Der bei den laufenden Koalitionsverhandlungen erzielte Kompromiß zwischen der CDU/CSU auf der einer sowie der FDP auf der anderen Seite hat mit der bislang vor allem von der FDP vertretenen Position absolut nichts mehr zu tun.
Einmal mehr hat sich die FDP in dieser Frage von den Unionsparteien ‚über den Tisch ziehen lassen‘ und somit ihr liberales Profil gänzlich geopfert.
Mit diesem ‚Kompromiß‘ wird überdies versucht, die Öffentlichkeit dahingehend zu täuschen, als werde eine erleichterte Einbürgerung teilweise unter Hinnahme ei-ner doppelten Staatsbürgerschaft eingeführt.
In Wirklichkeit handelt es sich lediglich um die Kinder der Einwanderer, die zum Teil selbst in Deutschland geboren sind. Nur Angehörige dieser 3. Generation sollen zunächst eine deutsche ‚Baby-Staatsbürgerschaft‘ erhalten, mit deutlich einge-schränkten Rechten, um sich dann mit 18 Jahren für die deutsche oder die Staats-angehörigkeit des Herkunftslandes der Großeltern entscheiden zu dürfen.
Dieser sogenannte Kompromiß ist für die Einwandererbevölkerung eine bittere Enttäuschung. Nach den Verlautbarungen führender FDP-Politiker gingen wir davon aus, daß der liberale Koalitionspartner endlich für einen Durchbruch bei der erleich-terten Einbürgerung unter Hinnahme einer Doppelstaatsbürgerschaft sorgen würde, was sich nun als Trugschluß erwies. Die nun angeblich erzielte Erleichterung bei der Einbürgerung wird aber nichts daran ändern, daß die 7 Millionen Nichtdeutschen weiterhin als Ausländer mit minderen Rechten in diesem Lande leben werden.
Die Einwandererbevölkerung wird sich außerdem nicht nach Eltern und Kindern auseinanderdividieren lassen, sich mit dieser ‚Pseudolösung‘ nicht zufrieden ge-ben. Ohne eine klare Neuordnung des Staatsbürgerschaftsrechts, welches den Er-werb der deutschen Staatsbürgerschaft ohne die erzwungene Aufgabe der bisheri-gen gewährt, wird es keine tragfähige Lösung des Problems geben können. Die Einwandererbevölkerung wird diese andauernde Diskriminierung, in Deutschland weiterhin mit minderen Rechten leben zu müssen, nicht mehr lange hinnehmen.
Wir fordern die Oppositionsparteien SPD und Bündnis 90/Die Grünen auf, mit ei-ner gemeinsamen Gesetzesinitiative darauf hinzuwirken, daß auch in Deutschland eine tatsächliche Erleichterung bei der Einbürgerung endlich möglich wird.
Prof.Dr. Hakký Keskin