Kauder kritisiert Erdogan

Focus Online

Unions-Fraktionschef Kauder hat von der Regierung in Ankara verlangt, die Christenfeindlichkeit in der Türkei zu bekämpfen. Für ihn war der Mord in einem Bibel-Verlag kein Einzelfall.

Einen Tag nach dem Mordanschlag auf einen christlichen Verlag in der Türkei mit mindestens drei Todesopfern hält in Deutschland die Empörung über die Tat an. Politiker von Regierung und Opposition verurteilten am Donnerstag das Massaker, bei dem auch ein Deutscher ums Leben kam, und forderten von den türkischen Behörden eine umfassende Aufklärung. Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) verlangte von der Regierung in Ankara mehr Einsatz beim Kampf gegen die Christenfeindlichkeit.

‚Hohn gegenüber Christen‘

Kauder betonte, die ‚kaltblütige Tat‘ erfülle ihn ‚mit Trauer und Entsetzen‘. Das Verbrechen müsse ‚umfassend aufgeklärt werden und die Täter ihrer gerechten Strafe zugeführt werden‘. Er warnte, dass dieser Mord kein Einzelfall gewesen sei. ‚Immer wieder werden Christen in der Türkei Opfer von Gewalt.‘

Kauder kritisierte, die Erklärung des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan bei dessen Deutschlandbesuch, wonach religiöse Minderheiten in der Türkei mehr Rechte hätten als in Europa, sei ‚bereits zum Zeitpunkt seiner Äußerung Hohn gegenüber Christen‘ gewesen. Er erwarte von der türkischen Regierung, dass sie sich aktiv gegen die Christenfeindlichkeit in ihrem Land einsetzt.

Die innenpolitische Berichterstatterin der CDU für Religionsfragen und Extremismus, Kristina Köhler, forderte die türkische Regierung und das Parlament auf, den umstrittenen Paragrafen 301 des türkischen Strafgesetzbuches, der die so genannte Verunglimpfung des Türkentums unter Strafe stellt, abzuschaffen.

Religionsfreiheit ist nicht verwirklicht

Nach Ansicht der SPD-Islambeauftragten Lale Akgün reicht es nicht, ‚wenn man nur auf dem Papier etwas verändert. Die Regierung muss sich aktiv um eine Veränderung der Bewusstseinsebene auch kümmern.‘ Der Beauftragte der FDP-Bundestagsfraktion für Kirchen und Religionsgemeinschaften, Hans-Michael Goldmann, sagte, es sei ‚im Hinblick auf den Beitrittsprozess der Türkei zur EU nicht hinnehmbar, dass die Religionsfreiheit dort nicht verwirklicht‘ sei.

Für die Linksfraktion betonte deren EU-Erweiterungsbeauftragter, Hakki Keskin, ‚zur wirksamen Eindämmung fundamentalistischer und nationalistischer Gewalt‘ müssten in der Türkei auch Strafverschärfungen erwogen und der Schutz religiöser Minderheiten deutlich verbessert werden.

Am Mittwoch waren mehrere Männer in das Gebäude eines christlichen Verlages in der osttürkischen Stadt Malatya eingedrungen und hatten dort drei Mitarbeiter zunächst an Händen und Füßen gefesselt. Offenbar hatten sie ihre drei Opfer zunächst gefoltert. Anschließend wurden den Männern bei lebendigem Leib die Kehlen durchgeschnitten. Eines der Opfer ist ein Deutscher. Bei ihm handelt es sich mit hoher Wahrscheinlichkeit um den 43-jährigen Tilmann G., der seit 2003 in der Türkei gelebt und in Malatya als Übersetzer gearbeitet hat.

www.focus.de/politik/ausland/mordanschlaege_aid_54041.html