Es darf daran keinen Zweifel geben, daß das Grundrecht ' Freiheit des Glaubens' und der 'ungestörten Religionsausübung' selbstverständlich auch für die Muslime gilt. Übrigens auch für den Religionsunterricht in den Schulen.
Im Unterschied zu Deutschland ist der Islam in der Türkei keine eigenständige religiöse Institution, die Steuern erheben und die Lehrpläne des Religionsunterrichts mitbestimmen darf. Dies ist ausschließlich das Hoheitsrecht und die Aufgabe des laizistischen Staates. Die Lehrpläne, auch des Religionsunterrichts obliegen allein und einzig dem Ministerium für Erziehung und Bildung. Das dies so ist und so sein sollte, hat seinen Grund. Die evangelische oder katholische Kirche in Deutschland oder anderswo in der Welt erheben nicht den Anspruch, das politische Leben, das Staats- und Gesellschaftswesen nach eigenen religiösen Vorstellungen zu formen und zu bestimmen.
Die Religionsgemeinschaften in den islamischen Ländern, und die staatlich nicht anerkannten in der Türkei und unter den Türken in Deutschland erheben aber eben diesen Totalitätsanspruch. Es gibt viele selbsternannte Religiosgemeinschaften (nicht nur die im Islam anerkannten fünf Konfessionen), die nicht selten fundamentalistisch extreme Eigeninterpretationen des Islam haben. Sie verfolgen primär politische Ziele. Ihre Organisatiosstrukturen und Formen sind höchst selten demokratisch. Sie gelten oft als Sekten im Islam und werden in der Türkei nicht als legale Gemeinschaften anerkannt.
Die religiöse Bedürfnisse der Deutschlandtürken wurden durch ‚das Amt für religiöse Angelegenheiten der Republik Türkei‘, welches für Religionsfragen zuständig ist, nicht rechtzeitig erkannt und bis zu den letzten Jahren genügend wahrgenommen. Das vorhandene Vakuum in Deutschland wurde in den letzten zwei Jahrzehnten von diesen selbsternannten islamischen Religionsgemeinschaften meist mit fundamentalistischer Ausrichtung und politischer Zielsetzung gefüllt. Ihnen die öffentlich-rechtliche Repräsentanz für die Muslime zu geben, wäre der größte und folgenschwerste Fehler. Deshalb fordern wir für die Kinder muslimischen Glaubens den Religionsunterricht in den Schulen unter der Verantwortung der Schulbehörde. Die Ausarbeitung der Lehrinhalte und -pläne des Religionsunterrichts, sowie die Fort- und Weiterbildung der Lehrkräfte sollte mit den deutschen Schulbehörden der Länder in Zusammenarbeit mit dem Ministerium für Erziehung und Bildung der Republik Türkei erfolgen.
Die türkische Gemeinde in Deutschland ist gern bereit hierbei ihren Beitrag zu leisten.
Prof. Dr. Hakký Keskin ( Politikwissenschaftler, Bundesvorsitzender der Türkischen Gemeinde in Deutschland )