Berlin wg. Solingen

10. Jahrestag des Brandanschlags von Solingen. Gespräch mit dem Bundestagspräsidenten, Wolfgang Thierse

Anläßlich eines Meinungsaustauschs mit dem Bundestagspräsidenten, Wolfgang Thierse zum 10. Jahrestag des Brandanschlages von Solingen erklärte die Türkische Gemeinde in Deutschland, Dachverband türkischer Vereine und Verbände, daß dieser Anschlag nicht die erste fremdenfeindliche Gewalttat mit Todesfolge, leider auch nicht die letzte geblieben sei.

Aller Betroffenheit, allen Protesten und Lichterketten zum Trotz sei die Bundesrepublik Orte latenter, fremdenfeindlicher Gewalt. Jüdische Einrichtungen bekämen Schmähbriefe nunmehr mit offener Absenderangabe. Rechtsextremistische Parteien ziehen in Landtage oder scheitern um Prozentpunkte. Die etablierten Parteien, manche ihrer Politiker, schielen unverblümt offen auf dieses Wählerpotential. Sie übernähmen die Stammtischparolen der Rechtsextremen.

Die Türkische Gemeinde in Deutschland (TGD) warne davor, die Fragen der Migration und der sogenannten Ausländerkriminalität so hochzuspielen wie 1991 die Asyldiskussion. ‚Sie war es schließlich, die den Geist, den wir heute zu beklagen haben, aus der Flasche ließ‘, so der stellvertretende Bundesvorsitzende Kenan Kolat.

Diejenigen, die diese Ausgrenzungspolitik betreiben, wundern sich und beschweren sich darüber, daß die Minderheiten auf ihre Ausgrenzung zum Teil mit Selbstabkapselung reagieren. In dieser Frage sei eine radikale Umorientierung in Richtung Anerkennung und Gleichberechtigung dringend notwendig.

Die Vorbehalte gegen Menschen nichtdeutscher Herkunft nähmen zu, sie rücken von Rechtsaußen in die Mitte der Gesellschaft. Natürlich werden die wirtschaftlichen und sozialen Umstände, in denen so etwas wächst, nicht verkannt. Solche Tendenzen und Ideologien aber bergen die Gefahr, sich zu verselbständigen. ‚Tritt man ihnen nicht rechtzeitig und entschlossen entgegen, setzen sie sich fest und leben weiter, auch wenn sich die wirtschaftlichen und sozialen Umstände verbessert haben‘, so Kolat.

Die Umsetzung der Anti-Diskriminierungsrichtlinie der EU lasse sich immer noch auf sich warten. Dies sei unverantwortlich, so die TGD.

Die TGD könne nur hoffen, daß endlich Einsicht in unsere Republik einkehre.