Grundgesetzänderung

Im Rechtsausschuß des Bundestages haben sich die Parteien auf die Kernpunkte der geplanten Verfassungsänderung geeinigt

Danach erhalten künftig der Schutz behinderter Menschen wie auch der Umweltschutz Verfassungsrang. Auch das Gleichberechtigungsgebot für Frauen soll gestärkt werden.

Daß diese Punkte ins Grundgesetz aufgenommen werden sollen, ist längst überfällig und aller Ehren wert. Sie sollen, weil unstrittig, dem Parlament am kommenden Don-nerstag als Paket zur Abstimmung vorgelegt werden. Der Minderheitenschutz, für den in der Formulierung ‚der Staat achtet die Identität der ethnischen, kulturel-len und sprachlichen Minderheiten‘ die Ausschußmehrheit von SPD, FDP, Bünd-nis 90/Die Grünen und PDS eintritt, soll dagegen lediglich als Einzelgesetz beraten werden. Damit ist von vornherein klar, daß ein Minderheitenschutz wegen der ableh-nenden Haltung der Unionsparteien nicht die erforderliche Zweidrittelmehrheit erhal-ten und deren Schutz somit keinen Verfassungsrang erhalten wird.

Wie lange soll eigentlich noch der Konsens zwischen den Parteien stets auf Kosten der politisch rechtlosen Menschen in Deutschland betrieben werden? Schon die hier gebrauchte Formulierung ist ja ein Kompromiß, dem eine weitergehende Aussage geopfert wurde, damit auch die Ausschußmitglieder der CDU/CSU Bundestagsfrakti-on zustimmen konnten. Gleichwohl sprach sich später die Unionsfraktion mehrheit-lich dagegen aus, und die Sozialdemokraten vergeben einmal mehr die Chance, der Verfassung eigenes Profil zu geben.

Bereits zweimal hat die SPD die Möglichkeit, die Rechte der Einwanderer entspre-chend zu berücksichtigen, leichtfertig vertan. Sowohl bei der Grundgesetzänderung des Asylrechts als auch bei der Einführung des kommunalen Wahlrechts für EG-Ausländer nach den Verträgen von Maastricht hätte manches für die ethnisch-kulturellen Minderheiten bewegt werden können, da die Bundesregierung auf die Zustimmung der SPD angewiesen war. Beide Male wurde ein Konsens auf Kosten dieser Bevölkerungsgruppe gefunden. Offenbar ist das bisherige Eintreten der SPD für diese Menschen jedoch nur als bloßes Lippenbekenntnis zu werten, denn immer hat man sich der starren Haltung der Union gebeugt. Wird nicht mit einer solchen Politik die eigene Glaubwürdigkeit stets in Frage gestellt?

Indem alle Parteien der Aufsplitterung in ein Paket auf der einen Seite und Einzelge-setze auf der anderen zustimmen, berauben sich die Befürwörter des Minderheiten-schutzes auch diesmal jeglichen Mittels, weiterhin Druck auf die Unionsparteien in dieser Frage auszuüben, und machen dadurch hinlänglich deutlich, wie wenig ihnen dieser Schutz letztlich gilt. Es ist unerträglich, daß einmal mehr die berechtigten Inte-ressen der Einwandererbevölkerung, also von mehr als sieben Millionen Menschen, parteipolitischem Proporzdenken geopfert werden. Warum sonst erklären die ge-nannten Parteien, insbesondere die SPD, nicht geschlossen, daß es ohne Minder-heitenschutz keine Änderung des Grundgesetzes geben wird? Dies wäre die einzige Möglichkeit, die Union endlich zum Einlenken in dieser Frage zu bewegen.

Eine feste Haltung bei diesem Punkt ist umso mehr gefordert, als der Schutz der ethnisch-kulurellen Minderheiten nicht nur den Vereinbarungen der KSZE entspricht, die auch von Deutschland unterzeichnet wurden. Diese Schutzwürdigkeit wurde e-benfalls bereits vor drei Jahren am 19.6.91 vom Deutschen Bundestag einstimmig festgestellt. Wir fordern SPD, FDP, Bündnis 90/Die Grünen und PDS auf, der Grundgesetzänderung nur zuzustimmen, wenn auch der Minderheitenschutz in ihr verankert wird.