Kemalismus als Modell gegen die Instrumentalisierung der Religion

Prof. Dr. Hakki Keskin, Politikwissenschaftler, ehem. MdB

www.keskin.de  –  hakki@keskin.de

Versandt an die deutsche Presse, am 5.10.2018

Kemalismus als Modell gegen die Instrumentalisierung der Religion

Die Bedeutung von Mustafa Kemal Atatürk, für die Republik Türkei zu verstehen, braucht einen Überblick auf dessen Wirkung und Grundgedanken, die als Kemalismus bezeichnet wird.

Nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg des Osmanischen Reiches – das Reich war als Verbündeter des Deutschen Kaiserreichs in den Krieg hineingezogen worden, wurde die heutige Türkei von den Siegermächten Großbritannien, Frankreich, Italien und Griechenland okkupiert und in Besatzungszonen aufgeteilt. Der nationale Widerstand gegen diese Besatzung und für die Befreiung des Landes wurde von türkischen Offizieren unter Führung Mustafa Kemals und seinen engsten Gesinnungsfreunden durchgeführt. Sie waren es, die von 19 Mai 1919 bis zum 9. September 1922, unter Zuständigkeit der Nationalversammlung (das Parlament) der Türkei in Ankara, gegen die Besatzungsmächte einen siegreichen Befreiungskrieg organisierten und die Unabhängigkeit der Türkei erzielten. Am 29. Oktober 1923 erfolgte die Konstituierung und Ausrufung der Republik Türkei.

Das 624-jährige osmanische Sultanat und das „Şeyhulislam“, eine Art Papsttum der gesamten islamischen Welt, wurden abgeschafft. Die Nationalversammlung der Türkei wählte Mustafa Kemal, später „Atatürk“ (Vater der Türken genannt), das Idol und die Personifikation des Befreiungs- und Unabhängigkeitskampfes, zum ersten türkischen Staatspräsidenten.

Der türkische Befreiungs- und Unabhängigkeitskrieg galt, vor allem gegen imperialistische Mächte, in kolonialisierten Ländern Asiens, Afrikas und Lateinamerikas als wegweisend und ermutigend. So für Mahatma Gandhi in Indien, für den Kampf Mao Zedong in China, für Algerier in Nord-Afrika, für Kuba in Lateinamerika. Nicht ohne Grund wird in Schulbüchern Chinas auch heute über Atatürks-Befreiungskampf informiert.

Die Generalversammlung der UNESCO (Organisation der Vereinten Nationen für Erziehung, Wissenschaft und Kultur) hat im Jahre 1979, bei der 156 Staaten vertreten waren, einstimmig beschlossen, das 100. Geburtsjahr Mustafa Kemal Atatürks, also 1981, als Gedenkjahr Atatürks zu proklamieren.

Der Leitsatz dieses Beschlusses lautet wie folgt:

„Mustafa Kemal ATATÜRK war – eine überragende Persönlichkeit, die sich um die internationale Völkerverständigung und um den internationalen Frieden bemühte, – ein Revolutionär von großem Format, – der erste Staatsmann, der gegen Kolonialismus und Imperialismus kämpfte, – die Menschenrechte respektierend, – ein Vorkämpfer des Weltfriedens, – ein Staatsmann ohnegleichen, der keinen Unterschied der Farbe, der Religion und der Rasseunter Menschen machte, – der Begründer der modernen Republik Türkei.“

In der Türkei war es unter Führung Atatürks möglich, mit revolutionären Erneuerungen und Reformen die Modernisierung und in maßgeblichen Bereichen die „Europäisierung“ des mittelaltermäßig rückständigen Landes, radikal voranzutreiben.

Atatürks Ziel war es in seinen Worten, „das Erreichen des zeitgenössischen Niveaus der zivilisierten Welt“, und das so schnell wie möglich. Innerhalb weniger Jahre erfolgte eine radikale Bildungs- und Rechtsreform, die Einführung der lateinischen Schrift, die Trennung von Staat und Religion, die als Laizismus das Fundament der Republik darstellt, die rechtliche Gleichstellung der Frau nebst dem Verbot der Polygamie sowie eine radikale Reformierung der Wirtschaft zur raschen Industrialisierung des finanzpolitischen und wirtschaftlichen unabhängigen Staates.

Atatürks charismatische Persönlichkeit und sein hohes gesellschaftliches Ansehen begünstigten diese Politik des radikalen gesellschaftlichen Wandels. Zweifelsohne konnte die von Atatürk durchgeführten radikalen Umwälzungen und Reformen nur gelingen, weil große Teile der Bevölkerung die ökonomische, gesellschaftliche und bildungsmäßige Rückständigkeit, die letztlich zum Untergang des Osmanischen Reichs geführt hatte, überwinden wollten.

Die Anhänger der Reformen Mustafa Kemal Atatürks, die sich „Kemalisten“ nennen, sehen sich in dieser Tradition der Anfänge der Republik, in der sich die Politiker mit großer Begeisterung für die Erneuerung und für das Wohl der Bevölkerung eingesetzt haben, ohne sich selbst zu bereichern und ohne Korruptionsskandale verwickelt zu werden. In ihrer Regierungszeit bis 1950 haben sich die Kemalisten konsequent an diesem Grundsatz orientiert. Die überzeugten Kemalisten kämpfen auch heute gegen Korruption, Vetternwirtschaft und ungerechte Bereicherung der Politiker zu Lasten der Bevölkerung und des Staates. Allerdings gibt es in den letzten Jahrzehnten auch Politiker, die sich als Kemalisten bezeichnen, die aber in Korruption und Vetternwirtschaft verwickelt sind.

Jedoch eine solche Korruption, Vetternwirtschaft und eine ungeheuerliche Selbstbereicherung unter den Regierungen Erdogans zu Lasten der Bevölkerung und des Staates, hat die Republik Türkei in ihrer rund 100-jährige Geschichte noch nicht erlebt.1)

Vor allem die Trennung Staat und Religion, der säkulare Staatsform also, die von Atatürk eingeführt wurde, ist in der islamischen Welt einmalig und für die Erreichung eines demokratischen Rechtsstaates von unverzichtbarer Bedeutung. Laizismus ist in einem Lande, dessen Bevölkerung mehrheitlich muslimisch ist, unverzichtbar. Laizismus ist der Grundstein, auf dem die Republik Türkei erbaut wurde. Für die fundamentalistisch orientierten Islamisten aber auch für den politischen Islam, welche einen theokratischen Staat nach den Geboten der Scharia errichten wollten, wird der der Kemalismus als Hauptfeind und größte Hindernis gesehen.

Die gegenwärtigen Auseinandersetzungen zwischen der religiös-konservativ orientierten AKP unter Führung von Tayyip Erdoğan und den Kemalisten, sind nur vor diesem Hintergrund begreifbar. Die Tatsache. Dass das Mausoleum von Atatürk in Ankara jährlich mit steigenden Zahlen von mehreren Millionen Menschen besucht wird, belegt seine große, ja sogar vom Jahr zu Jahr zunehmende Beliebtheit unter breiten Teilen der Bevölkerung. Auch als Zeichen gegen die Politik Erdoğans. Wenn heute in rund 50 islamischen Staaten keine echte Demokratie und keinen Rechtssaat gibt, basiert der Hauptgrund darauf, dass es in diesen Ländern keine Säkulare Staatsform besteht. Daher stellt der Laizismus die Grundvoraussetzung für Demokratie und Rechtsstaat vor allem in den islamischen Ländern dar.

Viele Intellektuellen in der westlichen Welt, dies ist meine Beobachtung, unterschätzen leider diese unverzichtbare Bedeutung des Laizismus (die Trennen Staat und Religion) in den bevölkerungsmäßig islamischen Staaten. Im Gegensatz zum Christentum, gehen die Aufstände und an manchen Orten auch die Kriege für einen, nach eigenen Religion-Vorstellungen geformten Religion-Staat weiter, wie wir dies in Afghanistan, in Pakistan, im İrak, in Syrien, mit Aufständen in manche Afrikanischen Staaten und an vielen Orten der Welt beobachten können.

In Deutschland und in Europa haben wir namentlich politische Parteien, die sich „christlich“ nennen. Keine dieser christlichen Parteien fordern oder kämpfen jedoch für eine verfassungsmäßig verankerte Staatsform, nach christlicher Religion des Mittelalters. Dieser fundamentaler unterschied sollten die Intellektuellen und Politikerinnen/er in Europa und in Deutschland nicht außer Acht lassen.

Die Partei Erdoğans und er selbst, die das Land nun mehr seit 19 Jahren regieren, haben seit ihrer Machtergreifung die kemalistisch und sozialdemokratisch orientierte „Republikanische Volksparte“ (CHP) als eine Partei propagiert, welche die Demokratisierung verhindere und gegen den EU-Beitritt der Türkei gerichtet sei. Dies habe ich persönlich als Abgeordnete des Bundestages von manchen deutschen Politikerinnen und Politiker erfahren.

Es waren doch gerade Atatürk und seine Mitstreiter, die eine klare Westorientierung der Türkei seit ihrer Gründung 1923 zu ihrem Grundziel erklärten und mit eingeleiteten radikalen Reformen auch in die Tat umsetzten.2)

Die von Atatürk gegründete Partei, die „Republikanische Volkspartei“ (CHP), hat eine umfassende Publikation herausgegeben mit der Überschrift: „EU-Beitritt ja, privilegierte Partnerschaft nein“. Genau darum geht es den Sozialdemokraten und Kemalisten: Sie wollen, dass die Türkei gleichbehandelt, wird mit allen aufgenommenen und aufzunehmenden Ländern in die EU. Sie sind gegen jegliche Form der Ungleichbehandlung und Diskriminierung der Türken. Was soll daran nicht richtig sein?

Es sind die kemalistisch orientierten Intellektuellen, Wissenschaftler, Journalisten, Künstler, Richter, Lehrer, Ärzte und Offiziere, die seit Jahrzehnten unermüdlich für die radikalen demokratischen Reformen eintreten und diese unnachgiebig fordern. Die Ideen von Atatürk dürfen jedoch nicht statisch verstanden und als unantastbar tabuisiert werden. Sie sind vielmehr dynamisch, als sich ständig erneuernde Überlegungen und Ziele zu interpretieren.

Die Anhänger der Ideen Atatürks sind konsequente Verteidiger des Laizismus. „Die Türkei ist ein demokratischer, laizistischer und sozialer Rechtsstaat.“ So lautet der Artikel 2 der Verfassung der Türkischen Republik. Dieser Artikel ist unveränderlich und unantastbar.

Die Gewaltenteilung ist eine der großen Errungenschaften der Französischen Revolution. Diese große verfassungsmäßig garantierte Errungenschaft auch in der Türkei, wurde unter Erdoğans „Präsidialsystem“ de fackto abgeschafft.

Die Zeitung „Cumhuriyet“ ist so alt wie die Republik Türkei. Die Zeitung Cumhuriyet begann ihre Publikation am 7. Mai 1924, sechs Monate nah der Ausrufung der Republik Türkei. Namensgeber ist Atatürk, Inhaber ist der bekannte Mitkämpfer gegen die Besatzungsmächte und für die Befreiung des Landes Yunus Nadi. Cumhuriyet hat sich seit Ihrer Gründung konsequent als eine unabhängige Tageszeitung und als Verteidigerin der Grundideen Atatürks und der Republik Türkei orientiert.

Nach dem Tode Yunus Nadi übernahm sein Sohn Nadir Nadi die Führung der Zeitung. Mit dem bekannten Kolumnist İlhan Selçuk, Uğur Mumcu und viele andere namhafte Journalisten, blieb diese einflussreiche Tageszeitung ihrer Gründungsideen treu. Immer wieder wurden von politisch anders orientierten Kräften und Regierungen, vor allem mit finanzpolitischen Maßnahmen versucht, die Zeitung Cumhuriyet aus ihrer traditionellen Orientierung zu entfernen. Zeitweilig wurde die Leitung der Zeitung entmachtet, so auch die namhaften Journalisten İlhan Selçuk und andere. Daraufhin gingen Auflagen der Zeitung massiv zurück, so dass İlhan Selçuk und sein Team erneut die Leitung der Zeitung übernahmen.

Nach dem Tod von Nadir Nadi wurde 1993 die „Cumhuriyet Stiftung“ gegründet, die dann zum Inhaber der Zeitung wurde. Bei der Gründung der Stiftung für Cumhuriyet wurde die Grundorientierung für die zu wählenden Stiftungsleitung festgelegt. Diese gelten als verbindliche Grundorientierung für Cumhuriyet. Hier die wörtliche Übersetzung dieser Prinzipien.

„1. Die Zeitung Cumhuriyet ist weder Regierungs- noch eine Parteizeitung. 2. Die Zeitung Cumhuriyet ist Verteidigerin der Republik Türkei und der Demokratie auf wissenschaftliche Basis. Die Orientierung an Rechtsstaat stellt das Fundament der Zeitungspolitik. 3. Gegen alle Bestrebungen, die die Demokratie beheben wollen, wird Widerstand geleistet und in allen Bereichen für eine echte Demokratie gekämpft. 4. Die Zeitung Cumhuriyet wird sich durch die revolutionären Errungenschaften Atatürks eingeschlagenen Weg, nämlich für Befreiung der Intelligenz von Fanatismus, für Befreiung der Wissenschaft von Religiosen Dogmatismus und für die Akzeptanz des Laizismus durch breite Teile der Bevölkerung einsetzen. 5. Die Zeitung Cumhuriyet akzeptiert die Deklaration für Grundrechte und Freiheiten für Menschen, als Verfassung der universalen Demokratie. Die Leitung der Zeitung Cumhuriyet hält an die Grundidee fest, dass die von Atatürk erreichte Unabhängigkeit und Einheit des Landes weiterhin unser Haupt Anliegen bleibt. 6. Durch Befreiungskrieg erkämpften nationalen Grenzen stehen nicht in Disposition. Die Zeitung Cumhuriyet ist Verteidigerin durch den Befreiungskrieg erkämpften nationalen Grenzen des Landes. 7. Diese Glorreiche Identität, Prinzipien und Ziele der Zeitung Cumhuriyet haben in langen Jahren in der Gesellschaft Wurzeln geschlagen. Wir sehen es als unsere Verpflichtung und Aufgabe an, die Zeitung Cumhuriyet aufrecht zu erhalten, ohne die Ideen Atatürks Preis zu geben. Wir werden weiterhin der Republik Türkei, der türkischen Bevölkerung und den Lesern von Cumhuriyet treu blieben.“ (Cumhuriyet, 8.9.2018).

Über die jüngste Entwicklung in der traditionelle Tageszeitung Zeitung Cumhuriyet wurde in deutschen und französischen Medien kritisch berichtet, als die Stiftungsleitung in Folge einer langanhaltenden Gerichtsentscheidung wechselte.

Das Gericht hatte die unkorrekte Wahl vom 18.2.2014 zur Stiftungsleitung annulliert. Die Klage der Stiftungsleitung beim Kassationsgerichtshof gegen diese Entscheidung des Gerichtes, wurde am 3.8.2018 abgewiesen. Am 7.8.2018 erfolgte daraufhin eine neue Wahl für die Stiftungsleitung, diese gewann die jetzige an Kemalismus orientierte Stiftungsleitung.

Die neu gewählte Stiftungsleitung, deren Mitglieder zu den Kritikern der Erdoğans Regierungen gehören und manche von Ihnen auch in Haft waren, veröffentlichte die oben zitierten 7. Punkte und erklärte, dass die Zeitung Cumhuriyet sich erneut an diesen traditionellen Grundwerten orientieren wird, woran sich die abgewählte Stiftungsleitung offensichtlich nicht mehr gebunden fühlte.

Ich las die Zeitung Cumhuriyet als Abonnent seit 1968, damals als Student an der FU Berlin. Die Zeitung war immer über die Geschehnisse und Lage in der Türkei, aber auch in der Welt, eine zuverlässige Informationsquelle. Auf der zweiten Seite der Zeitung unter „Ereignisse und Beobachtungen“ erschienen von vielen Wissenschaftlern sehr interessante und wichtige Beiträge, die ich zum Teil auch für meine wissenschaftliche Arbeit habe nutzen können. Auch von mir sind auf diese Seite eine Reihe Beiträge veröffentlicht worden. Viele namhafte Kolumnisten und Wissenschaftler, die in Cumhuriyet schrieben, habe ich persönlich kennen- und schätzen gelernt, wenn ich in der Türkei war und die Zeitung besuchte. Unter anderem Nadir Nadi, İlhan Selçuk, Uğur Mumcu, Oktay Akbal, Prof. Dr. Muammer Aksoy, Prof. Dr. Ahmet Taner Kışlalı.

Mir wurde 1970 von der türkischen Regierung, wegen meiner Kritiken gegen antidemokratische Verhältnisse in der Türkei die türkische Staatsbürgerschaft aberkannt. Ich studierte an FU Berlin und war als Vorsitzender der „Türkischen Studentenföderation in Deutschland“ (ATÖF) und auch ein aktiver Mitstreiter der 68er Bewegung in Berlin. Meine Ausbürgerung hatte vor allem die Zeitung Cumhuriyet und fast alle ihre Kolumnisten massiv kritisiert.

Eines der nahrhaftesten Journalisten Uğur Mumcu, der auch als Jurist in der Universität Ankara lehrte, vertraten mich gemeinsam mit Prof. Dr. Uğur Alacakaptan als Rechtsanwälte beim Oberverwaltungsgereicht in Ankara und gewann den Prozess gegen meine Ausbürgerung. Ich erhielt die türkische Staatsbürgerschaft zurück, wurde aber nach dem Eingreifen des Militärs 1972 erneut ausgebürgert. Auch gegen diese Ausbürgerung gewann ich den Prozess gegen die Regierungen der Türkei (siehe www.keskin.de, unter Nostalgie, Verlust meiner türkischen Staatsbürgerschaft).

Wie in meinem persönlichen Fall, war und ist Cumhuriyet immer gegen die Willkürentscheidungen der Regierenden und stetes auf der Seite der ungerecht Behandelten und Benachteiligten in der Türkei.

Die Lage in der Türkei wird von Cumhuriyet Zeitung stets kritisch beobachtet und bewertet. Die Zeitung ist immer anti-Imperialistisch, konsequent laizistisch, tritt entschieden immer für Rechtsaat, Demokratie, Presse und Meinungsfreiheit und für die Rechte der Gewerkschaften ein. Politisch waren und sind die meisten der Kolumnisten der Zeitung Cumhuriyet als linke Sozialdemokraten einzuordnen, wie ich mich auch politisch definiere.

Deshalb war und ist die Zeitung immer Zielscheibe der Angriffe der konservativen Regierungen seit 1950er Jahre. Die beliebtesten und landesweit bekanntesten Kolumnisten und Wissenschaftler, die für diese Zeitung schrieben, wurden in Folge von Attentaten, mit großer Wahrscheinlichkeit islamistisch orientierten Terroristen, grausamen ermordet. So Prof. Dr. Muammer Aksoy, Prof. Dr. Bahriye Ücok, Uğur Mumcu, Prof. Dr. Ahmet Taner Kişlalı und viele andere. Die versprochene Aufklärung durch die Regierungen dieser grausamen Morde über die Täter und Hintermänner blieb bis heute weitestgehend aus.

Weltweit, in Europa und in Deutschland sind hunderte eingetragene Vereine der Türken, vor allem unter dem Namen „Verein zur Förderung der Ideen Atatürks“ aktiv. Die Mitglieder dieser Vereine sind vollkommen in die Gesellschaften, auch in Deutschland, integriert und treten ganz entschieden für ein friedliches und gleichberechtigtes Leben ein. Ich selbst bin Mitglied dieser Vereine in Hamburg, wo ich 25 Jahre lang als Hochschullehrer tätig war. und bin auch Mitglied des Vereins in Berlin-Brandenburg.

Zu meinem großen Erstaunen erhalten dieser Vereine bei ihrer Arbeit keinerlei finanzielle Unterstützung von Behörden und erfahren selten die Aufmerksamkeit der Medien, im Gegensatz zu den Vereinen, die substanziell gegen Integration und säkularen Staat orientier sind. Ich frage mich, ob diese Haltung der Politikerinnen/er primär mit anti-imperialistischen Positionen der „Vereine zur Förderung der Ideen Atatürks“ zu erklären ist. Es wäre ehrlich und schön, wenn wir hierzu eine aufrichtige Erklärung bekämen.

1) Größte Korruptionsskandale in der Geschichte der Türkei, in: Hakki Keskin, Die Politik Erdoğans führt das Land Innen- und Außenpolitisch in die Sackgasse, Hamburg, Oktober 2015,

2)  Für detailliertere Informationen über die Türkei: Keskin, Hakkı: Die Türkei. Vom Osmanischen Reich zum Nationalstaat – Werdegang einer Unterentwicklung, Berlin 1978. (Mein Studium und Dissertation habe ich am Otto-Suhr-Institut der FU Berlin abgeschlossen. Großteil meiner Doktorarbeit erschien in fünf Auflagen in diesem Buch.