. Insbeson-dere die im Vorfeld dieses Beschlusses vom 26. Mai 1993 geführ-te Diskussion zwischen den Parteien gab den rechtsradikalen Kräften in Deutschland großen Auftrieb. Ohne diese Monate an-dauernde Diskussion wäre es m.E. nicht zu den Ereignissen von Hoyerswerder und Rostock gekommen, wo Anwohner dem rechtsradikalen Mob applaudierten, als dort Ausländerwohnheime in Brand gesetzt wurden.
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