Rede vor der Parlamentarischen Versammlung des Europarates

zum Thema 'Die Aktivitäten der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung 2008-2009'

Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, sehr geehrte Damen und Herren,

ich danke unserer Kollegin Anna Lilliehöök für Ihre federführende Arbeit zu dem vorliegenden Entwurf für eine Entschließung zur Tätigkeit der OECD.

Lassen sie mich dabei zunächst festhalten, dass die globale Wirtschafts- und Finanzkrise eindeutig Ausdruck des Scheiterns des Neoliberalismus ist. Es ist ja nicht so gewesen, dass nur die Kontrollaufsicht auf den Finanzmärkten versagt hätte. Nein, der selbst verordnete Rückzug des Staates und der Politik aus der Wirtschaft haben erst die Finanzmärkte unkontrollierbar gemacht und die Spekulationswelle ausgelöst! Insofern handelt es sich in erster Linie nicht allein um Marktversagen, sondern vor allem auch um Politikversagen!

Die Auswirkungen der Krise werden noch lange zu spüren sein und auf dem Arbeitsmarkt in den Mitgliedstaaten erst in den kommenden Jahren voll zu spüren sein.

Deutschland hat 97 Mrd. Euro für Konjunkturpakete und 631,8 Mrd. Hilfen für den Finanzsektor zur Verfügung gestellt. Insgesamt also 728,8 Mrd. Euro. Hierdurch steigen die Schulden des Staates enorm weiter und werden das Land für die nächsten Jahre stark belasten.

Meine Damen und Herren,

entscheidend wird sein, welche Konsequenzen aus der Krise gezogen werden und wie ihre sozialen Folgen bewältigt werden!

Ich persönlich halte es für unzumutbar, wenn die Banken mit Steuergeldern in Milliardenhöhe erst vor dem Zusammenbruch gerettet werden müssen, ohne dass daraus die dringend erforderlichen Lehren gezogen werden. Etliche Banken zahlen ihren Managern bereits wieder überzogene Boni.

Eines muss klar sein: Wer staatliche Hilfe in Anspruch nimmt, der muss mit dem Geld der Steuerzahlerinnen und Steuerzahler auch sorgfältiger umgehen und das geliehene Geld schnellstmöglich zurückzahlen! Die Bevölkerung darf nicht die Zeche zahlen für das branchenspezifische Fehlverhalten einzelner!

Wir brauchen dringend eine effektivere Finanzaufsicht sowie ein Verbot von hochriskanten Geschäften. Ich denke hierbei insbesondere an den intransparenten Handel mit Kreditgeschäften und Wertpapieren, die niemand mehr durchblickt. Wertpapiere, die faktisch keinen Wert mehr haben, müssen aus dem Verkehr gezogen werden!

Hinzu kommt, dass die Banken die Zinssenkungen der Europäischen Zentralbank an ihre Kunden auch tatsächlich weitergeben müssen. Trotz der immensen Staatshilfen, die in den Finanzsektor geflossen sind, leiden viele Unternehmen in den Mitgliedstaaten unter einer restriktiven Kreditvergabepolitik der Banken zu hohen Zinsen. Dies führt dazu, dass zahlreiche mittlere und kleinere Unternehmen in manchen Mitgliedstaaten -beispielsweise in Deutschland- unter einer Kreditklemme leiden, obwohl immense staatliche Gelder zur Bankenrettung ausgegeben wurden. Unter diesen Bedingungen werden unnötigerweise zusätzlich viele Arbeitsplätze gefährdet.

Meine Damen und Herren,

wenn die Großbanken ihre restriktive Kreditvergabepolitik nicht ändern, dann müssen energisch politische Maßnahmen dagegen ergriffen werden. Beispielsweise müssten die Nationalbanken oder die Europäische Zentralbank gegebenenfalls Kredite direkt an die Wirtschaft zahlen können, auch unter Umgehung der Geschäftsbanken. Und selbstverständlich sollten auch Verstaatlichungen bei der Restrukturierung des Bankensektors kein Tabu sein.

Es ist der Bevölkerung überhaupt nicht zu vermitteln, wenn in marode Banken Milliarden von staatlichen Rettungsgeldern hineingepumpt werden und andererseits gesagt wird, für Sozialleistungen zur Krisenbekämpfung fehle das Geld! Dies ist eine Frage der politischen Prioritätensetzung, die für die Stabilität der Demokratie in den Mitgliedstaaten von ganz entscheidender Bedeutung ist!

Es wäre weitaus wichtiger und erfolgversprechender, die Binnenwirtschaften in den Mitgliedstaaten stärker mit zielgenauen öffentlichen Investitionsprogrammen zu stabilisieren. Dies schafft Beschäftigungssicherheit und stärkt nicht zuletzt die Konsumnachfrage im Inland, bis sich auch der Export wieder erholt hat. Dies ist m. E. der beste Weg, um aus der Krise am schnellsten herauszukommen. Die OECD steht hier in der Pflicht, ihrer diesbezüglichen Verantwortung in vollem Umfang nachzukommen!

Darüber hinaus müssen die Finanzmärkte grundsätzlich wieder reguliert werden, weil wir ansonsten in einigen Jahren eine neue Krise weit schlimmeren Ausmaßes erleben könnten.

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!