Aachen EU-Türkei

Gehört die Türkei zu Europa? Warum die Türkei die Gemeinschaft bereichern würde Prof. Dr. Hakkı Keskin Oberbürgermeister der Stadt Aachen - Fachbereich Wirtschaftsförderung / Europäische Angelegenheiten Aachen, 25.10.2004

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister,

Sehr geehrte Damen und Herren,

in meinem Vortrag werde ich die folgenden 4 Bereiche ansprechen:

1. Kurzer Rückblick über die Vereinbarungen zwischen EU und Türkei.

2. Was sind die Argumente der Gegner einer EU- Mitgliedschaft der Türkei?

3. Was besagt der Vorschlag einer sogenannten ‚Privilegierten Partnerschaft‘ der Unionsparteien und die dazu geplante Unterschriftenaktion?

4. Weshalb die Türkei die EU bereichern wird.

Mir wurde gesagt, dass ich für meinen Beitrag etwa 45 Minuten Zeit habe. Danach folgt eine, wie ich hoffe, lebhafte Diskussion.

‚Unter einem Hut kannst Du nicht zwei Gesichter tragen‘. Nasreddin Hoca, Philosoph und Satiriker im Anatolien des 14. Jahrhunderts ‚Zu den großen globalen Aufgaben gehört es, eine Brücke von den west-lichen Demokratien zur muslimischen Welt zu bauen. Dafür bietet eine demokratische Türkei einen unverzichtbaren Pfeiler‘. Richard von Weizsäcker, Bundespräsident a.D. ‚Die Türkei ist ein zentraler Baustein Europas.‘ Außenminister Joschka Fischer. Die Vereinbarungen zwischen EU und Türkei

Keines der heute 25 Mitglieder der EU hatte einen solch langandauernden Prozess vor der eigentlichen Mitgliedschaft zu durchlaufen wie die Türkei.

1. Bereits am 31. Juli 1959 bewarb sich die Türkei um die Mitgliedschaft in der damaligen ‚Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft‘ (EWG).

2. Am 12. September 1963 wurde das ‚Abkommen zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Republik Türkei‘ in Ankara unterzeichnet.

3. Das Assoziierungsabkommen zwischen der EWG und der Türkei mit dem Ziel des Beitritts der Türkei zur Gemeinschaft erschien am 29. Dezember 1964 im Amtsblatt Nr. 217 und wurde dort als ‚Ankara-Abkommen‘ bezeichnet.

4. Am 23. November 1970 wurde zwischen der EWG und der Türkei ein Zusatzprotokoll unterzeichnet, welches die Mitgliedschaft der Türkei in der EWG in drei Phasen vorsah und die Detailfragen der Übergangsphasen regelte.

5. Am 1. Januar 1996 wurde die Türkei in die Zollunion der EU aufgenommen. Für die türkische Bevölkerung stellte der Beitritt zur Zollunion einen weitreichenden Schritt hin zu einer Vollmitgliedschaft in der EU dar.

6. Die Staats- und Regierungschefs der EU-Mitgliedsstaaten geben der Türkei am 9. Dezember 1999 in Helsinki den Status der Beitrittskandidaten. Die Türkei wird somit auf die Liste der Beitrittskandidaten aufgenommen. Neben den zehn bereits im Mai 2004 als Vollmitglieder aufgenomme-nen Staaten und neben Rumänien und Bulgarien, die 2007 der EU beitreten sollen ist die Türkei offiziell der Beitritts-kandidat. Der Türkei wird die Gleichbehandlung mit den anderen Beitrittskandidaten zugesichert.

7. Auf dem EU-Gipfeltreffen im Dezember 2002 in Kopenhagen wird der Türkei ihre Beitrittsperspektive dahingehend bekräftigt, dass die EU-Staats- und Regierungschefs am 17 Dezember 2004 über den ‚unverzüglichen‘ Beginn der Beitrittsverhandlungen zu entscheiden haben, wenn die EU-Kommission in ihrem vorangegangenen Bericht die politischen Kriterien als erfüllt bewertet.

Voraussetzung für ein positives Votum der EU-Kommission ist die Erfüllung der so genannten ‚Kopenhagener Kriterien‘, deren Umsetzung und Einhaltung in ei-nem Fortschrittsbericht der europäischen Kommission dokumentiert wird.

8. Am 6. Oktober 2004 hat die Europäische Kommission den Staats- und Regierungschefs der EU die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen unter strengen Auflagen empfohlen. Auf die der Türkei von der EU-Kommission gemachten Auflagen werde ich noch zurückkommen

II.

Die Gegner einer EU-Mitgliedschaft der Türkei führen hauptsächlich folgende Gründe für ihre ablehnende Haltung an:

1. Die Türkei sei weder geographisch noch historisch ein eu-ropäisches Land. Daher gehöre ‚die Türkei nicht zu Europa‘.

2. Die EU sei eine auf der christlichen Religion und Kultur basierende Gemeinschaft. Die Türkei würde dem westlichen Wertesystem nicht entsprechen und als ein islamisches Land die auf christlicher Kultur basierende Identität der EU sogar gefährden. ‚Die Unionsidee wird zerstört.‘

3. Die Türkei sei eine zu große finanzielle Belastung für die EU. ‚Die EU ist keine karitative Anstalt.‘

4. Der Beitritt der Türkei in die EU werde darüber hinaus eine starke Zuwanderung türkischer Arbeitskräfte in den Arbeitsmarkt der EU nach sich ziehen. ‚Es droht eine Völkerwanderung‘.

5. Mit der EU-Mitgliedschaft der Türkei würde die EU an die zentralen Konfliktregionen grenzen. ‚Die EU kommt in üble Nachbarschaft‘.

6. Der Einfluss des Kemalismus und des Militärs seien Hinderungsgründe für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit. Außerdem sei die Gefahr des Islamismus in der Türkei nicht gebannt.

7. Mit der in den letzten Jahren verabschiedeten Verfassungsreform und den ‚EU-Anpassungsgesetzen‘ versu-che die Türkei lediglich dem Anschein nach, die politischen Kriterien von Kopenhagen zu erfüllen, ohne diese tatsächlich auch inhaltlich umsetzen zu wollen. Die Kopenhagener Kriterien seien trotz beachtlicher Reformen noch nicht realisiert und vor allem nicht umgesetzt, es gebe weiterhin Menschenrechtsverletzungen. ‚Die Türkei missachte die Menschenrechte‘.

Wie berechtigt, überzeugend, wie stichhaltig sind diese Behauptungen? Ich werde mich in sehr komprimierter Form mit diesen Positionen der Gegner einer EU-Mitgliedschaft der Türkei auseinandersetzen.

Zu 1: Die Türkei ist euroasiatisch Kein Zweifel, geographisch liegt nur ein kleiner Teil der Türkei auf dem europäischen Kontinent. Diesen Aspekt jedoch nach 40-jähriger Assoziierung der Türkei an die EU mit dem darin festgelegten Ziel einer EU-Mitgliedschaft nun zu thematisieren, scheint sehr weit hergeholt. Diejenigen EU Vertreter, die 1963 mit der Türkei das Abkommen über die EU Perspektive der Türkei paraphierten, wussten sicherlich auch damals bereits, wo die Türkei liegt.

Die Rede des Präsidenten der damaligen EWG-Kommission, Walter Hallstein (CDU), bei diesem Festakt verdient gerade heute Beachtung: ‚Wir sind heute Zeugen eines großen Er-eignisses. Die Türkei gehört zu Europa.‘ ‚

Diese Feststellung des Präsidenten der EWG-Kommission, Walter Hallstein (CDU) unterstreicht ganz deutlich, dass sich auch die damalige EWG nicht auf die geographische Lage beschränkte, sondern eine klare politische Entscheidung traf. Genau in diesem Sinne schreibt der ehemalige Außenminis-ter der Türkei, Ismail Cem: ‚Unsere Welt durchläuft radikale Veränderungen. Geographie wandelt sich nun in eine Kon-zeption, die deutliche Visionen ins Leben ruft und ausführt. Sie dient nicht dazu, unsere Wahrnehmung zu begrenzen‘.

  • Gerade diese geographische Lage der Türkei als ein Land in und eine Brücke zwischen zwei Kontinenten, Europa und A-sien, verleiht ihr eine besondere Bedeutung für die EU. Diese zukunftsträchtige Perspektive darf nicht durch eine nach Quadratkilometern rechnende Sichtweise relativiert oder gar eingeschränkt werden.
  • Die Zielsetzung der Türkei, einerseits Mitglied der EU zu werden, sich andererseits aber als ökonomischer und politi-scher Machtfaktor konsequent im eurasischen Raum einzusetzen, wird letztlich beiden, der Türkei wie der EU, zugute kommen.
  • Abgesehen davon kann die mehr als 300-jährige gemeinsame Geschichte der Türkei und Europas, wie immer man diese heute auch bewerten mag, nicht einfach ignorieren.

Zu 2: Die politische und wirtschaftliche Zielrichtung der Türken und der Türkei ist, was die Werteorientierung und Wertephilosophie anbelangt, eindeutig auf Europa gereichtet, und zwar nicht erst, wie man denken könnte, seit Gründung der Republik Türkei im Jahre 1923.

  • Diese Bestrebung begann bereits im Osmanischen Reich mit den so genannten ‚Tanzimat Fermani‘ (Tanzimat Re-formen), mit der 1839 die Gleichberechtigung aller Unterta-nen verkündet wurde.
  • 1876 wird dann eine Verfassung verabschiedet, die auch die Gründung eines Parlaments vorsah, allerdings mit sehr stark eingeschränkten Befugnissen. Diese Reformen, die also be-reits erste Demokratisierungstendenzen zeitigten, wurden 1889 mit radikalen Neuerungen von den ‚Jungtürken‘ fort-geführt.
  • Der junge Offizier Mustafa Kemal, der einen heroischen Ab-wehrsieg bei Gelibolu an den Dardanellen gegen die britisch-französische Invasionsarmee gewinnt, hat die Französische Revolution ausgiebig studiert. Sein Ziel und das seiner Ge-sinnungsfreunde ist die Befreiung des von den Siegermäch-ten besetzten und aufgeteilten Vaterlandes (im Türkischen sagt man Mutterland) und mit radikalen Umwälzungen die Gründung einer modernen Republik Türkei.
  • Dem erfolgreichen Befreiungs- und Unabhängigkeitskampf folgt die Konstituierung der Republik Türkei am 29. Oktober 1923. Das erklärte Ziel ihres Gründers Mustafa Kemal Ata-türk war es, ‚die Türkei auf das Entwicklungsniveau der zeit-genössischen Zivilisation‘ zu führen. Mit radikalen Reformen und einem grundlegenden Erneuerungsprozess sollte die Türkei den Anschluss an die entwickelten Nationen Westeu-ropas erreichen.
  • Das reformierte, säkulare, auf Wissenschaft, Technologie und Modernisierung basierende und gerade deshalb wirt-schaftlich entwickelte Westeuropa stellte für die junge Repu-blik Türkei die Orientierung auf dem Weg zu einer ‚zeitge-nössisch entwickelten Zivilisation‘ dar. Bereits in der Verfas-sung von 1924 wird der ‚Laizismus‘, die Trennung von Staat und Religion, zum wesentlichen Grundelement des Staates erklärt, um somit den Missbrauch und die Instrumentalisie-rung der Religion für politische Zwecke zu unterbinden. In der Folgezeit haben die Parteien und Regierungen der Tür-kei, von den Kemalisten über die Konservativen bis zu den Sozialdemokraten an diesem Staatsziel ‚Westorientierung‘ stets festgehalten.
  • Die heutige entschlossene Haltung des türkischen Volkes und der Regierungen der Türkei, die volle Mitgliedschaft in der EU zu erlangen, ist daher auch keine Neuausrichtung der türkischen Politik.
  • Sie ist vielmehr eine konsequente politische Fortsetzung vor allem der seit Gründung der Republik Türkei verfolgten Poli-tik.
  • Aufgrund dieser eindeutigen Westorientierung trat die Türkei 1952 der NATO bei und integrierte sich damit nicht nur militä-risch in das westliche Verteidigungssystem. Die NATO ist nämlich nicht nur ein Militärbündnis, sie dient vielmehr auch zur Verteidigung der westlichen Wertegemeinschaft.
  • Ebenfalls als Konsequenz dieser Westorientierung hat sich die Türkei bereits am 31. Juli 1959 um Mitgliedschaft in der damaligen ‚Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft‘ (EWG) beworben. Unabhängig von der politischer Orientierung ha-ben alle im Parlament der Türkei vertretenen Parteien an dem Ziel der EU-Mitgliedschaft und Westorientierung fest-gehalten.

Die EU ist kein Christenclub, sondern eine Gemeinschaft der kulturellen, sprachlichen und religiösen Vielfalt

‚In der Gewissheit, dass die Völker Europas, wiewohl stolz auf ihre nationale Identität und Geschichte, entschlossen sind, die alten Trennungen zu überwinden und immer enger vereint ihr Schicksal zu gestalten.

In der Gewissheit, dass Europa ‚in Vielfalt geeint’ ihnen die besten Möglichkeiten bietet, unter Wahrung der Rechte des Einzelnen und in Bewusstsein ihrer Verantwortung gegenüber den künftigen Generationen und der Erde dieses große Aben-teuer fortzusetzen, das einen Raum eröffnet, in dem sich die Hoffnung der Menschen entfalten kann‘

  • In Deutschland sind es in der Regel die Konservativen, Poli-tiker/innen der Unionsparteien oder Historiker, die sich enga-giert gegen eine EU-Mitgliedschaft der Türkei wenden. We-nige Beispiele:
  • ‚Im Islam fehlen die für die europäische Kultur entscheidenden Ent-wicklungen der Renaissance, der Aufklärung und der Trennung zwi-schen geistlicher und politischer Autorität.‘
  • ‚Wenn wir eine politische Union Europa wollen, dann brauchen wir ein hohes Maß an Integration. […] Nimmt man die Türkei auf, dann ist dies das Ende der Vision von der politischen Union Europas. […] Mit einem Staat wie der Türkei, der einen ganz anderen gesellschaftli-chen Hintergrund hat, sprengt man die politische Union.‘ Und: ‚Wir sind ganz klar gegen ein Europa der verwischten kulturellen und geo-graphischen Grenzen.‘
  • ‚Für die Vollmitgliedschaft in der EU ist auch eine gemeinsame Iden-tität und das Gefühl der Zugehörigkeit notwendig. Das fehlt der Tür-kei, die nur teilweise zu Europa gehört. […] Natürlich können wir die Beitrittsperspektive, die es seit den sechziger Jahren gibt, jetzt nicht einseitig aufkündigen. Das ist eine Verpflichtung zu der wir stehen.‘
  • ‚Das historische Europa und die Türkei gehören zwei unterschiedli-chen Kulturkreisen an. […] Integration meint auch die Stärkung des europäischen Identitätsgefühls. Das aber würde durch die auf grund-verschiedenen historischen Traditionen beruhende Türkei dauerhaft in Frage gestellt.‘
  • Wie zu sehen ist, wird den Türken und der Türkei eine euro-päische Identität wegen ihrer unterschiedlichen Geschichte, Religion und Kultur aberkannt.
  • Als ob es in Europa nur die christliche Religion, eine einheit-liche Kultur und die gleiche Geschichte für alle 25 EU-Mitgliedsstaaten und somit auch eine bestimmte Identität gä-be.
  • Zudem wird in dieser Vorstellung die Identität als etwas his-torisch Eingefrorenes, also Statisches verstanden und be-wertet. Dass dies nicht der Fall ist, beweist die vorhandene Vielfalt der Sprachen, der Kulturen und der Geschichten ei-nes jeden Volkes und Landes sowie die dadurch Mitgeform-ten, sich dauernd in Weiterentwicklung befindenden unzähli-gen Identitäten.
  • ‚Plötzlich entdecken Zeitgenossen die ‚christliche Identität’ des A-bendlandes wieder, die bisher kaum als glühende Vertreter des Christlichen hervorgetreten waren. Jetzt aber brauchen sie das, was sie ‚christliche Identität’ nennen, weil es gegen den Islam geht. […] Gegen diese politische Instrumentalisierung des Begriffs ‚christliche Identität’, die gestern gegen Juden, heute gegen Muslime ins Spiel gebracht wird, streite ich aus theologischen Gründen. […] Er taugt da-für nicht, vor allem aus zwei Gründen: aus Gründen der Geschichte und aus Gründen des Christlichen selber.
  • Was die Geschichte betrifft, so ist gegen alles Vergessen und Ver-drängen festzuhalten: In Europa hat es jahrhundertelang auch ein le-bendiges Judentum und einen lebendigen Islam gegeben. Europa ist auch durch jüdische und muslimische Kultur mitgeformt und mitge-prägt worden.‘ So der Theologe Prof. Kuschel.
  • Die oben zitierte Feststellung von Altbundeskanzler Helmut Schmidt ist sehr allgemein gefasst und gerade für die Türkei nicht zutreffend.
  • Der Islam in Südostasien, Afrika, im Nahen Osten und in Eu-ropa ist sowohl in seiner Auslegung als auch in der prakti-schen Anwendung sehr unterschiedlich und zeigt eine Viel-falt, ähnlich der des Christentums. Es ist falsch, die islami-sche Religionsgemeinschaft, der ca. 1,3 Milliarden Menschen in mehr als 50 Ländern angehören, in Fragen der Auslegung und Ausübung als homogen zu betrachten.
  • Die Türkei hat 1923, nach der Ausrufung der Republik, durch revolutionäre Umwälzungen diese Entwicklung der eu-ropäischen Aufklärung mit ihrer Trennung von Staat und Re-ligion bereits in den 20er und 30er Jahren des vorigen Jahr-hunderts erfolgreich nachvollzogen.
  • 1923 mit der Ausrufung der Republik Türkei und Abschaf-fung des Sultanats, 1924 mit der Abschaffung des Kalifats als oberster Instanz der Scharia, Rechtsreform, Bildungsre-form, Schriftreform (anstelle der arabischen die Lateinschrift), Gleichstellung der Frau mit Wahlrecht für Frauen und mit ei-ner Reihe weitreichender Reformen in den Folgejahren wur-de die Westorientierung der Türkei gezielt eingeleitet. 1931 mit Aufnahme des ‚Laizismus‘ in die Verfassung wurde die Trennung von Religion und Staat vollzogen.
  • Seitdem gehört diese Staatsphilosophie zu den unveränder-lichen Grundpfeilern des neuen Staates.
  • Ähnlich wie der Artikel 20 des deutschen Grundgesetzes, der die Staatsform der Bundesrepublik Deutschland definiert und unabänderlich gilt, sind auch Art. 1 ‚Die Türkei ist eine Republik‘ und Art. 2 ‚[…] die Türkei ist ein demokratischer, laizistischer und sozialer Rechtsstaat‘ der Verfassung der Türkei unveränderbar.
  • Eine sehr große Mehrheit der Bevölkerung der Türkei hat den Laizismus verinnerlicht. Selbst unter den für die Gegner des Laizismus günstigsten Bedingungen, also in Zeiten poli-tischer, wirtschaftlicher und sozialer Krisen, haben laizismus-feindliche Parteien maximal 20% der Wählerstimmen auf sich ziehen können. Diese Tatsache belegt, dass die türkische Bevölkerung den ‚laizistischen, demokratischen und sozia-len Rechtsstaat‘ längst angenommen und als Grundsatz der Verfassung akzeptiert hat.
  • Was ich aber bei den konservativen Positionen nicht akzep-tieren kann, ist Folgendes: Die EU betrachtet die Mensch-rechte einerseits als ein universelles Recht, das überall, also auch in ’nicht westlich geprägten Kulturen‘ gelten soll. Wenn aber einzelne dieser Rechte nicht mit den Vorstellun-gen, die der Islam in mehr als Tausend Jahren entwickelt hat, zusammenpassen, dann muss man deren universelle Gültigkeit anzweifeln. In dieser Hinsicht wird eine Art Abson-derung der islamischen Religion, aber auch anderer Kulturen und Identitäten vorgenommen, um sozusagen die Reinheit der europäischen Kultur zu bewahren. Gerade die Universali-tät dieser Errungenschaften setzt aber voraus, dass sie weltweite Akzeptanz, Anerkennung und Anwendung erfah-ren. Die Mitgliedschaft in die EU darf aber nicht so ausgelegt werden, dass die eigene islamisch geprägte Identität und die eigene Kultur oder gar die eigene religiöse Überzeugung aufgegeben werden müsste, um EU-integrationsfähig zu wer-den.
  • Die EU, ein Staatenbund bereits heute aus 25 und in naher Zukunft aus mehr als 28 Staaten, darf und kann in einer E-poche der Globalisierung der Welt nicht allein auf Werte christlicher Religion und der darauf basierenden Kultur redu-ziert werden.
  • Dies würde auch der bereits vollzogenen Realität von heute gänzlich widersprechen. Die Staaten der EU sind längst fak-tisch unumkehrbar multikulturell, multiethnisch und multireli-giös geworden. In diesen Ländern leben mehr als 15 Millio-nen Menschen islamischen Glaubens, von der Bevölke-rungszahl entspricht dies der Größe einiger Staaten der EU.
  • Allein aus der Türkei leben heute mehr als 3,5 Millionen Menschen in den EU-Staaten, allein in der Bundesrepublik Deutschland 2,5 Millionen.

  • Die EU ist ein globales, zukunftsgerichtetes Modell einer of-fenen und multikulturellen Gesellschaft. Ihr Verdienst sollte nicht nur darin bestehen, den Wohlstand und den sozialen Frieden ihrer Bevölkerung zu sichern und zu steigern, son-dern auch zum Prozess eines engen Dialogs und Austau-sches mit anderen Religionen und Kulturen und somit zum Frieden weltweit aktiv beizutragen. In diesem Sinne ist die EU-Mitgliedschaft der Türkei für ein solches Projekt bestens geeignet.

Von einem Mitgliedsland Türkei wird keine starke Zuwanderung ausgehen Zu 3:-Mit völlig unbegründeten Fantasiezahlen über eine Zuwan-derung von 10 bis 18 Millionen Menschen, die nach einem EU-Beitritt aus der Türkei in die EU abwandern würden, machte der Historiker Wehler den Menschen Angst . Diese Argumentation ist nicht selten auch von manchen Politikern zu hören, die damit Befürchtungen unter der von Arbeitslo-sigkeit ohnehin stark verunsicherten und verängstigten Be-völkerung verbreiten.

  • Prognosen wie diese sind jedoch durch die Erfahrungen mit den Ländern Spanien, Portugal und Griechenland nach ihrer EU-Mitgliedschaft widerlegt. In den Jahren 1991 bis Anfang 2003 kam es im Saldo aus Zu- und Abwanderung nach und aus Deutschland gegenüber Griechenland zu einem Zuwan-derungs-Überschuss von lediglich 1.663 Personen, bei den Portugiesen waren es 37.094 Personen, bei den Spaniern hingegen kam es zu einem Abwanderungs-Überschuss aus Deutschland von 186.629 Personen. Mit anderen Worten: innerhalb von 12 Jahre wanderten aus diesen drei Ländern insgesamt 147.872 Personen mehr aus Deutschland ab, als nach Deutschland zuwanderten.
  • Dies ist dadurch zu erklären, dass die EU-Mitgliedschaft für die neuen Mitgliedsstaaten die Möglichkeit eröffnet, dort durch neue Investoren viele neue Arbeitsplätze entstehen zu lassen, wie am Beispiel dieser Länder auch belegt werden kann.
  • Dies wird bei der Türkei nicht anders verlaufen. Bereits mit Beginn der Beitrittsverhandlungen über die Mitgliedschaft der Türkei dürften die Investitionen dort ganz erheblich zuneh-men, zumindest erwarten dies die Befürworter eines Beitritts. Dadurch wäre aber der Migrationsdruck aus der Türkei in die EU und nach Deutschland ganz erheblich gemindert.

Zu 4: Was nun die Kosten einer EU-Mitgliedschaft der Türkei anbe-langt, so arbeitet Wehler in dem bereits oben zitierten Beitrag wiederum mit völlig frei erfundenen Summen. Er sprich von jährlichen 20 bis 40 Milliarden Euro und sorgt damit ganz gezielt für eine Verunsicherung der EU Bürger.

  • Die Kosten, die der EU im Falle einer Mitgliedschaft der Tür-kei entstehen würden, können heute nur annähernd ermittelt werden. Dies hat vor allem damit zu tun, dass es für eine EU Mitgliedschaft der Türkei noch kein Datum gibt und bis dahin insbesondre bei den Agrarsubventionen durchgreifende Ver-änderungen möglich und sogar wahrscheinlich sind. Daher möchte ich hier mit aller gebotenen Vorsicht die Modellrech-nungen von drei unterschiedlichen Institutionen wiedergeben.
  • ‚Ich rechne mit Nettozahlungen an die Türkei, die einer heu-tigen Finanzierungsanstrengungen von höchstens 10 bis 15 Milliarden Euro entspräche.‘, so die EU-Haushaltskommissarin Michaele Schreyer.
  • Das ‚Osteuropa-Institut München‘ schätzt nach einer Pro-jektion die Kosten für die EU bei einem Beitritt der Türkei für 2013 auf ‚maximal 14 Milliarden Euro‘. Die Deutsche In-dustrie- und Handelskammer zu Istanbul rechnet mit Kosten von ‚bestenfalls 8 Milliarden Euro und damit das Niveau von Spanien‘.
  • Woher der Historiken Wehler seine Zahlen nimmt, gibt er nicht an. Aber nachweislich sind sämtliche Angaben von ihm frei erfunden und falsch.
  • Für das Bevölkerungswachstum der Türkei geht er für die Zukunft von 2,5% aus, mit der Behauptung, dies wäre sogar zu gering geschätzt. Tatsächlich liegt das Wachstum seit ei-nigen Jahren bei nur noch bei 1,6% mit rückläufigem Trend. Die Türkei erlebt infolge der nach wie vor starken Landflucht eine rasche Zunahme der städtischen Bevölkerung, und dies hat zur Folge, dass sich das Bevölkerungswachstum erheb-lich verlangsamt.
  • Auch die Angeben Wehlers über die Wirtschaft der Türkei sind falsch. Richtigerweise wird das Prokopfeikommen heute nach der Parität der Kaufkraft errechnet.
  • Demgemäß beträgt das jährliche Prokopfeinkommen in der Türkei mehr als 8.000 Euro. Hinzu kommt, dass in der Türkei ein ganz beachtlicher Teil der Wirtschaftsleistungen nicht re-gistriert wird. Dieser Teil der nicht registrierten und somit in der Statistik nicht berücksichtigten Wirtschaftskraft wird heute auf nahezu 45% geschätzt.

Zu 5 : Bei einer EU-Mitgliedschaft der Türkei würde die EU an die zen-tralen Konfliktregionen im Nahen Osten grenzen, also an den Iran, Irak und an Syrien.

  • Die Türkei ist seit 52 Jahren Mitglied der NATO. Als Mitglied dieser Werte- und Verteidigungsgemeinschaft hat sie auch ein Recht darauf, bei einem Konfliktfall von den NATO-Mitgliedstaaten unterstützt zu werden. Die allermeisten EU-Staaten sind auch Mitglied der NATO, ebenso die Bundesre-publik Deutschland. Also kann die Bundesrepublik Deutsch-land und können die anderen EU- und NATO-Staaten in ei-nem denkbaren Konfliktfall zwischen den genannten Ländern und der Türkei ohnehin nicht sagen, das ginge sie nichts an.
  • Oder sind etwa die Unionsparteien der Meinung, dass man die Türkei in einem solchen Ernstfall allein lassen müsse, obwohl dieses Land seit über ein halbes Jahrhundert weit über ihre finanziellen Möglichkeiten hinaus für die Südflanke der NATO größtmögliche Anstrengungen auf sich genommen hat.
  • Die EU ist heute sogar bemüht in dieser Region, im Falle des Irak-Krieges oder bei der friedlichen Lösung des Konflik-tes zwischen Ismail und Palästina ihren Beitrag zu leisten. Die Bundesrepublik Deutschland, und nicht nur sie, versucht bereits heute ihr Beitrag zu Herstellung und Sicherung des Friedens und der politischen Stabilität mit eigenen Soldaten in Kosovo und Afghanistan zu leisten. Es ist längst bekannt, dass unsere Sicherheit, Frieden und Wohlstand nicht allen durch den Frieden in Deutschland und Europa abhängt, sondern auch von anderen Regionen und Ländern der Welt.
  • Wie Recht hatte Atatürk mit seinem Spruch: ‚Frieden im Heimatland, Frieden in der Welt.‘
  • Doch das politische Gewicht der EU verleiht ihr aber diese Möglichkeit nicht, sich mit Nachdruck für dieses Ziel gerade im Nahenosten einzusetzen. Dies ist ein ganz gewichtiges Argument der Befürworter der EU-Mitgliedschaft der Türkei, um Mithilfe dieses Landes in der EU in dieser Region ihr ge-wolltes Einfluss Geltung zu verschaffen. Darauf gehe ich un-ten ein.

Die Kemalisten und das türkische Militär wollen ein gleichberechtigtes EU-Mitglied Türkei

ZU 6:-Die Rolle und die Bedeutung des Militärs in der Geschichte der Türkei unterscheiden sich stark von denen der meisten westeu-ropäischen Staaten, insbesondere aber von denen Deutsch-lands.

  • Der Befreiungskrieg des türkischen Volkes nach der Besetzung der Türkei infolge des verlorenen Ersten Weltkriegs wird eben-falls von Offizieren unter Führung von Mustafa Kemal und sei-nen engsten Gesinnungsfreunden, durchgeführt.
  • Sie waren es, die die Nationalversammlung der Türkei auf Volkskongressen in Sivas und Erzurum organisierten und 1921 einberiefen. Mit revolutionären Entscheidungen der ‚National-versammlung der Türkei‘ (das Parlament in der Türkei heißt immer noch ‚Große Nationalversammlung der Türkei‘) in Anka-ra wird die Republik der Türkei 1923 konstituiert und das 624-jährige osmanische Sultanat und das ‚Şeyhulislam‘, eine Art Papst der ganzen islamischen Welt, abgeschafft.
  • Es folgen eine Vielzahl von Reformen zur Modernisierung des Landes, darunter eine Rechts-, Bildungs- und Schriftreform, Trennung von Staat und Religion, die rechtliche Gleichstellung der Frau nebst dem Verbot der Polygamie, eine radikale Re-formierung der Wirtschaft zur raschen Industrialisierung des Staates.
  • Das türkische Militär sieht sich dieser kemalistsichen Tradition verpflichtet. Daher ist der Kemalismus für den politischen Islam, also in den Augen derer, die einen theokratischen Staat nach den Geboten der Scharia errichten möchten, ein Hindernis.
  • Der ‚Nationale Sicherheitsrat‘, den es übrigens auch in den USA und in machen anderen Ländern gibt, wurde neu struktu-riert. In diesem Gremium sitzen je zur Hälfte neben dem Staatspräsidenten, der Ministerpräsident, seine beiden Stellver-treter und je nach Tagesordnung andere Minister sowie in glei-che Zahl die Offiziere der Militärspitze.
  • Der Sicherheitsrat trifft aber keine Entscheidungen mehr, kann in seiner Funktion als ein verfassungsmäßiges Beratungsorgan lediglich Ratschläge über wichtige Fragen, die die Sicherheit des Landes Betreffen, als Empfehlung an die Regierung geben. Von dieser grundlegenden Reform des ‚Nationalen Sicher-heitsrates‘ glaubten viele, dass damit von der Politik ein Tabu-bereich begangen worden wäre.
  • Es ist gänzlich falsch zu glauben, die Kemalisten wären gegen eine EU-Mitgliedschaft der Türkei. Sie sind vielmehr aufgrund ihrer Orientierung für den Integrationsprozess der Türkei in die EU, allerdings mit klarer Betonung darauf, dass um dieser Mit-gliedschaft willen nicht alles akzeptiert werden dürfe, und das bedeutet Gleichbehandlung der Türke im Vergleich zu den üb-rigen EU-Staaten müsste gewährt werden.

Zu 7: Die Türkei hat die Kopenhagener Kriterien erfüllt-Mit der Änderung von 37 der 177 Verfassungsartikel wurden die Fundamente der weiteren Demokratisierung der Türkei gelegt.

  • Sehr umstritten waren vor allem die Änderungen, mit denen die Todesstrafe abgeschafft
  • sowie das Erlernen anderer Muttersprachen neben dem Türkischen, insbesondere des Kurdischen, nebst der Mög-lichkeit zur Ausstrahlung muttersprachlichen Sendungen in Rundfunk und Fernsehen verfassungsrechtlich garantiert werden sollten.
  • Es folgten eine Reihe grundlegender Gesetzesänderungen mit dem Ziel, die Stärkung der Demokratie und der zivilen Behörden zu erreichen. Meinungsfreiheit, der Schutz vor Fol-ter, die Freiheit und Sicherheit des Individuums, das Recht auf Privatsphäre, die Unverletzlichkeit der Wohnung, die Kommunikationsfreiheit, Vereinigungsfreiheit und die Gleich-berechtigung der Geschlechter wurde verfassungsrechtlich den EU-Standards angepasst.
  • Das Zivilgesetzbuch wurde geändert und trat im Januar 2002 in Kraft. Dieses war erforderlich, um die Gleichberech-tigung von Mann und Frau auf allen Ebenen der Gesellschaft umsetzen zu können.
  • Die Regierung Erdoğans setzt auch das unter der Regierung Ecevit vorgesehene Konsolidierungsprogramm der Wirtschaft fort.
  • Mit dem siebten EU-Harmonisierungspaket vom August 2003 wurde das Gesetz über den Nationalen Sicherheitsrat und dessen Generalsekretariat mit dem Ziel geändert, die Aufga-ben und Zuständigkeiten dieses Gremiums neu zu ordnen und diese auf ihre beratende Rolle festzulegen. Das General-sekretariat des Sicherheitsrates hat keine exekutiven Befug-nisse mehr, sondern lediglich die Funktion eines Sekretariats des Rates.
  • Die Kopenhagener Kriterien, die zur Voraussetzung für den Beginn von Beitrittsverhandlungen mit der Türkei gemacht wurden, gehören seit Jahren zu den zentralen Anliegen gro-ßer Teile der türkischen Bevölkerung, um mit ihrer Umset-zung die Demokratisierung des Landes zu vervollständigen sowie die Behebung von Defiziten in Menschenrechts- und Minderheitenfragen zu gewährleisten.
  • Ich persönlich freue mich heute außerordentlich über die-sen unschätzbaren Gewinn einer begonnenen Epoche ‚echter Demokratie‘ in der Türkei, wie wir diesen Wunsch als kritische Menschen türkischer Herkunft nannten. Seit Jahrzehnten haben wir diesen Demokratisierungsprozess verlangt und dafür gekämpft, haben in der Vergangenheit politische Repressalien erleiden müssen.

Der Vorschlag der CD/CSU mit der Türkei ‚privile-gierte Partnerschaft‘ ist eine Provokation

  • Die Christlichen Parteien Deutschlands scheinen entschlos-sen zu sein, zu verhindern, dass eine demokratische und lai-zistische Rechtsstaaten Türkei mit ihrer mehrheitlich islami-schen Bevölkerung in Zukunft EU-Mitglied wird. Sie wollen, wie sie dies nicht selten zum Ausdruck brachten, eine EU als christliche Gemeinschaft.
  • Es ist für die Türken, vor allem aber für Deutschlandtürken verärgernd und verletzend, wenn Frau Merkel, Herr Schäub-le, Herr Stoiber, Herr Glos oder andere Unionspolitiker die Türkei stets anders und ungleich behandeln als die anderen EU-Anwerbe-Staaten. Ihre Vorwende hierfür sind zeitweilig unterschiedlich: Mal werden religiöse und kulturelle Unter-schiede, mal führen sie geographische Gründe oder poli-tisch-wirtschaftliche Diskrepanzen, für diese ablehnende Hal-tung der CDU/CSU für eine EU-Mitgliedschaft der Türkei vor.
  • Damit sie aber ihrer Ablehnung gegenüber den Türken ver-schleiern können, haben sie neuerdings eine Worthülse mit der Mogelpackung ‚privilegierten Partnerschaft‘ für die Tür-kei, anstelle einer EU- Mitgliedschaft entdeckt.
  • Es ist durchaus das Recht, der Parteiführung der Unionspar-teien gegen eine EU-Mitgliedschaft der Türkei und somit auch gegen den Beginn der Beitrittsverhandlungen mit der, mit welcher Begründung auch immer, öffentlich Position be-ziehen. Die tun sie auch auf vielfältiger und höchst engagier-te Weise. Frau Merkel bemüht sich sogar um Unterstützung Ihrer Position bei anderen konservativen Parteien der EU.
  • Verwunderlich und verärgernd ist jedoch ihre Selbstschät-zung dennoch. Sie erwartet von der Türkei, dass sie ein sol-ches, die Türkei ganz offen diskriminierendes und erniedri-gendes Angebot akzeptieren könnte.
  • Dabei ist die von den Unionsparteien vorgeschlagene ‚privi-legierte Partnerschaft‘ für die Türkei nicht nur völlig indisku-table, sie wird viel mehr als eine außenpolitische Grobheit angesehen.
  • Wenn intensiv danach gefragt wird, was mit der ‚privilegierte Partnerschaft‘ gemeint ist, wird mit Mühe nach einer Antwort gesucht. Dies soll bedeuten: ‚eine Freihandelszone zwischen EU und der Türkei, eine gemeinsame Außen- und Sicher-heitspolitik und Zusammenarbeit beim Kampf gegen Terror. ‚

Diese Partnerschaft, wenn man dies als privilegiert nenn soll, hat die Türkei längst:-Die Türkei ist seit 1996 in Zollunion der EU. Das heißt ein Freihandel zwischen der EU und der Türkei existiert bereits, wovon allerdings bis land die EU profitiert hat. -Eine gemeinsame Sicherheitspolitik und enge Abstimmung in außenpolitischen Fragen ist mit der Türkei als NATO Mit-glied seit über 50 Jahren vorhanden.

  • Die Türkei gehört zu den entschieden Ländern beim Kampf gegen internationalen Terrorismus und es besteht bereits ei-ne gute Zusammenarbeit mit den EU-Staaten.
  • Da diese Idee der ‚privilegierte Partnerschaft‘ als Alternative zu EU Mitgliedschaft der Türkei steht, wird sie von der Bevöl-kerung der Türkei und von Deutschlandtürken als eine ‚privilegierte Diskriminierung‘ bewertet.
  • Hinter diesem Mogelpackung-Vorschlag steht eine freche Art Kolonialherr-Manieren, die bezeugen, wie weit die Uni-onsführung von einer Verantwortung der Außen- und Interna-tionalen Politik entfernt ist. Der Vorstoß Frau Merkels ist nicht staatspolitisch gedacht, sondern eine innen- und parteipoli-tisch Handlung, mit dem Ziel Wählerstimmen zu fangen. Da-bei scheuen sich die Unionsparteien nicht bei den Wählern Ängste zu schüren.
  • Die Unionsparteien schüren mit falschen Angaben Ängste und hoffen mit dieser Politik Stimmen bei den bevorstehen-den Wahlen zu fangen. Sie täuschen sich. Damit wird viel eher den Rechtsaußenparteien geholfen, mit ihrer Anti-Türkei und Anti-Türkenpolitik mehr gehör zu finden.

IV.

Die Türkei ist für eine visionäre EU Chance und Bereicherung Die EU braucht die Türkei

Bei der Diskussion um EU-Türkei geht es nur um Probleme und mögliche Risiken für die EU. Welche Vorteile die EU von einer solchen Mitgliedschaft der Türkei haben würde, wird kaum diskutiert.

  • Die Frage ist, welche Visionen die EU hat und welche Rolle sie in der Welt zu spielen gedenkt.
  • Will die EU lediglich eine wichtige Wirtschaftsmacht in der Welt bleiben und politisch den Weltgeschehnissen nur als Zuschauer beobachte?
  • Oder will sie aktiv, gestalterisch, frieden stiftend und als aktiver Vermittler bei Konfliktlösungen sich einschalten,
  • Will sie neben USA und zukünftig neben China etwas zu sagen haben, so braucht sie eine neue Gestalt, eine neue weltpolitische Orientierung.
  • Sie muss zu eine der Weltmachtzentren sich hervorhe-ben, wenn ihr ökonomischer Macht auch politische genü-gend Bedeutung gewinnen soll!
  • bei dem drohenden, bei manchen Teilen gewollten Kampf der Kulturen und Zivilisationen müsste sie eine Vermittlerrolle übernehmen, sie müsste Brücken zwi-schen den Zivilisationen, zwischen Okzident und Orient bauen.
  • Nur so kann weltweit mehr Sicherheit, mehr Frieden, mehr Verständigung und mehr Zusammenarbeit zwi-schen vermeintlich gegensätzlichen Positionen in den is-lamischen und christlichen Ländern gestiftet werden.
  • Der Türkei kommt genau hierbei eine ganz wichtige und unverzichtbare Rolle und Bedeutung zu.
  • Ihre geographische und geopolitische Lage als Brücke zwischen zwei Kontinenten Europa und Asien, als Stabili-täts- und Machtfaktor im Nahenosten ist für diese Rolle in einer besonderen Weise hierfür geeignet.
  • Als einen demokratischen, laizistischen Rechtsstaat kann sie als Modell für viele der islamischen Länder gel-ten, in dem der Islam und diese universalen Werte nicht im Widerspruch stehen. Demokratie, Trennung von Staat und Religion – Laizismus-, Rechtsstaat, Menschenrechte, Modernität, können genau so gut in einem Land mit isla-mischer Bevölkerung voll verwirklicht werden.
  • Genau diese Ausstrahlung der Türkei mit ihrer mehrheit-lich islamischen Bevölkerung wäre ein Modell für viele der islamischen Länder.
  • Dies wäre der Beweis als Beispiel der Versöhnung der historisch belasteten Beziehungen zwischen beider Zivili-sationen, Religionen und vielfältigen Kulturen, zwischen bevölkerungsmäßig islamischen und christlich geprägten Ländern.
  • Genau diesen ganz elementaren Ansatz unterstreicht Alt-Bundespräsident Richard von Weizsäcker wenn er sagt: ‚Zu den großen globalen Aufgaben gehört es, eine Brück von den westlichen Demokratien zur muslimischen Welt zu bauen. Dafür bietet eine demokratische Türkei einen unverzichtbaren Pfeiler.‘
  • Die Türkei gestärkt als EU-Land und die EU mit ihrem Mitglied Türkei kann im Nahenosten einen ganz großen Gewicht bekommen. Ein Mal für den Demokratisierungs-prozess der Region, aber auch als Vermittler für eine fiedliche Lösung des Konflikts beispielsweise zwischen Israel und Palästina, aber auch sonstige Konflikte.
  • Heute hat die EU bei diesen Konflikten in der Region eher eine Zuschauerrolle. Hiermit kann und darf sich eine so bedeutende Wirtschaftsmacht EU nicht zufrieden ge-ben.
  • Mit der Mitgliedschaft der Türkei wird die EU bedeutend an mehr Sicherheit und Einfluss nicht nur im Nahenosten gewinnen.
  • Die Türkei mit ihrer sehr jungen und dynamischen Be-völkerung und Wirtschaft stellt auch große Bereicherung für die Wirtschaft der EU dar.

Zum Schluss:

Die Türkei und Deutschlandtürken wollen die Gleichbehandlung bei dem Prozess der EU-Mitgliedschaft.