Vor 75 Jahren, am 29.Oktober 1923 wurde von der Nationalversammlung die Republik Türkei ausgerufen. Das 624 Jahre lang existierende Osmanische Reich wurde somit Geschichte.
Sehr geehrte Bürgermeisterin Frau Krista Sager, Sehr geehrter General Konsul der Republik Türkei, Herr Kaþif Eryalçýn, Sehr geehrte Herr Edzard Reuter, Sehr geehrter Herr Prof. Wulf Köpke, Sehr verehrte Damen und Herren,
Vor 75 Jahren, am 29.Oktober 1923 wurde von der Nationalversammlung die Republik Türkei ausgerufen.
Das 624 Jahre lang existierende Osmanische Reich wurde somit Geschichte. Als Verbündeter Deutschlands hatte das Osmanische Reich den ersten Weltkrieg verloren. Selbst die heutige Türkei, als Kernland der Türken wurde in großen Teilen von den Siegermächten aufgeteilt.
Das Osmanische Reich, im 16.,17. und 18. Jahrhundert ein Weltreich in drei Kontinenten, von Sudan bis Österreich und von Kafkasien bis Marokko, hatte den Anschluß an die Epoche der Reformation des 16. und 17. und an die industrielle Revolution des 19. Jahrhunderts verpaßt und blieb letztlich in jeder Hinsicht ein feudales und rückständiges Land.
Nach der Gründung der Republik Türkei begann die Erneuerung und der Aufbau des neuen Staates mit revolutionären Umweltzungen.
Das Sultanat, eine monarchistisch, totalitär-klerikale Herrschaftsform, und das Kalifat als geistliche Oberheit der islamischen Welt wurden aufgelöst. Der Laizismus, die Trennung von Staat und Religion, wurde zu einem der wichtigsten Grundpfeilern des Staates.
Mustafa Kemal, der von der National- versammlung zum ersten Präsidenten der Türkei gewählt wurde und später den Beinamen Atatürk – Vater der Türken- erhielt, formulierte sein großes Ziel in einem Satz: ‚Wir wollen den Entwicklungsstand der zeitgenössisch-zivilisierten Welt erreichen.‘
Dem siegreichen antiimperialistischen Befreiungskrieg der Türkei in den Jahren 1919-1922 mußte nun mehr die rasche und vielseitige Entwicklung des Landes folgen.
In Wirtschaft, Infrastruktur, Bildungs-, Gesundheitswesen und Kultur waren größte Anstrengungen erforderlich, um die Versäumnisse der letzten zwei Jahrhunderte in kürzester Zeit aufzuholen und den riesigen Abstand zu dem Entwicklungsniveau der Industrienationen zu beheben.
In der Amtszeit Atatürks 1923-1938 waren die Erfolge vielseitig und beachtlich. Mit radikalen Reformen wurde die junge Republik vorangetrieben.
- Die Trennung von Staat und Religion, auch heute unter dem Begriff Laizismus einer der Grundpfeilen der Republik Türkei,
- Umwandlung der Bildung von religiösen zu den weltlichen Schulen und Bildungseinrichtungen,
- Gleichstellung der Frau und ihre Befreiung von Schleier,
- Übernahme der internationalen Zeitrechnung,
Modernisierung des Staats- und Verwaltungswesens,
- Unterstützung und Förderung der Kunst und Kultur.
Diese Reformen formten den Überbau des Staates.
Ebenfalls mit großer Geschwindigkeit wurden bei der Industrialisierung und Entwicklung des Bildungs-, Verkehrs- und Gesundheitswesens große Erfolge erzielt.
Die kemalistische Führung war patriotisch und uneigennützig.
Wenn heute nach 75 Jahren eine Bilanz gezogen werden soll, inwieweit die hohe Zielsetzung des Gründers, ‚die Türkei an das Niveau der zeitgenössisch zivilisierten Welt’zu führen, erreicht worden ist, so hat das Land dieses ehrgeizige Ziel bis heute leider nicht ganz realisieren können.
Die Republik der Türkei hat mit ihrer fleißigen und dynamischen Bevölkerung sicherlich viel geleistet und nachgeholt und den riesigen Abstand der Türkei der 20er Jahre zu den westlichen Industriestaaten heute beachtlich verringert. Dennoch wird heute selbst von Regierung und Opposition nicht negiert, daß die Türkei den Demokratisierungsprozeß fortsetzen muß, die Menschenrechtsverletzungen verhindert werden müssen, daß die Spaltung zwischen den sozialdemokratischen auf der einen und konservativen Parteien auf der anderen Seite, im Interesse der Verfestigung der Demokratie und Verhinderung fundamentalistischer Kräfte dringend geboten ist und die große Entwicklungsdiskrepanz zwischen verschieden Regionen des Landes schnell behoben, zumindest aber verringert werden muß.
Ich füge hinzu ; unser Herkunftsland Türkei sollte die sicherlich sehr komplexe und von vielen, vor allem Auslandsfaktoren erschwerte Kurdenfrage mit friedlichen Mitteln lösen. Ich bin der festen Überzeugung, daß eine klare Perspektive der EU – Mitgliedschaft der Türkei bei der Lösung all dieser Fragen einen großen Schub leisten würde.
Wir, als Deutschlandtürken, sind an einer festen Bindung der Türkei an die EU sehr interessiert. Die Türkei ist seit Atatürk auf diesem klaren Kurs Europa. Sie verdient es, mit einer verbindlichen Perspektive vor Augen, ihre Hausaufgaben zu bewältigen. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.