Die Entscheidung der Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union, die Türkei nicht in den Erweiterungsprozeß der Gemeinschaft einzubeziehen, ist töricht, kurzsichtig und empörend.
Vergleicht man die Türkei mit einigen der Staaten, die an dem Prozeß der Erweiterung beteiligt werden sollen, man denke z.B. an Rumänien oder Bulgarien, so dürfte klar sein, daß es nicht wirtschaftliche, politische oder demokratische Gründe gewesen sein kön-nen, die zur Ausgrenzung der Türkei geführt haben. Es bestätigt sich vielmehr der Ver-dacht, daß bei der Sortierung vor allem die Relegion entscheidend gewesen ist.
Ganz offensichtlich wird Europa nun doch als ein exklusiver, allein für christliche Staaten reservierter Club angesehen, was jedoch nach unserer Überzeugung den zivilisatori-schen Errungenschaften Europas gänzlich widerspricht.
Insbesondere in einer Epoche, die von einer Globalisierung insbesondere der Wirtschaft aber auch der Politik bestimmt ist, sollte eine Aufteilung der Welt nicht nach mittelalterli-chen Kriterien in gute, weil christliche, und schlechte, weil nicht-christliche Staaten erfol-gen. Die Entscheidung des EU-Gipfels stellt daher nicht nur eine Abschottung der Türkei sondern auch der 3½ Millionen Menschen türkischer Herkunft dar, die bereits heute in den Ländern der EU leben.
Mit dieser Entscheidung der EU wurden überdies die islamischen Fundamentalisten in ihrer Argumentation bestätigt, Europa werde keinen islamisch geprägten Staat in den eigenen Reihen dulden.
Fakt ist jedoch, daß die Türkei, die seit 1952 der NATO angehört, seit 1963 ein der EU assoziiertes Land wie Mitglied der Zollunion ist, während andere Kandidaten keinerlei institutionelle Bindungen an die EU haben. Wenn also gleichwohl eine solche Entschei-dung getroffen wird, welche anderen Gründe als religiöse sollten eine Rolle gespielt ha-ben?
Die türkische Regierung hat stets zugegeben, daß die Türkei bei der Erfüllung der Krite-rien einer Vollmitgliedschaft noch großen Nachholbedarf hat. Dies gilt aber sicherlich auch für die meisten der übrigen Erweiterungskandidaten.
Verloren hat aufgrund dieser Entscheidung aber nicht nur die Türkei, die sich seit Jahren intensiv um einePerspektive für ihren Beitritt bemüht hat. Langfristig wird die EU der ei-gentliche Verlierer sein. Die Türkei wird sich neu definieren und orientieren müssen, und zwar hin zu den Nachbarländern im Norden, Osten und Süden.
Prof. Dr. Hakkı Keskin