Die Glaubwürdigkeit der EU steht auf dem Spiel Deutschlandtürken stark enttäuscht
Laut Presseberichte sollen gemäß eines Vorschlages von Bundeskanzler Schröder und Frankreichs Staatspräsident Chirac die Verhandlungen über einen EU-Beitritt der Türkei im Juli 2005 beginnen. Allerdings erst dann, soweit bis Ende 2004 die Kopenhagener Kriterien in die Praxis umgesetzt worden sind.
Dieser Vorschlag bedeutet nichts anderes als die Rückkehr zu der Beschlusslage am Gipfel-treffen von Helsinki im Jahre 1999, so als ob in dieser Zeit in der Türkei nichts geschehen sei. Dabei hat die Türkei mit zahlreichen Verfassungsreformen und grundlegenden Geset-zesänderungen – gerade auch jetzt unter der neuen Regierung in der Türkei unter Beweis stellend – diese Kriterien erfüllt und zwar zumindest so weit wie einige der übrigen Beitritts-kandidaten, denen bereits ein fester Termin eingeräumt worden ist.
Jenem Vorschlag entsprechend soll die Türkei konditional Beitrittstermine nicht etwa für den EU-Beitritt, sondern für den Beginn der Verhandlungen weitere 2,5 Jahre warten.
Dieses ist eine eindeutige Ungleichbehandlung, gar offensichtliche Diskriminierung der Tür-kei im Vergleich zu den anderen zwölf Beitrittsstaaten. Die Art der Behandlung, falls dies beim Gipfeltreffen am 12. Dezember so verabschiedet werden sollte, verletzt zutiefst die Würde der Türken in der Türkei und in den EU-Staaten.
Eine solche ungleiche, diskriminierende sowie unwürdige Politik gegenüber der Türkei und gegenüber den Türken in den EU-Staaten kann nicht akzeptiert werden. Eine derartige Ent-scheidung wird mit Sicherheit die Beziehungen der Türkei zur EU und zum Westen insge-samt, aber auch die Identifikation der Eurotürken mit ihren neuen Heimatländern, gravierend beeinflussen.
Die Türkische Gemeinde hat eine Wahlempfehlung zu Gunsten der Rot/Grünen Koalitions-regierung gemacht, auch in der Überzeugung, von dieser Regierung eine klare Unterstüt-zung der EU-Mitgliedschaft der Türkei zu bekommen. Daher sind wir von diesem Schrö-der/Chirac Vorschlag sehr enttäuscht.
Mithin werden jene Anti-EU-Positionen gestärkt werden, die stets behaupteten, auf die EU sei kein Verlaß, denn jene praktizierten gegenüber der Türkei eine unaufrichtige und hinhal-tende Politik.
Die Türkei hat mit ihren großen Anstrengungen für den Integrationsprozess in die EU einen festen Zeitpunkt für Beitrittsverhandlungen ohne ein Wenn und Aber mehr als verdient. Der Beginn der Beitrittsverhandlungen sollte ohne wenn und aber spätestens in sechs Monaten beim Gipfeltreffen in Saloniki beginnen.
Prof. Dr. Hakkı Keskin