Stellungnahme als Sachverständiger für die Anhörung zum 'Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung europäischer Antidis-kriminierungsrichtlinien' BT-Drs. 15/4538
Bundestag Berlin, 22.2.2005 vorgelegt von Prof. Dr. Hakkı Keskin (Bundesvorsitzender der Türkischen Gemeinde in Deutschland)
Internationale Verträge verbieten jede Form der Diskriminierung Seit vielen Jahrzehnten wird in vielfältiger Weise, in der UNO, in europäischen und anderen internationalen Organisationen und Gremien, auf Konferenzen und in ein-zelnen Staaten daran gearbeitet, wie der bestmögliche Schutz des Individuums und von Minderheiten vor Diskriminierung gewährleistet werden kann. Das Hauptziel ist es hierbei, die Menschen und die Minderheiten nicht nur vor jeder Form von Diskri-minierung und Benachteiligung aufgrund ihrer Rasse, Hautfarbe, Abstammung, nati-onaler oder ethnischer Herkunft zu schützen, sondern sie auch auf allen Ebenen des gesellschaftlichen Lebens mit gleichen Chancen auszustatten.
Im Mittelpunkt steht die Vorstellung von der Gleichheit aller Menschen als Individuen mit Rechten und Pflichten. In der allgemeinen Erklärung der Menschenrechte vom 10. Dezember 1948 kommt dies im Artikel 1 sehr klar zum Ausdruck. ‚Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Ge-wissen begabt und sollen einender im Geiste der Brüderlichkeit begegnen.‘
Zwei Jahre danach, am 4. November 1950, wurde die ‚Europäische Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten‘ angenommen. Diese verbietet je-de Form der Diskriminierung von Menschen wegen ihrer Zugehörigkeit zu einer Min-derheit und verlangt von den Unterzeichnerstaaten die Gleichbehandlung. Diese Konvention sieht das Klagerecht des Individuums vor und gewährt ‚den weltweit bis-her weitreichendsten Schutz der Menschenrechte.‘ Alle Mitgliedsstaaten des Euro-parates haben sich auf diesen Vertrag verpflichtet.
Eines des bedeutendsten völkerrechtlichen Abkommen gegen Rassendiskriminie-rung ist das ‚Internationale Übereinkommen zur Beseitigung von jeder Form der Rassendiskriminierung‘ vom 7. März 1966. Der Vertrag trat im Jahre 1969 in Kraft und wurde bis 1991 von 129 Staaten, darunter allen aktuellen und zukünftigen Mit-gliedsstaaten der EU, ratifiziert.
Mit der Beschreibung der Rassendiskriminierung wird zugleich das Ziel dieses Ver-trages sehr genaue formuliert. Rassendiskriminierung ist ‚jede Unterscheidung, je-der Ausschluss, jede Beschränkung oder Bevorzugung auf Grund der Rasse, Haut-farbe, Abstammung, nationaler oder ethnischer Herkunft mit dem Ziel oder der Folge, die Anerkennung, den Genuss oder die Ausübung der Menschenrechte und Grund-freiheiten auf gleicher Grundlage im politischen, wirtschaftlichen, sozialen, kulturellen oder jedem anderen Bereich des öffentlichen Lebens aufzuheben oder zu behin-dern.‘ (Art.1/1).
Dieses völkerrechtliche Übereinkommen fordert die Vertragsparteien auf, die not-wendigen Maßnahmen zu treffen, um neben Verhinderung der Diskriminierung in jeder Form auch die Förderung der Minderheiten oder Einzelpersonen in den sozia-len, wirtschaftlichen, kulturellen und in anderen Bereichen sicherzustellen (Art.1 und 2). Darüber hinaus müssen die Unterzeichnerstaaten die Rassendiskriminierung ver-urteilen und mit ihrer Politik ohne Verzögerung alle Formen der Rassendiskriminie-rung beseitigen. Hier werden ganz eindeutig die Unterzeichnerstaaten aufgefordert, durch Fördermaßnahmen eine Politik der ‚positiven Diskriminierung‘ zu leisten, um dadurch die vorhandenen Benachteiligungen der Minderheiten zu beseitigen und ihnen reale Chancengleichheit zu ermöglichen.
Die Vertragsparteien werden verpflichtet, Organisationen, die Rassendiskriminierung befürworten und dazu aufrufen, für illegal zu erklären, diese zu verbieten und zu be-strafen (Art. 4).
Viele der neonazistischen und rechtsextremen Organisationen und Parteien, müss-ten nach diesem Artikel des Vertrages in Deutschland längst als illegal erklärt, verbo-ten und bestraft werden. Der Bundesminister des Inneren, Otto Schily, hat hierfür mit dem Verbot einiger neonazistischer Vereine und mit dem Antrag auf ein Verbot der NPD die ersten richtigen, wenn auch verspätetet eingeleitete Schritte unternommen.
Die Unterzeichnerstaatenstaaten der Konvention sollen den Minderheiten wirksamen Schutz und Rechtsmittel durch die zuständigen Gerichte und andere Staatsorgane gegen jede Form der Diskriminierung innerhalb ihrer Zuständigkeit, insbesondere in den Bereichen der Lehre, Bildung, Kultur und Information zusichern (Art.6 und 7).
Die Vertragsparteien müssen alle zwei Jahre dem Ausschuss, der zur Beseitigung der Rassendiskriminierung eingesetzt wird, einen Bericht vorlegen.
Im gleichen Jahr, am 19. Dezember 1966, wurde von der UNO der ‚Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte‘ angenommen. Hier wird erneut von den Unterzeichnerstaaten die Gleichbehandlung und ein Verbot der Diskriminierung der Minderheiten verlangt. Den Angehörigen der Minderheiten darf nicht das Recht vor-enthalten werden, ‚gemeinsam mit den Angehörigen ihrer Gruppe ihr eigenes kultu-relles Leben zu pflegen, sich zu ihrer eigenen Religion zu bekennen und diese aus-zuüben oder sich ihrer eigenen Sprache zu bedienen.‘ Dieser Vertrag garantiert den Angehörigen der Minderheiten Abwehrrechte gegen Zwangsassimilierung.
Nach diesem Vertrag wird der Minderheitenschutz als eine Einheit mit dem Schutz der Menschenrechte betrachtet. Der Vertrag erfasst nach überwiegender Ansicht auch diejenigen Ausländer, die in einem Staat seit längerem ansässig sind.
Das Ziel dieser Verträge ist eine Verpflichtung der Unterzeichnerstaaten, die Eigen-arten der jeweiligen Minderheiten zu bewahren. ‚Der Staat sei verpflichtet, durch Schutz- und Fördermaßnahmen auf dieses Ziel hinzuwirken; insoweit bestehe eine staatliche Bestandsgarantie für die Minderheit, die durch positive Gewährleistungs-maßnahmen zu erfüllen ist.‘, so der Richter Alexy beim Oberverwaltungsgericht Bremen.
Die Schlussdokumente des Kopenhagener Treffens von 20 Juni 1986 über die ‚Menschliche Dimension der KSZE‘ unterstreichen vom neuen: ‚Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich und haben ohne Diskriminierung Anspruch auf gleichen Schutz durch das Gesetz. In diesem Zusammenhang wird das Gesetz jede Diskrimi-nierung untersagen und jedermann gleichen und wirkungsvollen Schutz gegen Dis-kriminierung gleich welcher Art angedeihen lassen.‘
In der Erklärung des KSZE-Treffens am 21. November 1990 mit dem Namen ‚Charta von Paris für ein neues Europa‘ wurde das Bekenntnis zu den Menschenrechten als ‚unwiderruflich‘ bekräftigt. Hier wurden konkrete Maßnahmen zum Minderheiten-schutz vereinbart. Dazu gehört, nach Möglichkeit allgemeine Voraussetzungen einer Schulerziehung in der Sprache der Minderheiten zu realisieren, den Gebrauch dieser Sprachen vor Gerichten und Behörden zu ermöglichen und die Förderung der ethni-schen, kulturellen und sprachlichen Identität zu verbessern.
Allerdings bestehen unterschiedliche Beurteilungen darüber, wer unter dem Begriff der Minderheit zu verstehen ist. Manche wollen darunter lediglich die ‚alteingeses-senen nationalen, sprachlichen, kulturellen oder religiösen Minderheiten‘ verstehen, die aufgrund ihrer besonderen kulturellen Merkmale eine von der ‚Staatsnation‘ un-terschiedene Volksgruppe bilden und die Staatsangehörigkeit des jeweiligen Landes besitzen. Andere hingegen sehen diese Einschränkung nicht. Vor allem nach der Einbürgerung der Zugewanderten besehe auch für sie dieser Gruppenschutz als Minderheit.
Die Bundesrepublik Deutschland unterstrich bei der Verabschiedung der ‚UN-Minderheitenschutzdeklaration‘ von 1992, dass sie unter diesem Begriff nur die Gruppen verstehe, die die Staatsangehörigkeit des Aufenthaltsstaates besäßen. Nach dieser Auffassung fielen die Migranten ohne die deutsche Staatsbürgerschaft als ’neue Minderheiten‘ nicht unter die Bestimmungen dieser Deklaration.
Durch die UNO-Vollversammlung wurde im Jahre 1990 die ‚Internationale Konventi-on über den Schutz der Rechte aller ausländischen Arbeitnehmer und ihrer Famili-enmitglieder‘ verabschiedet.
Dieser UNO-Vertrag garantiert ausländischen Arbeitnehmer/innen und ihrer Famili-enangehörigen umfassende Rechte. In ihren durch diese Konvention gewährten Rechten dürfen die ausländischen Arbeitnehmer auf Grund von Geschlecht, Rasse, Hautfarbe, Religion, Sprache, nationaler oder ethnischer Herkunft keinerlei Diskrimi-nierung oder Unterscheidung erfahren. Dieser Vertag ist noch nicht in Kraft getreten, da die Ratifizierung der Konvention durch wenigstens 20 Staaten noch nicht erfolgt ist.
Im Jahre 1977 wurde das ‚Europäische Übereinkommen über die Rechtsstellung von ausländischen Arbeitnehmern‘ verabschiedet. Dieses Übereinkommen verlangt die Gleichbehandlung von ausländischen und einheimischen Arbeitnehmern bei Ar-beitsbedingungen, sozialer Sicherheit, Schulunterricht und Berufsausbildung etc. Der Vertrag wurde von nur sieben Staaten ratifiziert: Frankreich, den Niederlanden, Nor-wegen, Portugal, Schweden, Spanien und der Türkei.
Deutschland bleibt beim Antidiskriminierungsgesetz hinter vielen seiner Nachbarstaaten zurück
Immerhin: drei Jahre nachdem die oben zitierte Erklärung gegen Rassismus und Diskriminierung anlässlich des ‚Europäischen Jahres gegen Rassismus‘ feierlich bekundet war, wurde von der Europäischen Union gehandelt.
Die EU beschloss am 29. Juni 2000 die Richtlinie 2000/43/EG des Rates zur ‚An-wendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Rasse oder der ethnischen Herkunft‘. Die Richtlinie erschien im Amtsblatt der Europäischen Ge-meinschaft am 19. Juli 2000 L 180/24.
Mit der Richtlinie werden die Mitgliedstaaten aufgefordert, die erforderlichen Maß-nahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass ’sämtliche Rechts- und Verwaltungs-vorschriften, die dem Gleichbehandlungsgrundsatz zuwiderlaufen, aufgehoben wer-den; dass sämtliche mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz nicht zu vereinbarenden Bestimmungen in Einzel- oder Kollektivverträgen oder der Vereinbarungen, Betriebs-ordnungen, Statuten von Vereinigungen mit oder ohne Erwerbszweck sowie Statuten der freien Berufe und der Arbeitgeberorganisationen für nichtig erklärt oder geändert werden‘ (Art. 14). Die Umsetzung dieser Maßnahmen sollte bis zum 19. Juli 2003 erfolgen (Art. 16). Manche der EU-Staaten hatten ihre diesbezüglichen Hausaufga-ben bereits in früheren Jahren erfüllt.
Art. 1 dieser Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaft beschreibt den Zweck dieser Richtlinie: ‚[…] die Schaffung eines Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung aufgrund der Rasse oder der ethnischen Herkunft im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den Mitgliedstaaten‘. ‚Im Sinne dieser Richtlinie bedeutet ‚Gleichbehandlungsrundsatz’, dass es keine unmit-telbare oder mittelbare Diskriminierung aus Gründen der Rasse oder der ethnischen Herkunft geben darf‘ (Art. 2/2) und ‚[…] dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdi-gungchen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird, sind Be-lästigungen, die als Diskriminierung im Sinne diese Richtlinie.‘ (Art.2/ 3). Im Art. 3 wird der Geltungsbereich definiert: ‚für alle Personen in öffentlichen und privaten Bereichen, einschließlich öffentlicher Stellen.‘ bei Einstellungsbedingungen, bei allen Formen der Berufsberatung, der Berufsausbildung, der beruflichen Weiterbildung, bei Entlassungsbedingungen und Arbeitsentgelt.
Ganz wichtig sind auch die im Art. 5 vorgesehenen so genannten ‚positiven Maß-nahmen‘. Hier werden die Mitgliedstaaten aufgefordert, mit spezifischen Förder-maßnahmen die volle Gleichbehandlung der Benachteiligten aufgrund der Rasse oder ethnischen Herkunft zu gewährleisten. Die Mitgliedsaaten können im Hinblick auf die Wahrung des Gleichbehandlungsgrundsatzes weitgehender Maßnahmen als die in dieser Richtlinie vorgesehen ergreifen (Art.6).
Die von ungleicher Behandlung Betroffenen haben im Art. 7 eine Rechtsschutzgaran-tie, um ihren Rechten und Ansprüchen auf dem Gerichts- und Verwaltungswege so-wie in Schlichtungsverfahren Geltung zu verschaffen.
Ein weiterer ganz entscheidender Aspekt bei den Streitigkeiten ist die Beweislast. Liegt diese bei dem Benachteiligten, so ist es, wie die Erfahrungen in manchen Län-dern zeigen, sehr schwierig, eine Diskriminierung zu beweisen. Nach Art. 8 der Richt-linie obliegt es daher der Beklagten zu belegen, dass ‚keine Verletzung des Gleich-behandlungsgrundsatzes vorgelegen hat.‘ Und Art. 9 verlangt von den Mitgliedsstaaten, die erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen, ‚um den Einzelnen vor Be-nachteiligungen zu schützen, die als Reaktion auf eine Beschwerde oder auf die Ein-leitung eines Verfahrens‘ erfolgen.
Die rot-grüne Bundesregierung hatte in ihrem Regierungsprogramm gesetzliche Maßnahmen für den ‚Minderheitenschutz‘ und den Schutz vor Diskriminierung an-gekündigt. In einer Resoluten der Ausländerbeauftragten des Bundes, der Länder und der Gemeinden vom 18./19.Mai 1999 wird die Bundesregierung an diese Koaliti-onsvereinbarung erinnert und aufgefordert ein ‚Antidiskriminierungsgesetz zügig umzusetzen.‘ Dies ist seit Jahren auch eine der zentralen Forderungen der Migran-tenorganisationen. In ihrer Presseerklärung anlässlich des Antirassismus-Tages der UNO‘ am 21. März 2000 unterstrich die Türkischen Gemeinde in Deutschland: ‚Es darf in unserem demokratischen Rechtsstaat Deutschland nicht zum Alltag gehören, dass die Nichtdeutschen wegen ihrer Herkunft, Hautfarbe und aus anderen Gründen Diskriminierungen in den Restaurants, Diskotheken oder von Versicherungsgesell-schaften, Wohnungsunternehmen, Betrieben etc. erleiden müssen. ( …) Darüber hinaus sollte der Staat auf der Grundlage eines Antidiskriminierungsgesetzes versu-chen, mit ‚positiven Aktionen‘ ähnlich wie in den Niederlanden, Großbritannien, den USA und Kanada, um nur einige Beispiele zu nennen, schrittweise die vorhandenen Benachteiligungen und Defizite der Migrantenbevölkerung beseitigen zu helfen.‘
Die Türkische Gemeinde hat ihre diesbezügliche Forderung seit Jahren mit konkre-ten Vorschlägen unterstrichen, bevor von der Europäischen Union die obige Richtli-nie erlassen wurde.
Auch darf die Gewalt rechtsextremer Gruppen mit rassistischem Hintergrund nicht als üblicher Gewaltakt beurteilt werden. Diese müssten weitaus härter bestraft werden. Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland bekennt sich mit den Grundrecht-Artikeln 1 bis 19 ohne Einschränkung ‚zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.‘ Diese binden ‚Gesetzgebung, vollziehende Ge-walt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht‘. Die Würde eines jeden Menschen gilt als ‚unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.‘ (Art.1). Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechtre der Ver-einten Nationen hatte nach Verfassungsrechtler Kühnhardt für zahlreiche Verfassun-gen eine Modellwirkung, darunter zunächst für das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland.
Das Grundgesetz erlaubt die rechtliche Differenzierung zwischen den deutschen und nicht-deutschen Staatsangehörigen. Artikel 3/3 GG verlangt allerdings die Gleichbe-handlung und verbietet für jeden Menschen, auch für die Nichtdeutschen, eine Be-nachteiligung oder Bevorzugung, oder eine Diskriminierung u.a. wegen Rasse, Ab-stammung, Herkunft, Sprache, Religion.
Wie ganz eindeutig erkennbar, besteht zwischen den deklarierten verbindlichen Vor-gaben und Zielen des Grundgesetzes und den oben skizzierten internationalen Ver-trägen eine große Übereinstimmung. Dennoch sind einige der Grundrechte im Grundgesetz auf die ‚Deutschen‘, also auf deutsche Staatsbürger, beschränkt, ob-wohl die Menschenrechte als universale Rechte für ‚alle Menschen‘ gelten. Das sind Versammlungsfreiheit, Vereinigungsfreiheit, Freizügigkeit und freie Berufswahl.
Eine eingehende Analyse von Günter Apel, Senator a. D. und ehemaliger Auslän-derbeauftragter des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg, über Menschen- und Grundrechte kommt zu folgendem Ergebnis. ‚Für die Grundrechte […] heißt das, dass sie da, wo sie auf den grundlegenden Menschenrechten beruhen, prinzipiell allen Menschen zu gewähren sind, unabhängig von der Staatsangehörigkeit; denn unabhängig von der Staatsangehörigkeit stehen diese grundlegenden Men-schenrechte in der Hierarchie der Werte höher als die Staatsbürgerschaft […]. Zu-nächst gilt aber ganz allgemein, dass die Menschenrechte im Grundsatz immer allen Menschen zu gewähren sind, und dass erst danach zulässige Einschränkungen (z.B. über Gesetzesvorbehalte) rechtlich realisiert werden.‘ Apel beruft sich unter ande-rem auf eine Reihe internationale Verträge. So verbietet die ‚Europäische Konventi-on zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten‘ die Einschränkung bei-spielsweise der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit auf Personen mit der Staatsbürgerschaft des gesetzgebenden Landes.
Auch In der ‚Charta von Paris für ein neues Europa‘ wurde die Einhaltung und un-eingeschränkte Ausübung der Menschenrechte für ‚alle Menschen‘ bekräftigt. Diese ‚bilden die Grundlage für Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden. Jeder einzelne hat oh-ne Unterschied das Recht auf: freie Meinungsäußerung, Vereinigung, friedliche Ver-sammlung und Freizügigkeit‘.
Artikel 25 des Grundgesetzes stellt unmissverständlich klar: ‚Die allgemeinen Re-geln des Völkerrechts sind Bestandteil des Bundesrechts. Sie gelten den Gesetzen vor und erzeugen Rechte und Pflichten unmittelbar für die Bewohner des Bundesge-bietes.‘ Die aufgezählten völkerrechtlichen Verträge, Deklarationen und Überein-kommen gelten somit nicht nur vor den Gesetzen der Bundesrepublik, sie gelten auch nicht nur für deutsche Staatsbürger, sondern für alle Bewohner des Bundesge-bietes.
In Deutschland sehen jedoch eine ganze Reihe von Gesetzen in unterschiedlichen Bereichen eine ungleiche Behandlung von Migranten und ihren Familienangehöri-gen, wenn sie nicht die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen, gegenüber deut-schen Staatsbürgern vor. Im Grundrechtbereich sind dieses die Versammlungsfrei-heit (Art. 8), die Vereinigungs- und Koalitionsfreiheit (Art. 9), die Freizügigkeit (Art. 11) und die Berufsfreiheit (Art.12 I), die nur deutschen Staatsbürgern vorbehalten sind. Auch wichtige Gesetze im Arbeits-, Sozial-, Arbeitsförderungs- und Ausbildungsför-derungsrecht enthalten Bestimmungen, die eine Diskriminierung der in Deutschland seit vielen Jahren dauerhaft und rechtsmäßig lebenden oder gar in Deutschland ge-borenen Nichtdeutschen beinhalten.
Im Beschäftigungsbereich diskriminiert das Sozialgesetzbuch/Arbeitsförderung auch in seiner neuesten Fassung vom Juli 1999 die hier lebenden Nichtdeutschen ganz massiv. Nach § 284, 285 und 286 dieses Gesetzes stehen Arbeitsplätze vorerst den Deutschen oder ihnen gleichgestellten EU-Staatsbürgern zur Verfügung. Nur wen in einer bestimmten Zeit keine Besetzung durch sie erfolgen kann, sind andere Auslän-der, die noch keine ‚Niederlassungserlaubnis‘ besitzen, berechtigt, sich für diese Stellen zu bewerben. Eine unbefristet besondere Arbeitserlaubnis ist erst nach fünf-jähriger sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung möglich.
Eine Förderung ausländischer Jugendlicher nach dem Arbeitsförderungsgesetz ist vom Nachweis sozialversicherungspflichtiger Arbeitszeiten der Eltern abhängig.
Das SGB reduziert den Sozialhilfeanspruch von Drittstaatenangehörigen gegenüber Deutschen und Bürgern aus EU-Ländern.
Das Aufenthaltsgesetz nennt einzelne Ausweisungsgründe, darunter auch die Inan-spruchnahme von Sozialhilfe, das Hochschulrahmengesetz (§ 27) beschränkt den Zu-lassungsanspruch auf Deutsche und EU-Inländer.
Die Beseitigung der rechtlichen Ungleichbehandlung, die vor allem auf dem Fehlen der deutschen Staatsbürgerschaft basieren, kann vor allem durch den erleichterten Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft, wie bereits ausgiebig behandelt, oder durch Novellierung der entsprechenden Gesetze erreicht werden. Für die Beseiti-gung von Diskriminierungen, die nicht auf eine entsprechende Gesetzeslage zurück-zuführen sind, sondern auf einer diskriminierten Behandlung aufgrund Hautfarbe, ethnischer bzw. nationaler Herkunft oder religiöser und kultureller Merkmale beruht, bedarf es jedoch dringend im Geiste der oben aufgeführten internationalen Verträge, die auch die Bundesrepublik Deutschland unterzeichnet hat, neuer Gesetze. Diese werden im allgemein als Antidiskriminierungsgesetze, oder Gleichbehandlungsge-setze bezeichnet.
Es gehört leider zum Alltag in Deutschland, dass Restaurants bestimmte Ausländer nicht bedienen wollen, Diskotheken schwarzen oder türkischen Jugendlichen den Zutritt verwehren, Versicherungsgesellschaften es ablehnen, die Kraftfahrzeuge von Auslän-dern zu versichern, Betriebe in Deutschland geborene ausländische Jugendliche nicht als Lehrlinge oder Beschäftigte einstellen und diese auch von Entlassungen am meis-ten betroffen sind, in Deutschland aufgewachsene und geborene nichtdeutsche Aka-demiker selten einen Arbeitsplatz gemäß ihrer Qualifikation finden.
In Wohnungsinseraten wird darauf verwiesen, man wolle nicht an Ausländer vermieten, bei Misshandlungen von Ausländern durch Rechtsradikale sehen manche Polizeibeam-te weg, rassistisch motivierte Gewalttaten wegen der Rechtslage milde bestraft werden, neonazistische Publikationen und Parteien Rassenhass, Antisemitismus und Auslän-derfeindlichkeit offen schüren und somit zur Gewalt einladen, Neonazis in zahlreichen Gemeinden und Städten Deutschlands ungestraft ‚befreite Zonen‘ einrichten können, und schließlich, dass die Migranten in vielen Bereichen des politischen, sozialen, kultu-rellen und wirtschaftlichen Lebens diskriminiert werden.
Diese Art von Diskriminierung, ungleiche Behandlung oder gar Rassismus gab es und gibt es auch noch in anderen, auch in europäischen Staaten. Wie aber oben am Bei-spiel einiger Länder ausgeführt, versuchen diese oft seit Jahrzehnten durch rechtliche Maßnahmen gegenzusteuern. Fast alle EU-Staaten haben bereits Antidiskriminierungs- oder Gleichbehandlungsgesetze, um damit nicht nur die Diskriminierung und ungleiche Behandlung von kulturellen Minderheiten zu unterbinden, sondern auch mit Hilfe von fördernden Maßnahmen, durch so genannte ‚positive Diskriminierung‘, gleiche Be-handlung zu bewirken.
Genau das kann für Deutschland leider nicht gesagt werden. Bündnisgrüne und SPD haben einige Male diesbezügliche Schritte unternommen, die jedoch bis heute wegen ihrer Halbherzigkeit bzw. Unentschlossenheit ohne Erfolg blieben.
Wie oben beispielhaft aufgezeigt, versuchen die USA, Großbritannien, Schweden und die Niederlanden mit Hilfe einer Reihe von Maßnahmen die Diskriminierung ihrer Min-derheiten im Beschäftigungs-, Wohnungs-, Bildungs- und Ausbildungsbereich nicht nur zu unterbinden, sondern durch gezielte Förderung dieser Minderheiten deren Chancen zu verbessern.
Nehmen wir als Beispiel den Beschäftigungsbereich in Deutschland. Die Arbeitslosig-keit ist unter der Migrantenbevölkerung Doppel so hoch wie unter den Deutschen. Wel-che Maßnahmen haben die Bundesregierung, haben die Landesregierungen ergriffen, um diese große Diskrepanz zu mindern? Keine! Manche Parteien, oder zumindest eini-ge Politiker machen im Gegenteil die nichtdeutsche Bevölkerung selbst für diese Situa-tion verantwortlich und verweisen mit erhobenem Finger auf nichtdeutsche Arbeitslose, als ob sie selbst ihre Arbeitsplätze gekündigt hätten und nicht arbeiten wollten.
Die in diesem Bereich seltenen Analysen belegen jedoch, dass die hohe Arbeitslosig-keit bei den Nichtdeutschen nicht allein, aber in hohem Masse, auch auf ihre ungleiche Behandlung zurückzuführen ist. Nicht nur, weil einer strukturell bedingten Arbeitslosig-keit zunächst die unqualifizierten Arbeitsplätze zum Opfer fallen, sondern auch weil zu-nächst die Nichtdeutschen entlassen werden. Dieses Thema wird im Kapitel 7 einge-hend erörtert. Dort wird gezeigt, in welchem Ausmaß die Eingewanderten im Vergleich zu ihren deutschen Kollegen ihre Arbeitsplätze verloren haben.
Mit Hilfe von Fallstudien haben Autoren in Zeitabständen verglichen, inwieweit die Nichtdeutschen im Vergleich zu ihren deutschen Arbeitskollegen in den Betrieben Ar-beitsplätze verloren haben und in welchem Umfang Arbeitskarrieren, also ein Aufstieg in bessere Positionen erreicht werden konnte. Ihre Untersuchungsergebnisse zeigen eindeutig die Benachteiligungen sowohl beim Arbeitsplatzverlust als auch beim Errei-chen qualifizierterer Stellungen in den Betrieben.
‚In Phasen betrieblicher Rationalisierung oder bei generellem Abbau von Mitarbeitern haben ausländische Beschäftigte […] ein höheres Risiko, ihre Arbeitsplätze zu verlieren. Ihre Fluktuation war in den 80er Jahren doppelt so hoch, wie jene der deutschen Ar-beitnehmer‘
Auch beim Erreichen besser qualifizierter Arbeitsplätze stellten die Autoren der Unter-suchung eine Benachteiligung der Ausländer fest. Die Autoren haben für einfache Tä-tigkeiten den Begriff ‚unspezifischer Arbeitsmarkt‘, für mittlere Qualifikationsanforde-rungen ‚fachspezifischer Arbeitsmarkt‘ und für höchste Anforderungen ‚betriebsspezi-fischer Arbeitsmarkt‘ eingeführt und die Entwicklung von deutschen und nichtdeut-schen Arbeitnehmern in diesen drei Segmenten miteinander verglichen. ‚Die Vertei-lung deutscher und ausländischer Beschäftigter über die Arbeitsmarktsegmente gibt Hinweise auf die relative Ungleichverteilung der Chancen. Während bei deutschen Be-schäftigten zwischen 1984 und 1997 eine Verlagerung vom unspezifischen in das fach-spezifische Segment zu beobachten war, konzentrieren sich ausländische Beschäftigte aus den Mittelmeerländern auch 1997 noch in hohem Maße im unspezifischen Seg-ment‘
Hierbei geht es nicht um die Einstufung bei Ersteinstellungen im Betrieb, sondern inwie-fern die Beschäftigten innerhalb des untersuchten Zeitraums in den untersuchten Be-trieben einen Aufstieg in der Hierarchie und somit auch eine bessere Bezahlung haben erreichen können.
Auffallend ist, dass die erhebliche Differenz zwischen den deutschen und nichtdeut-schen Arbeitnehmer in allen drei betrieblichen Arbeitssegmenten selbst in der zweiten Ausländergeneration fortdauert. 1997 waren rund 50% der Beschäftigten der zweiten Ausländergeneration im unspezifischen Segment tätig. Bei ihren jungen deutschen Kol-legen nur 21%. Im fachspezifischen Segment waren im gleichen Jahr Angehörige der zweiten Ausländergeneration zu 30%, ihre deutschen Kollegen zu 41% beschäftigt; in dem Bereich mit der höchsten Qualifikation, im betriebsspezifischen Segment, ist der Unterschied noch krasser, nämlich 19 zu 39%.
Bei ausländischen Frauen lag deren Anteil im Bereich der Tätigkeiten mit niedrigen Qualifikationsanforderungen 1997 bei 70% bei deutschen Frauen bei 31%. Die Forschungsarbeiten stellen für die Jahre 1993-1997 für die nichtdeutschen Be-schäftigten bezüglich eines Wechsels in ein anderes Arbeitssegment kaum Verbesse-rungen fest.
Nun könnte hier erwidert werden, dass die berufliche Qualifikation und die sprachlichen Anforderungen vor allem bei der ersten und auch noch der zweiten Ausländergenerati-on für eine hohe berufliche Segmentierung nicht ausreichten. Die Untersuchung stellt allerdings auch fest, dass selbst diejenigen, die im Ausland einen höheren Bildungsab-schluss erworben hatten, zu 51% als angelernte Arbeiter tätig sind. Die Untersuchung belegt allerdings auch, dass diejenigen, die über gute Deutschkenntnisse verfügen, öfter mittlere und höhere berufliche Positionen erreichen.
Nur in sehr begrenzten Umfang können jedoch die Einwände in den Bereichen Qualifi-kation und Sprache akzeptabel erscheinen, wenn es um die Dritte Ausländergeneration geht, die ihre Schul-, und Bildungsabschlüsse in Deutschland erworben hat. In einer Untersuchung über den Zusammenhang zwischen Stellung im Beruf und Schulbildung im Zeitraum von 1993-1997 in Westdeutschland wird belegt, dass sich die Diskriminie-rung selbst bei diesen Menschen weitestgehend fortsetzt. ‚Im Vergleich zu Deutschen mit Hauptschulabschluss sind Ausländer öfter als angelernte Arbeiter und seltener als mittlere und höhere Angestellte tätig. Ausländische Beschäftigte mit Mittlerer Reife er-reichen seltener mittlere und höhere Angestelltenpositionen und sind häufiger in un- und angelernten Arbeiterberufen zu finden, Deutsche mit gleichem Bildungsgrad hinge-gen kaum.‘
Während 6% der Nichtdeutschen mit Abitur un- und angelernten Arbeiterberufe und 22% einfache Angestelltenberufe ausüben, beträgt dieser Anteil bei den deutschen Kol-legen gleicher Bildung nur 2 bzw. 5%.
Leider fehlen solche Vergleichsdaten über die Akademikerberufe bei Deutschen und Nichtdeutschen, die ihr Hochschulstudium in Deutschland absolviert haben. Meine ei-genen Erfahrungen mit nichtdeutschen Hochschulabsolventen legen jedoch den Schluss nahe, dass nur wenige im Vergleich zu ihren deutschen Studienkollegen in ihrem Berufsbereich eine angemessene Tätigkeit finden. Nicht wenige von ihnen sind als Taxifahrer tätig.
Bei persönlichen Gesprächen mit vielen Dutzenden türkischer Arbeiter ist oft zu hören, dass sie sogar nach jahrzehntelanger Beschäftigung im gleichen Betrieb zu einer un-qualifizierten Arbeit gedrängt werden. So berichtete mir ein türkischer Arbeiter, der seit 26 Jahren in einem großen Hamburger Betrieb tätig war, dass er von seiner Arbeitsstel-le als Kranfahrer mit guter Bezahlung zu einer weit schlechter bezahlten und niedriger qualifizierten Arbeitsstelle umgesetzt wurde, und zwar mit der Begründung, seine Deutschkenntnisse seien nicht ausreichend. Und dies, obwohl er die gleiche Arbeit be-reits seit 15 Jahren zur vollsten Zufriedenheit der Betriebsleitung hatte durchführen können. ‚Als ob ich vor 15 Jahren, als ich Kranfahrer wurde, besser Deutsch gespro-chen hätte als jetzt‘, so sein Kommentar.
Migranten sind insbesondere im mittleren, gehobenen und höheren Bereich des öffent-lichen Dienstes kaum repräsentiert, obwohl hierfür Zehntausende qualifizierte Personen zur Verfügung stehen. Im öffentlichen Dienst Hamburgs war die nichtdeutsche Bevölke-rung im Jahr 1994 beispielsweise nur mit 0,7% vertreten. Anfang 2004 betrug der An-teil der Nichtdeutschen weiterhin lediglich 1,9%, von denen der allergrößte Teil als Ar-beiter beschäftigt war. Im Vergleich zu ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung von 17 Prozent sind die Nichtdeutschen im Öffentlichen Dienst drastisch unterrepräsentiert. Um diese große Diskrepanz zumindest zu mildern, müsste den nichtdeutschen Bewer-bern bei gleicher Qualifikation Vorrang eingeräumt werden.
In den Niederlanden, Schweden, Großbritannien etc., wo ebenfalls die Arbeitslosigkeit unter den kulturellen Minderheiten über dem Durchschnitt liegt, wird über Maßnahmen nachgedacht, wie dieses Problem gelöst werden kann. Mit ‚positiven Aktionen‘ ver-sucht der Staat, versuchen die Stadtverwaltungen und Kommunen vor allem im öffentli-chen Bereich eine schrittweise Annäherung an den Bevölkerungsanteil der Minderhei-ten zu erreichen.
Daneben sollten ähnlich wie bei Gleichstellungsbeauftragten für Frauen auch ‚Antidis-kriminierungsbeauftragte‘ im öffentlichen Dienst sowie in mittleren und größeren priva-ten Unternehmen eingerichtet werden.
Diskriminierung bei der Wohnungssuche ist auf dem freien Wohnungsmarkt alltäglich. Nicht selten wird in Wohnungsinseraten erwähnt, dass keine Ausländer erwünscht sind. Bei Anrufern mit ausländischem Akzent oder sogar bei einwandfreiem Deutsch aber mit einem ausländischen Namen wird nicht selten gesagt, dass die Wohnung bereits ver-geben sei, obwohl nachträgliche Recherchen bewiesen, dass die Wohnungen weiterhin zur Vermietung angeboten wurden.
Genau dieser Art von Diskriminierungen könnten mit Hilfe eines Gleichbehandlungsge-setzes und eines Ombudsmannes entgegengewirkt werden; beides aber fehlt in Deutschland.
Diese Beispiele von ungleicher Behandlung in ganz elementaren Lebensbereichen wie Arbeit, Wohnung, Bildung und Ausbildung könnten beliebig erweitert werden.
Laut einer Studie des Zentrums für Türkeistudien fühlen sich 80 Prozent der der Deutschlandtürken bei Behördengängen, bei der Wohnungssuche oder bei der Arbeit diskriminiert.
Die Kooperationsvereinbarung zwischen der SPD und der Statt-Partei sowie die Re-gierungserklärung des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg vom 15. Dezem-ber 1993 sahen unter anderem auch die Verwirklichung eines Antidiskriminierungs-gesetzes vor.
Am 21.06.1995 wurde ein Petitum des Sozialausschusses von der Hamburger Bür-gerschaft mit großer Mehrheit angenommen. Hierin wurde der Senat aufgefordert, ‚das in der Regierungserklärung vom 15. Dezember 1993 angekündigte Antidiskri-minierungsgesetz in die Bürgerschaft einzubringen.‘ Als Abgeordneter der Hambur-ger Bürgerschaft in dieser Legislaturperiode legte ich auf dieses Gesetzesvorhaben wegen seiner Signalwirkung für ganz Deutschland sehr großen Wert. Der Hamburger Senat hat leider aus Opportunitätsgründen trotz dieses Beschlusses des Parlaments und trotz einer entsprechenden Koalitionsvereinbarung und Ankündigung in der Re-gierungserklärung kein Antidiskriminierungsgesetz verabschiedet. Dies hätte für an-dere Bundesländer und auf Bundesebene beispielhaft sein können und daher hatte ich mich für ein solches Gesetz nachdrücklich eingesetzt. Das Scheitern dieses Vor-habens war neben anderem der wichtigste Grund, mich aus der parlamentarischen Arbeit zurückzuziehen und auch mit öffentlicher Kritik an die SPD nicht hinter dem Berg zu halten.
Beseitigung der institutionalisierten Diskriminierung durch erleich-terte Einbürgerung
Selbst wenn es vielen Politikern nicht bewusst und verständlich ist, kann eine dauer-hafte Ausgrenzung von rund einem Zehntel der Wohnbevölkerung Deutschland als ‚Ausländer‘ mit einem minderen Rechtsstatus nicht anders als eine strukturelle Form der Absonderung, Abschottung, Diskriminierung, also als eine versteckte Form der Apartheid bezeichnet werden. Es kann auch nicht anders verstanden werden, wenn Menschen, die seit 10, 20, 30 und 40 Jahren nunmehr in vierter Generation mit – bis auf den Wehrdienst, den sie nicht leisten dürfen – allen Pflichten in Deutschland leben, viele von ihnen sogar in Deutschland geboren wurden, Schulen besuchten und ihre Berufe erlernten, mit einem Sonderrecht, also minderen Rechten hier leben müssen.
Da hilft auch nicht der Einwand, sie besäßen nicht die deutsche Staatsbürgerschaft und manche von ihnen könnten unter den jetzigen Bedingungen auch die deutsche Staatsangehörigkeit erwerben. Der Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft wird ihnen so weit erschwert, dass sie diese nur unter großen Opfern oder aber erst gar nicht erwerben können, weil sie die auferlegten Konditionen nicht erfüllen können, wie bereits oben im Kapitel 2 ausführlich beschrieben wurde.
Weit über 7 Millionen Menschen ohne deutsche Staatsbürgerschaft dürfen in Deutschland seit Jahrzehnten weder wählen noch gewählt werden. Selbst das kom-munale Wahlrecht, welches den EU-Staatsangehörigen mit Änderung des Grundge-setzes gewährt wurde, blieb 70% von ihnen vorenthalten. Das kommunale Wahlrecht wird in den meisten EU-Staaten, darunter Schweden, Dänemark, Niederlanden, Frankreich, Großbritannien, Norwegen, Irland allen Eingewanderten seit Jahrzehnten gewährt.
In Deutschland dagegen sind die Nichtdeutschen von allen politischen Mitentschei-dungsmöglichkeiten völlig ausgeschlossen. Ich habe als Politikwissenschaftler bei-spielsweise erst im Alter von 50 Jahren wählen und gewählt werden dürfen; 30 Jahre lang durfte ich nicht wählen.
Weil ihnen die deutsche Staatsbürgerschaft fehlt, finden die Nichtdeutschen auch kaum Zugang zu Berufen im Öffentlichen Dienst, selbst wenn dies auch von den Politikern als gesellschaftspolitisch wichtig angesehen wird.
Die Politik müsste also an erster Stelle dort beginnen, wo sie direkte Gestaltungs-möglichkeit hat, nämlich die zahlreichen Formen staatlicher Diskriminierung für die dauerhaft in Deutschland lebenden kulturellen Minderheiten beenden. Ähnlich wie in vielen Nachbarländern müsste der Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft erleich-tert werden, vor allem ohne die erzwungene Aufgabe der bisherigen Staatsbürger-schaft.
Wie lange noch will es sich der demokratische Rechtsstaat Deutschland leisten, dieser alltäglichen Diskriminierung von nichtdeutschen Menschen tatenlos zuzusehen?
Deutschland braucht dringend ein Antidiskriminierungsgesetz
Oben habe ich an Hand der internationalen und völkerrechtlichen Verpflichtungen und Verträge, der Vereinbarungen mit der EU, der Richtlinie der Europäischen Ge-meinschaft, im Interesse der Erweiterung und Verfestigung der Demokratie und des gesellschaftlichen Friedens in Deutschland dargelegt, dass auch wir hier in Deutsch-land nunmehr ohne weitere Zeitverzögerung ein Antidiskriminierungsgesetz brau-chen. Die Bezeichnung eines solchen Maßnahmenbündels ist dabei nicht entschei-dend. Eine solche umfassende Regelung kann auch als ‚Gleichstellungs- und Gleichbehandlungsgesetz der kulturellen Minderheiten‘ bezeichnet werden. Ich per-sönlich bevorzuge den Namen ‚Antidiskriminierungsgesetz‘, weil er mir in diesem Kontext der passende Name zu sein scheint und auch im internationalen Bereich meist benutzt wird. Deshalb werde ich diesen Begriff weiterhin verwenden.
Ein solches Gesetz sollte in jedem Fall vier wichtige Bereiche erfassen:
1. Maßnahmen, um die vorhandene Rechtslage in Deutschland an internationa-len Standards und völkerrechtliche Verpflichtungen anzupassen. Dies bedeu-tet eine Novellierung der in Frage kommenden Gesetze dergestalt, dass sie den Anforderungen der auch von Deutschland unterzeichneten Verträge ent-sprechen.
Oben habe ich erläutert, dass sogar einige der Grundrechte in dieser Hinsicht ver-besserungswürdig wären. Für eine solche Ergänzung der Grundrechte, nämlich der Versammlungsfreiheit, Vereinigungs- und Koalitionsfreiheit, Freizügigkeit und der Berufsfreiheit gäbe es keinen verfassungsrechtlichen Problemen. Der Wesensgehalt dieser Grundrechte wäre bei einer Erweiterung dieser Rechte, die zur Zeit den Deut-schen Staatsbürgern vorbehalten sind, um den Zusatz ‚alle Menschen‘ oder für ‚je-den Menschen‘ nicht tangiert, handelte es sich doch um eine notwendige Ergän-zung. Allerdings ist bekanntlich hierfür eine Zweidrittel Mehrheit im Bundestag und Bundesrat erforderlich, die ganz offensichtlich zur Zeit nicht zu finden wäre. Deshalb sollten wir uns auf die Änderung oder Ergänzung der Gesetze konzentrieren, die für ein Antidiskriminierungsgesetz erforderlich sind.
Als Beispiel sollen hier Benachteiligungsverbote genannt werden. Diese sind Vor-schriften des Zivilrechts, die es beispielsweise dem Arbeitgeber verbieten, Nichtdeut-sche zu benachteiligen. Wie bereits an Hand von Untersuchungen aufgezeigt, wer-den die nichtdeutschen Arbeitnehmer am Arbeitsplatz wie auch bei Bewerbungen diskriminiert.
Dabei könnte an § 611a BGB aus dem Arbeitsrecht angeknüpft werden. Diese Vor-schrift verbietet es dem Arbeitgeber, einen Arbeitnehmer wegen seines Geschlechts zu benachteiligen. Außerdem beinhaltet diese Vorschrift eine Erleichterung der Be-weislast für den Benachteiligten.
Solche Regelungen sollten nicht nur für Arbeitsverhältnisse gelten, sondern z.B. auch im Wohnungsbereich für Mietverhältnisse oder im Dienstleistungsbereich, wie zum Beispiel gegenüber Versicherungsgesellschaften, Gastronomie, Diskotheken etc. Benachteiligungsverbote sollten den Betroffenen Schadenersatz gewähren. Dis-kriminierungen von erheblichem Umfang sollten zudem mit Strafe bedroht sein. Daneben sollten in den entsprechenden Gesetzen, etwa der Gewerbeordnung oder dem Gaststättengesetz, Regelungen eingefügt werden, gemäß denen dem Gewer-betreibenden oder Gastwirt bei erheblichen Diskriminierungen die Konzession entzo-gen werden kann. Die Beweislast dafür, dass keine Diskriminierung vorliegt, müsste bei dem Beklagten liegen.
2. Verabschiedung eines Antidiskriminierungsgesetzes, welches im Einklang mit den internationalen Verträgen und den EU Richtlinien jeden Menschen und al-le kulturellen Minderheiten in Deutschland vor jeder Art von Diskriminierung, ungleicher Behandlung, Rassismus und Ausländerfeindlichkeit aufgrund der Hautfarbe, ethnischen und nationalen Herkunft, Staatangehörigkeit, Kultur und Religion in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens aktiv schützt. Das deutsche Antidiskriminierungsgesetz sollte neben den Diskriminierungsverbo-ten in allen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens auch Elemente aus dem Strafgesetzbuch enthalten, um rassistische, antisemitische und ausländer-feindliche Äußerungen, Publikationen, Handlungen und Gewalttaten mit der notwendigen Härte verfolgen zu können.
Hinsichtlich einer strafrechtlichen Sanktionierung von Diskriminierungen kommt einer Strafverschärfung bestehender Vorschriften einerseits und der Einführung neuer Normen andererseits große Bedeutung zu. Straftaten mit rassistischem Hintergrund müssen härter als bisher bestraft werden, damit eine abschreckende Wirkung ent-steht.
Das Gesetz sollte einerseits weitgehende strafrechtliche Sanktionen gegen Diskrimi-nierung, wie in den Niederlanden, der Schweiz, den USA, Kanada und Großbritan-nien vorsehen. Andererseits aber auch weitgehenden zivilrechtlichen Schutz vor Dis-kriminierung durch das Einräumung von Ansprüchen auf tatsächliche sowie auf geldwerten Ersatz von Schäden aufgrund materieller und immaterieller Diskriminie-rung beinhalten, wie dies in den oben genannten Staaten ebenfalls seit langem rechtliche Norm ist.
Bei den Beleidigungsdelikten sollte zudem das Antragserfordernis entfallen, wenn diese diskriminierenden Inhalts sind. Darunter fällt insbesondere die Verbreitung of-fensichtlich rassistischer Propaganda unter Zuhilfenahme der Medien.
So findet sich seit 1977 in Österreich eine Bestimmung, nach der mit Geldstrafe be-legt wird, wer ‚Personen öffentlich allein aufgrund ihrer Rasse, ihrer Hautfarbe, ihrer nationalen oder ethnischen Herkunft oder ihres religiösen Bekenntnisses ungerecht-fertigt benachteiligt oder sie hindert, Orte zu betreten oder Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen, die für den allgemeinen öffentlichen Gebrauch bestimmt sind‘.
Im Schweizerischen Strafgesetzbuch findet sich folgende Vorschrift: ‚Wer öffentlich gegen eine Person oder eine Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse oder ihrer Zugehörigkeit zu einer ethnischen oder religiösen Gruppe zu Hass oder Diskriminie-rung aufruft, wer öffentlich Ideologien verbreitet, die auf die systematische Herabset-zung oder Verleumdung der Angehörigen einer Rasse oder einer ethnischen oder religiösen Gruppe gerichtet sind, wer mit dem gleichen Ziel Propagandaaktionen or-ganisiert, fördert oder daran teilnimmt, wer öffentlich durch Wort, Schrift, Bild, Gebär-den, Tätlichkeiten oder in anderer Weise eine Person oder eine Gruppe von Perso-nen wegen ihrer Rasse oder ihrer Zugehörigkeit zu einer ethnischen oder religiösen Gruppe in ihrer Menschenwürde angreift oder aus einem dieser Gründe das Anden-ken von Verstorbenen verunglimpft, wer in Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit ei-ner Person oder einer Gruppe von Personen wegen ihrer Rasse oder ihrer Zugehö-rigkeit zu einer ethnischen oder religiösen Gruppe eine öffentlich angebotene Leis-tung verweigert, wird mit Gefängnis oder mit Buße bestraft‘.
Auch und gerade in Deutschland wäre eine ähnliche Strafbestimmung dringend er-forderlich.
Deutschland hat eine breite Welle von Gewalttaten erlebt und erlebt sie immer noch, die mit rassistischem antisemitischem oder ausländerfeindlichem Hintergrund verübt wurden und werden. Viele Richter, Staatsanwälte, Rechtsanwälte, und Politiker be-klagten die nicht ausreichende Gesetzeslage, um solche Gewalttäter, wie sie oben ausgeführt wurden, mit der erforderlichen Härte zu bestrafen.
3. Positive Aktionen und Maßnahmen, um die vorhandenen Ungleichheiten und Defizite vor allem im Beschäftigungs-, Bildungs-, Ausbildungs-, Wohnungs- und Dienstleistungsbereich schrittweise zu mindern und zu beseitigen.
‚Positive Aktionen‘ umfassen Maßnahmen, welche die benachteiligten kulturellen Minderheiten in bestimmten öffentlichen und privaten Bereichen mit dem Ziel der Chancengleichheit so lange bevorzugt fördern, bis eine Chancengleichheit mit den übrigen gesellschaftlichen Gruppen hergestellt ist. Die Maßnahmen, die getroffen wurden und werden, um die Benachteiligung der Frauen zu beheben, könnten ent-sprechend gegenüber den kulturellen Minderheiten Anwendung finden.
Insbesondere die öffentliche Hand könnte hier in den Bereichen Beschäftigung, Bil-dung, Ausbildung und Wohnung beispielgebend sein. Der Anteil von Nichtdeutschen im öffentlichen Dienst, vor allem in der mittleren und gehobenen Ebene, ist, wie oben gezeigt, im Vergleich zu ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung verschwindend ge-ring. Deshalb müssen gerade in diesem Bereich zielgerichtete Verbesserungen vor-genommen werden.
Diese Maßnahmen hätten für den Integrationsprozess eine äußerst positive Wirkung und würden die Akzeptanz der nichtdeutschen bei der deutschen Bevölkerung we-sentlich erhöhen. Die Mehrheitsbevölkerung sollte die kulturellen Minderheiten in al-len Bereichen des Lebens, in den Behörden, bei der Polizei, in den Schulen und Hochschulen, in den öffentlich-rechtlichen Medien, in Krankenhäusern etc. als gleichberechtigte, kompetente, gesellschaftspolitisch akzeptierte Menschen wahr-nehmen und akzeptieren. Die Beschäftigung von Nichtdeutschen vor allem als Spre-cher/in, Programmgestalter/in oder Moderator/in bei den Fernsehanstalten hätte mit Sicherheit die effektivste integrative Wirkung bei der deutschen aber auch nichtdeut-schen Bevölkerung. Dies ist in Großbritannien oder den Niederlanden seit langem unstrittig. Außerdem sollten die Interessenverbände der Migranten in Institutionen wie den Rundfunk- und Fernsehräten vertreten sein, damit die Einwanderer auch Einfluss auf Programme und Sendungen nehmen können.
Solange die Nichtdeutschen nicht auch entsprechend ihrer Qualifikationen beschäf-tigt werden und man ihnen meist unqualifizierte und schlecht bezahlte Tätigkeiten vorbehält, werden wir sowohl ihre Akzeptanz bei der Mehrheitsbevölkerung als auch das Zugehörigkeitsgefühl der kulturellen Minderheiten selbst erschweren.
Das gilt auch im privaten Dienstleistungsbereich. Der Anteil der nichtdeutschen Be-schäftigten im Bank- und Versicherungswesen ist ebenfalls kaum nennenswert, ob-wohl sie wie die deutsche Bevölkerung zu den zahlenden Kunden gehören. Aus per-sönlichen Gesprächen weiß ich, dass die wenigen nichtdeutschen Beschäftigten bei den Banken, bei der Kundenbedienung oder an den Kassen kaum beschäftigt wer-den, weil ‚die deutschen Kunden ungern fremd aussehende Menschen an diesen Stallen sehen wollen‘, so eine Begründung. Dies ist nichts anders als Rassismus pur. Gerade hier müsste viel häufiger eingegriffen und solchen Vorurteilen entgegen-getreten werden.
Die Nichtdeutschen haben es auch auf dem freien Wohnungsmarkt sehr schwer, ei-ne dem durchschnittlichen Preis-Leistungsverhältnis entsprechende Wohnung zu mieten. Wegen ihrer oft größeren Familien und wegen ihres geringeren Einkommens erhalten sie Sozialwohnungen. Diese sind allerdings meist in den Ballungsgebieten, in denen der Anteil der nichtdeutschen Bevölkerung enorm hoch ist und oft weiter zunimmt, weil deutsche Mieter die Gegend verlassen. Folgen sind Probleme in den Kindertagesstätten und Schulen, weil der Anteil der nichtdeutschen Kinder weit über das wünschbare Maß steigt. Auch hier müsste durch Umsteuerung etwas gesche-hen. Bei der Vergabe von Sozialwohnungen müsste auf die Bevölkerungsstruktur in den Stadteilen geachtet werden. Es gibt viele Wohnungsbaugesellschaften und Ge-nossenschaften, die staatliche Subventionen erhalten. Auch denen müssten Aufla-gen gemacht werden, damit sie einen entsprechenden Teil ihrer Wohnungen gezielt an die Nichtdeutschen vermieten. Dies kann durch Bindung staatlicher Subventionen und Aufträge an private Unternehmen sowie an die Einhaltung der Ziele der Gleich-stellung und Gleichbehandlung kultureller Minderheiten realisiert werden, wie z.B. in den USA, Großbritannien und den Niederlanden.
Im Vorschul- und Schulbereich sollten die Schulen der belasteten Stadtteile durch positive Maßnahmen dergestalt gefördert werden, dass sie durch eine bessere per-sonelle Ausstattung vor allem auch im Bereich sprachlicher Förderung der nichtdeut-schen Kinder Akzente setzen können. Die Zahl der Kinder in den Betreuungsklassen müsste entsprechend gering sein, damit die Erzieher/innen und Lehrer/innen sich mit der erforderlichen Intensität solchen Kindern widmen können. Die Lehrer/innen müssten zudem geringere Lehrverpflichtung haben, damit sie eine intensivere und damit aufwendigere Elternarbeit leisten können. Außerdem müssten deutsche und nichtdeutsche Kinder, die sprachliche Defizite aufweisen und deshalb auch in ande-ren Fächern in der Schule nicht gut vorankommen, durch gezielten Nachhilfeunter-richt unterstützt werden.
In den Schulen sollten die Lehrbücher und -materialien auf diskriminierende Inhalte überprüft und mit dem Ansatz der interkulturellen Erziehung und Bildung mit dem Ziel ergänzt werden, damit zu mehr Toleranz, zu einem offenen Dialog und zu größerer Akzeptanz gegenüber kulturellen Minderheiten beizutragen, um damit Rassismus, Ausländerhass und Antisemitismus den Boden zu entziehen.
4. Ergreifen geeigneter Maßnahmen, welche die Umsetzung der Antidiskriminie-rungsgesetze kontrollieren und koordinieren.
Die Anpassung der rechtlichen Rahmenbedingungen und Gesetze allein reicht si-cherlich nicht aus, um die erwünschte Wirkung zu erreichen. Sie müssen mit Hilfe institutioneller Einrichtungen und Instrumentarien wie Ombudsleuten auf Bundes-, Länder- und kommunaler Ebene, unabhängiger Kommissionen auf Bundes- und Län-derebene, einer Bundeseinrichtung für Antidiskriminierungsarbeit sowie von For-schungsinstituten unterstützt, beobachtet, koordiniert und gesteuert werden.
Die praktischen Erfahrungen vor allem in Schweden, Großbritannien und den Nieder-landen können für Deutschland eine große Hilfe sein.
Diese Einrichtungen müssen rechtlich mit entsprechenden Kompetenzen und Perso-nen ausgestattet sein. Sie sollten ähnlich wie in den genannten Ländern regierungs- und behördenunabhängig, jedoch mit steuerlichen Mitteln finanziert werden.
In den unabhängigen Kommissionen auf Bundes und Länderebene sollten die ge-sellschaftlich relevanten Gruppen, also Parteien, Gewerkschaften, Kirchen, Arbeitge-berverbände, Einwanderer- und weitere zivile Organisationen vertreten sein. Die Einwandererorganisationen sollten gemäß ihrer Bevölkerungsstärke mit einem Anteil von mehr als 50% der Kommissionsmitglieder in dieser Einrichtung vertreten sein, denn bei dieser Arbeit geht es ja letztendlich um die Umsetzung von Maßnahmen, die unmittelbar auf die kulturellen Minderheiten wirken. Diese unmittelbare Betroffen-heit durch die Arbeit der Kommission macht es erforderlich, dass die diskriminierten Bevölkerungsgruppen dort mit einem gewichtigen Anteil vertreten sind.
Die Bundes- und Landeseinrichtungen zur Antidiskriminierungsarbeit müssten mit der Kompetenz ausgestattet sein, gegen die beschuldigten Unternehmen, Behörden, Organisationen etc. formelle Untersuchungen einzuleiten. Die Beweispflicht müsste bei den Unternehmen liegen. Die Erleichterung der Beweislast des § 611a BGB soll-te entsprechend übernommen werden. Danach genügt es, wenn der Betroffene Tat-sachen glaubhaft macht, die eine Benachteiligung vermuten lassen. Für diesen Fall trägt dann die andere Seite (z.B. der Arbeitgeber) die Beweislast dafür, dass keine Diskriminierung vorliegt.
Darüber hinaus ist ein Anspruch auf Unterlassung gegenüber Diskriminierungen wünschenswert. Dabei sollte dieser Anspruch nicht nur durch den betroffenen Ein-zelnen geltend gemacht werden können, sondern analog dem Verbraucherrecht auch durch (öffentliche) Institutionen und (private) Verbände verfolgt werden können, zu deren Aufgaben es gehört, die Interessen der Einwanderer durch Aufklärungs- und Beratungsarbeit wahrzunehmen.
Bei den Ombudsleuten auf Bundes, Länder und kommunaler Ebene sollten Beschwer-destellen für die Opfer von Rassismus, Ausländerfeindlichkeit und Antisemitismus zur Abwehr und Beseitigung diskriminierender Maßnahmen wie in den Niederlanden, dem Vereinigten Königreich, den USA und Kanada eingerichtet werden.
Die Arbeit der Ombudsleute sollte von den Bundes- und Landeseinrichtungen zur Anti-diskriminierungsarbeit unterstützt werden, Diese sollten mit einer Klagebefugnis aus-gestattet und unter anderem auch als Schlichtungsstellen tätig sein. Sie sollten die Er-folge der positiven Aktion im öffentlichen Dienst und in privaten Unternehmen überwa-chen und prüfen, ob die Voraussetzungen für die Vergabe von Subventionen und Auf-trägen, wenn jemand solche Hilfen in Anspruch nehmen, vorliegen.
Die Grundvoraussetzung eines friedlich-solidarischen Zusammenlebens der in Deutschland dauerhaft lebenden kulturellen Minderheiten mit der deutschen Bevölke-rung ist nicht nur die rechtliche, politische und soziale Gleichstellung sondern auch ihre Gleichbehandlung und Chancengleichheit in allen Bereichen der Gesellschaft. Dies ist heute nicht gewährleistet. Deshalb braucht auch Deutschland dringend ein Antidiskriminierungsgesetz, welches von den Erfahrungen derartiger Gesetze und Maßnahmen wie in den USA, Kanada, den Niederlanden, Frankreich, Belgien, Groß-britannien und Schweden profitiert und ein noch besseres und effektiveres Maßnah-menbündel für Deutschland darstellt.
Viele Länder haben bereits in den vergangenen Jahrzehnten im Geiste der völker-rechtlichen Abkommen eigene nationale Gesetze mit dem Ziel verabschiedet, einer-seits die Diskriminierung von ethnisch-kulturellen Minderheiten von staatlicher und von privater Seite zu beheben, andererseits aber auch mit ‚positiven Aktionen‘ die vorhandenen Benachteiligungen der ethnisch-kulturellen Minderheiten durch beson-dere Fördermaßnahmen schrittweise zu beheben, um deren Gleichstellung zu errei-chen.
Die Adressaten der Gesetze sind dementsprechend sowohl der Staat als auch priva-te (juristische) Personen.
Gesetzentwurf der Regierungsparteien der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/ Die Grünen zum Schutze vor Diskriminierung
Die Bundesregierung legte am 6. Mai 2004 erst mit reichlicher Verspätung den ‚Entwurf eines Gesetzes zum Schutz vor Diskriminierung (Antidiskriminierungsge-setz – ADG)‘ dem Bundestag vor. Der Entwurf knüpft an die EU-Richtlinien des Ra-tes ‚zur Anwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes ohne Unterschied der Ras-se und der ethnischen Herkunft‘ vom 29. Juni 2000 sowie ‚zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf vom 27. November 2000‘ und des Europäischen Parlaments ‚zur Verwirklichung des Grundsatzes von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen‘ vom 23. September 2002 an.
Das Ziel des Gesetzes wird ganz allgemein formuliert, um ‚… Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität in Beschäftigung und Beruf zu verhindern oder zu beseitigen.‘ Arbeitgeber, Beschäftigte und ihre Vertreter werden aufgefordert, an der Verwirklichung dieses Zieles mitzuwirken.
Der Entwurf sieht Benachteiligungsverbote aus den im Ziel genannten Gründen vor. Auch mit Hilfe von positiven Maßnahmen sollen die vorhandenen tatsächlichen Nachteile, die dem Ziel des Gesetzes widersprechen, verhindert oder ausgeglichen werden.
Der Gesetzentwurf sieht individualrechtliche Schadensersatzansprüche für von Dis-kriminierung Betroffene vor. Bei Verstößen der Arbeitgeber gegen das Benachteili-gungsverbot ist eine angemessene Entschädigung in Geld für Beschäftigte vorgese-hen.
Zum Schutze vor Diskriminierung sieht der Entwurf eine ‚Antidiskriminierungsstelle des Bundes‘ beim Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vor. Die Person zur Leitung dieser Stelle wird von der Bundesregierung bestellt. Alle zwei Jahre soll dem Bundestag und der Bundesregierung von der Antidiskriminierunkstelle ein unabhängiger Bericht vorgelegt werden.
Die Antidiskriminierungsstelle soll mit ‚Nichtregierungsorganisationen und Einrich-tungen‘ zusammenarbeiten. Zur Förderung des Dialogs mit gesellschaftlichen Grup-pen und Organisationen, die mit dem Ziel des Gesetzes in Verbindung stehen, wird der Antidiskriminierungsstelle des Bundes ein Beirat zugeordnet.
Insgesamt kann der Antidiskriminierungs-Gesetzentwurf der Bundesregierung als ein an die Erfahrungen anderer Länder anknüpfendes und daher als durchaus gelunge-nes Instrumentarium bewertet werden.
In einem wichtigen Bereich, nämlich bei der Beweislast, bleibt er jedoch hinter den Erwartungen zurück. Beim Verstoß trägt der oder die Beschäftigte die Beweislast für das Vorliegen einer Diskriminierung. Dies wird, wie die Erfahrungen in anderen Län-dern zeigen, sicherlich schwer zu beweisen sein. Erst wenn das Gericht das Vorlie-gen der Diskriminierungstatsachen für ‚überwiegend wahrscheinlich‘ hält, trägt der Arbeitgeber die Beweislast dafür, dass die unterschiedliche Behandlung kein Vorstoß gegen das Benachteiligungsverbot darstellt.
Obwohl die Bundesregierung mit diesem Entwurf dieses Antidiskriminierungsgeset-zes der längst fälligen Verpflichtung gegenüber den Beschlüssen der EU nach-kommt, greifen die Opposition und die Arbeitgeberseite mit massiver Kritik den Ent-wurf an. Wie es bereits bei allen Formen der Kritik üblich geworden ist, klagen sie, dass das Gesetz Arbeitsplätze gefährden würde.
Die Bundesregierung wäre gut beraten, zumindest bei diesem Gesetzesvorhaben konsequent zu bleiben, um dadurch den verfassungsmäßig garantierten Grundrech-ten zu genügen.
Für ein Antidiskriminierungsgesetz in Deutschland sollten die bereits vorhandenen rechtlichen Bestimmungen und Erfahrungen anderer Länder herangezogen werden.