Die Bundesregierung plant die Neuauflage der Leitkulturdebatte

In einem Interview mit der Stuttgarter Zeitung vom 17.12.2005 betonte Bundesinnenminister Dr. Wolfgang Schäuble (CDU) die Wichtigkeit der Integrationspolitik in Deutschland.

Diese müsse in einem gesamtgesellschaftlichen Ansatz betrachtet und von der schwarz-roten Bundesregierung zur ‚Chefsache‘ gemacht werden, um französische Verhältnisse in Deutschland zu verhindern.

Unter dem Deckmantel von wohlklingenden Äußerungen schwebt dem Bundesinnenminister dabei ein ganz bestimmtes Integrationsmodell vor.

Erfreulicherweise empfiehlt er zwar, dass die Deutschen die Begegnung mit Fremden nicht als Bedrohung, sondern vielmehr als Bereicherung verstehen sollten. Darüber hinaus gibt Dr. Schäuble aber auch gleich zu erkennen, wie er sich konkret die Integration von in der Bundesrepublik lebenden Ausländern vorstellt: Neben der zwingenden Verpflichtung, die deutsche Sprache zu erlernen und die deutschen Gesetze zu achten, müsse vor allem der Wille vorhanden sein, hier heimisch werden zu wollen. Dies bedeutet, die ’sehr freiheitliche Lebensart‘ zu akzeptieren. Wer dies nicht kann oder will, sollte sich dann eben woanders auf der Welt niederlassen.

Dass das Erlernen der deutschen Sprache eine unverzichtbare Voraussetzung für eine erfolgreiche Integration bildet, ist zweifellos richtig und unstrittig. Die von den hier lebenden Ausländern eingeforderte Akzeptierung der hiesigen Lebensart bedeutet aber nichts anderes als eine Anpassung an die Kultur der Mehrheitsgesellschaft. Der Bundesinnenminister hält offenbar die Assimilation nach wie vor für die beste und einzig angemessene Lösung der bestehenden Integrationsprobleme in Deutschland. Dies steht in offenem Widerspruch zu dem ganzheitlichen Integrationskonzept, auf das sich die Regierungsparteien CDU/CSU und SPD in ihrem Koalitionsvertrag verständigt haben, in dem noch von einem gleichberechtigten Miteinander und interkulturellen Dialog die Rede ist.

Offensichtlich plant die Bundesregierung stattdessen die Verunsicherung der Bevölkerung, um eine Neuauflage der früheren Leitkultur-Debatte vorzunehmen.

Die Linksfraktion im Deutschen Bundestag fordert von der Bundesregierung dagegen konkrete Maßnahmen, um die Integration der hier lebenden Migrantinnen und Migranten zu verbessern. Dazu gehört als Grundvoraussetzung die Gewährung der vollen Bürgerrechte durch erleichterte Einbürgerung und Tolerierung doppelter bzw. mehrfacher Staatsangehörigkeit. Wir fordern die Bundesregierung auf, dieses Problem endlich zu lösen und sich nicht mehr länger vor der Lebenswirklichkeit in diesem Land zu drücken.