Das Bundesverwaltungsgericht hat durch einen Beschluß bestätigt, dass unter Achtzehnjährigen mit türkischem Migrationshintergrund die deutsche Staatsbürgerschaft nicht entzogen werden darf, wenn den Eltern aufgrund doppelter Staatsangehörigkeit die deutsche Staatsbürgerschaft im Nachhinein aberkannt wurde.
Das Problem betrifft ca. 50 000 in Deutschland eingebürgerte MigrantInnen türkischer Herkunft, denen nach Verabschiedung des neuen Staatsangehörigkeitsrechts im Jahr 2000 von ihrem Herkunftsland Türkei die türkische Staatsangehörigkeit wieder übertragen wurde. Aufgrund des gesetzlichen Verbots von mehrfachen Staatsangehörigkeiten wurde diesem Personenkreis nachträglich die deutsche Staatsbürgerschaft wieder aberkannt und stattdessen nur ein befristeter Aufenthaltstitel erteilt.
Mit seinem Beschluss stellte das Bundesverwaltungsgericht klar, dass seiner Ansicht nach Kindern und Jugendlichen kein Nachteil entstehen darf, falls ihre Eltern den Rückerwerb ihrer alten Staatsbürgerschaft beantragt hatten. Allein im Freistaat Bayern sind nach Schätzungen ca. 4000 nicht volljährige Migrantinnen und Migranten betroffen.
Die Gerichtsentscheidung zeigt aufs Neue, dass das deutsche Staatsangehörigkeitsrecht zeitgemäßen und integrativen Ansprüchen in keiner Weise gerecht wird. Zahlreiche EU-Staaten, darunter auch von konservativen Parteien regierte Länder, wissen längst um die Vorzüge doppelter Staatsangehörigkeiten: Sie ermöglicht Identifikation mit dem Aufnahmeland, ohne dass die Migrantinnen und Migranten denjenigen Teil ihrer Identität aufgeben müssen, der sie an ihr Herkunftsland erinnert. Partizipation und Integration werden hiermit gefördert, gerade weil die Einwanderer nicht unter Anpassungszwang stehen.
Das Verbot von mehrfachen Staatsangehörigkeiten in Deutschland ist hinterwäldlerisch und integrationsfeindlich. Insbesondere vor dem Hintergrund stark gesunkener Einbürgerungszahlen fordere ich die Bundesregierung auf, endlich die Beibehaltung vorhandener Staatsbürgerschaften zu tolerieren und damit mehrere Staatsangehörigkeiten zuzulassen.
Prof. Dr. Hakkı Keskin