skandalösen Verhalten der Fraktionen der SPD und Bündnisgrü-nen: Die Kritik der Migrantenorganisationen ist bei der Anhörung unerwünscht
Am Dienstag, den 13. April, findet im Bundestag die Anhörung zu dem Entwurf des Staatsangehörigkeitsrechts statt. Weder die Fraktionen der regierenden Parteien, noch die der Opposition (außer PDS) haben zu dieser Anhörung Migrantenorganisa-tionen eingeladen. Die Türkische Gemeinde in Deutschland und ihre Landesorgani-sationen, die sich seit Jahren engagiert mit diesem Thema befassen, wurden zu die-ser Anhörung nicht eingeladen, obwohl wir die Regierungsparteien darum gebeten hatten. Der bereits eingeladene Geschäftsführer des Türkischen Bundes in Berlin-Brandenburg (Mitglied der TGD) wurde wegen seiner öffentlichen Kritik an dem Ent-wurf wieder ausgeladen.
Die Fraktionen der Regierungsparteien wollen ihre Scheinreform des Staatsangehö-rigkeitsrechts an den Betroffenen vorbei und ohne Beachtung ihrer berechtigten Kri-tik an diesem Gesetzentwurf durchsetzen.
Da uns morgen die Tür zur Anhörung verschlossen bleibt, bitten wir die Medien, un-sere Kritik und unsere Forderungen an diesen Entwurf an die deutsche Öffentlichkeit weiter zu leiten.
Rund 170 türkische Vereine und Organisationen teilen die folgende Kritik und unter-stützen diese Forderungen.
Die Reform des Staatsangehörigkeitsrechts darf keine Verschlechterung mit sich bringen!
‚Verbesserung der Integration der dauerhaft in der Bundesrepublik Deutschland le-benden Ausländer und ihrer hier geborenen Kinder durch Erleichterung des Erwerbs der deutschen Staatsangehörigkeit‘, so die Zielsetzung des vorgelegten Gesetzent-wurfs der Fraktionen der SPD und Bündnis 90/Die Grünen vom 16.03.1999.
Vor allem für Millionen Menschen der ersten Ausländergeneration bringt der Entwurf in ganz zentralen Punkten dagegen Verschlechterungen und ungleiche Behandlung:
1. Die Bundesregierung wollte die generelle Hinnahme der doppelten Staatsbürger-schaft akzeptieren. Jetzt will sie sogar eine bisher bestehende Möglichkeit im § 25/a, nach Maßgabe dessen die alte, also die aufgegebene Staatsbürgerschaft, nachträglich erneut erworben werden konnte, beseitigen. Diese selbst von der Regierung Kohl nicht angetastete Möglichkeit zu verhindern, würde der Intention und Glaubwürdigkeit dieser Regierung gänzlich widersprechen.
2. § 87 (2) sieht die Einbürgerung unter Hinnahme von Mehrstaatigkeit für Auslän-der mit längerem Aufenthalt vor, wenn der Ausländer ‚die Staatsangehörigkeit eines anderen Mitgliedsstaates der Europäischen Union besitzt und Gegenseitig-keit besteht.‘ Hier werden ganz offensichtlich vor allem Türken benachteiligt. Dieser Paragraph ist weder rechtlich, noch moralisch und noch weniger gesell-schaftspolitisch vertretbar. Daher muß dieses Recht für alle Antragsteller gelten, wenn Gegenseitigkeit gegeben ist.
3. Die Einführung des Territorialprinzips, selbst wenn dies bis zum 23. Lebensjahr gelten soll, ist auch für uns eine wichtige Erneuerung und Verbesserung. Dieses Recht jedoch rückwirkend bis zum 10. Lebensjahr einzuengen, ist völlig willkürlich und nicht nachvollziehbar. Im Interesse der Zielsetzung dieses Gesetzesentwur-fes müßte diese Möglichkeit mindestens bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres gelten.
4. Neuerdings sollen auch ‚ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache‘ ver-langt werden, was kein objektives Kriterium darstellt und für Einwanderer der ers-ten Generation oft nicht zu erfüllen ist. Nach geltender Praxis reichen einfache Deutschkenntnisse als eines der Einbürgerungskriterien aus. In dem ersten Ent-wurf vom Bundesminister des Inneren, Otto Schily, war hierfür ‚Eine Verständi-gung mit dem Einbürgerungserwerb in deutscher Sprache‘ vorgesehen, was der geltenden Praxis entsprach. Wir plädieren daher für die Beibehaltung dieser Formulierung.
5. Der Entwurf will die Gebühren von DM 100,- auf DM 500,- für Erwachsene erhö-hen. Die Notwendigkeit hierfür sehen wir nicht.
Prof. Dr. Hakkı Keskin