Ja zum islamischen Religionsunterricht an den Schulen

Es darf kein Zweifel daran gelassen werden, daß die Grundrechte der 'Glaubensfreiheit' und der 'ungestörten Ausübung der Religion' selbstverständlich auch für Muslime,gelten. Und daher selbstverständlich auch für den Religionsunterricht an den Schulen.
in: Debatte Nr. 51/52

Im Unterschied zu Deutschland ist der Islam in der Türkei keine eigenständige religiöse Institution, für die durch den Staat Steuern erhoben werden und die als eine der ‚gesellschaftlich anerkann-ten Gruppen‘ u.a. auch die Lehrpläne des Religionsunterrichtes mitbestimmen darf. In der Türkei ist dies das exklusive Recht des laizistischen Staates.

Alle Lehrpläne, auch die des Religionsunterrichts, liegen allein in der Zuständigkeit des Ministeriums für Er-ziehung und Bildung. Daß dies so ist, hat historische und inhaltli-che Gründe. Die großen christlichen Kirchen in Deutschland erheben heute nicht mehr den Anspruch, die bestimmende Instanz dafür zu sein, das politische Leben, das Staats- und Gesellschaftsleben nach den eigenen Vorstellungen zu formen.

Viele Religionsgemein-schaften in den islamischen Ländern, darunter die staatlich nicht anerkannten, erheben in der Türkei und auch in Deutschland die-sen Totalitätsanspruch. Es gibt im Islam zahlreiche selbsternannte Religionsgemeinschaften, die meist dem fundamentalistischen Lager angehören und den Islam für ihre politischen Ziele instru-mentalisieren.

Diese Gruppierungen werden von der Türkei nicht als legale Gemeinschaften anerkannt. Die Notwendigkeit, auch etwas für die religiösen Bedürfnisse der Deutschlandtürken tun zu müssen, wurde vom dafür in der Türkei zuständigen ‚Amt für religiöse Angelegenheiten‘ viel zu spät er-kannt und daher nur ungenügend wahrgenommen. Dieses Vaku-um wurde sofort von diesen selbsternannten islamischen Religi-onsgemeinschaften ausgefüllt, die darin eine Chance auf Macht und Einfluß erkannten. Ihnen die öffentlich-rechtliche Repräsen-tanz für die Muslime anzuvertrauen, wäre ein folgenschwerer Fehler, da viele dieser Gruppen zu Intoleranz aufrufen und sich gegen Demokratie und Integration aussprechen.

Deshalb fordern wir für die Kinder muslimischen Glaubens einen Religionsunterricht unter der Verantwortung der Schulbehörde. Die Ausarbeitung der Lehrinhalte sowie die Fortbildung der Lehr-kräfte sollte in Zusammenarbeit mit dem türkischen Ministerium für Erziehung und Bildung erfolgen. Die Türkische Gemeinde in Deutschland ist gern bereit, dazu ihren Beitrag zu leisten.

Prof. Dr. Hakký Keskin Politikwissenschaftler und Bun-desvorsitzender der Türkischen Gemeinde in Deutschland