Änderung des Staatsangehörigkeitsrecht

DIE ÄNDERUNG DES STAATSANGEHÖRIGKEITSRECHTS KANN NICHT OHNE UND GEGEN DIE BETROFFENEN VERABSCHIEDET WERDEN

Der Geschäftsführende Vorstand der TGD hat auf seiner Sitzung am 20./21. März 1999 in Hamburg den Stand der Änderung des Staatsangehörigkeitsrechts diskutiert.

Der am 19.3.1999 in den Bundestag eingebrachte Entwurf ist keine Reform. Er fällt nicht nur hinter den Koalitionsvertrag zurück, sondern verschärft auch geltendes Recht.

Die für Erwachsene mit längerem Aufenthalt vorgesehene Regelung schließt faktisch die erste Generation aus. Dadurch, daß die Mehrstaatigkeit bei Gegenseitigkeit nur für EU-Bürger vorgesehen ist, werden insbesondere Menschen aus der Türkei aus-geschlossen

Das sog. ‚Optionsmodell‘ für Kinder fördert nicht die Integration, weil es die Kinder bzw. Jugendlichen jahrelang unter Druck setzen wird, sich zu einem Zeitpunkt für eine ihrer Identitätsteile entscheiden zu müssen.

Beide Regelungen zusammen sind integrationsfeindlich: sie treiben einen Keil in die Familien, da sie Enkelkindern einen Weg in die deutsche Staatsbürgerschaft öffnen, während sie dies den Großeltern und Eltern versperren.

Für jeden, der sich mit den Menschen unterhält, wird jetzt schon klar, daß aus der Türkei stammende Angehörige der ersten und zweiten Generation sich unter diesen Bedingungen kaum einbürgern lassen werden.

Die ganze Neuregelung für die erste und zweite Generation läuft faktisch auf eine Ausgrenzung der Menschen aus der Türkei hinaus: Die bislang bestehende Rege-lung, nach der es möglich war, die türkische Staatsangehörigkeit nach dem Eintritt in die deutsche Staatsangehörigkeit erneut zu erwerben, wird gestrichen (ein Schritt, den sogar die Kohl-Regierung nicht gewagt und deshalb die Türkei unter Druck ge-setzt hatte, diesen Ausweg nicht zuzulassen). Die neu geschaffene Möglichkeit, bei Gegenseitigkeit die alte Staatsangehörigkeit zu behalten, wird auf EU-Bürger be-schränkt.

Der TGD kritisiert scharf das Verhalten der Bundestagsfraktionen, die es abgelehnt haben, die TGD zu der Anhörung im Innenausschuß des Bundestages einzuladen.

Die Fraktion von Bündnis 90/Die Grünen lehnte dies mit der Begründung ab, die TGD würde zu scharfe Kritik am Entwurf üben.

Die SPD-Bundestagsfraktion ging noch einen Schritt weiter. Der bereits eingeladene Geschäftsführer des Türkischen Bundes in Berlin-Brandenburg (Mitglied des TGD), wurde wegen seiner öffentlichen Kritik am Entwurf wieder ausgeladen.

Die Koalitionsfraktionen wollen wohl ihre Scheinreform an den Betroffenen vorbei und gegen ihre berechtigten Interessen durchsetzen. Daß sich die Fraktionsführung der Bündnisgrünen und ihr innenpolitischer Sprecher Özdemir seit Wochen nicht in der Lage sehen, der TGD einen Gesprächstermin anzubieten und ansonsten auch die Betroffenen nicht konsultieren, zeigt, wieweit es mit der sonst so gerühmten Ba-sisnähe her ist.

Die TGD richtet ihren Appell auch diejenigen Mandatsträger mit Migrationshin-tergrund, die für SPD oder Bündnisgrüne im Bundestag bzw. in den Landes- und Kommunalparlamenten sitzen: ‚Sie sind überwiegend in diesen Positionen, weil ihre Eltern sich für dieses Land geschunden haben. Sie selber kokettieren zwar gern mit ihrem eigenen Migrationshintergrund, vergessen aber jetzt, sich für die Elterngenera-tion einzusetzen. Sie sind entweder stumm oder verteidigen diese Scheinreform gar. Dieses Verhalten empfinden wir als unerträglich. An dieser Stelle sei ihnen ins Stammbuch geschrieben, daß eine

’nicht-deutsche Herkunft‘ allein noch keine Qualifikation darstellt. Wir fordern die Bundesregierung und die sie tragenden Parteien auf, diese einseitige Ausgrenzung der ersten und zweiten Generation, insbesondere der Menschen aus der Türkei, zu korrigieren, indem die Mehrstaatigkeit auf Gegenseitigkeit nicht nur bei EU-Bürgern, sondern bei allen Einbürgerungsbewerbern hingenommen wird.