Wie oft wurde der Türkei von manchen Gegnern der EU-Mitgliedschaft unterstellt, ihre Politik unter dem Diktat des Militärs zu gestalten. Die Türkei hat erneut bewiesen, dass die demokratischen Regeln und der Volkswille das einzig geltende Kriterium sind. Sowohl die Parlamentswahlen als auch die Wahl des Staatspräsidenten überzeugen von der demokratischen Reife des Landes.
Somit bekleidet zum ersten Mal in der Geschichte der Republik ein islamisch-konservativer Staatsmann das höchste Amt der laizistischen Republik. Die Kandidatur Güls hatte im Vorfeld insbesondere in laizistischen Kreisen vehemente Kritik und Besorgnis ausgelöst. Vor allem das symbolträchtig bewusst getragene Kopftuch seiner Frau, wurde in der Öffentlichkeit sehr kontrovers diskutiert. Die Laizisten sehen hierbei eine Gefahr für den demokratischen, laizistischen und sozialen Rechtsstaat als unveränderliche Grundlage der Republik.
Der Streit über das Kopftuch und über die Auslegung des Laizismus gehört seit Jahrzehnten zu den heftigst diskutierten Themen des Landes. Dieses Thema hat das Land in zwei Lager gespalten. Jetzt besteht die Chance, auch im Zuge der Ausarbeitung einer neuen Verfassung, eine Konsenslösung zwischen konsequent laizistisch orientierten und religiös-konservativen Teilen der Bevölkerung zu finden.
Die EU sollte die Türkei auf ihrem Wege zu einer weiteren Demokratisierung und zur Annäherung an eine EU-Vollmitgliedschaft tatkräftig unterstützen. Die andauernde Diskussion über eine ‚privilegierte Partnerschaft‘ als Alternative zur EU-Vollmitgliedschaft muss aufhören. Gerade diese Politik in manchen EU-Ländern und Kreisen führt dazu, dass die türkische Bevölkerung sich zunehmend von einer EU-Mitgliedschaft distanziert. Die Türkei verdient die volle Unterstützung der EU und die EU braucht die Türkei für eine stärkere zivile Einflussnahme im Nahen Osten.
Hakkı Keskin