Einwanderer als Unbeteiligte Zuschauer

Rund 8% der Bevölkerung Deutschlands, 27% von Frankfurt und 15% von Hamburg werden morgen nicht wählen dürfen. Inmitten dieser Gesellschaft den Wahlkampf zwar mitzuerleben, dem gan-zen Geschehen aber als unbeteiligter Zuschauer gegenüberstehen zu müssen, ist schon ein merkwürdiges Gefühl. Es geht dabei schließlich um Menschen, Einwanderer, die seit Jahrzehnten dau-erhaft in Deutschland leben sowie ihre bereits hier geborenen und inzwischen volljährigen Kinder. Sie alle erfüllen ihre Bürgerpflichten, machen die körperlich schwierigsten und belastendsten Arbeiten, zahlen ihre Steuern, Sozial- und Rentenbeiträge. Aber sie besitzen keine politischen Rechte, weil sie zum Ausländerdasein verurteilt werden.

Die Unionsparteien riefen 1988 sofort das Bundesverfassungsge-richt an, als in Hamburg und Schleswig-Holstein das kommunale Wahlrecht verabschiedet wurde. Nach dem Urteil dieses Gerichts vom November 1990 dürfen nur deutsche Staatsbürger wählen, es bestätigte somit die Auffassung der CDU/CSU. Nun müßte entwe-der das Grundgesetz geändert oder eine radikal erleichterte Ein-bürgerung unter Hinnahme der Doppelstaatsbürgerschaft eingeführt werden, damit die sogenannten ‚Ausländer‘ endlich nach den Pflichten auch Bürgerrechte erwerben.

Als es um die Änderung des Asylrechts ging oder vor allem, als nach dem Vertrag von Maastrich allen Bürgern der Europäischen Union das Wahlrecht auf kommunaler Ebene und für die Europa-wahlen gewährt werden mußte, wurde das Grundgesetz geändert. Hierbei hätte das kommunale Wahlrecht für alle Einwanderer, die bestimmte Voraussetzungen erfüllen, eingeführt werden können. Nur die Unionsparteien verweigerten einer solchen Änderung des Grundgesetzes ihre Stimme.

Nun blieb nur noch die Möglichkeit, das in wesentlichen Teilen aus dem Jahre 1913 stammende Staatsangehörigkeitsrecht grundle-gend zu reformieren, um der Einwandererbevölkerung ohne riesige Barrieren zu ermöglichen, die deutsche Staatsbürgerschaft zu er-werben. Ein entsprechender Gesetzentwurf der SPD wurde im Bundestag erneut von den Unionsparteien blockiert. CDU und CSU scheinen entschlossen zu sein, rund 7 Millionen Einwohner, die in diesem Lande ohne deutsche Staatsbürgerschaft leben, von politi-schen Rechten fernzuhalten und damit eine Zweiklassengesell-schaft nach Abstammung oder Herkunft festschreiben zu wollen. Diese Abschottungspolitik ist ganz wesentlich für die zunehmende Gewalt, für Rassismus und Antisemitismus in Deutschland verant-wortlich. Es ist augenfällig, daß die im Parlament vertretenen Par-teien bei diesem Wahlkampf die berechtigten Anliegen der Einwan-dererbevölkerung kaum noch erwähnen. Vielleicht sollten sich die Einwanderer sogar freuen, daß sie zumindest dieses Mal von den Unionsparteien nicht zum Sündenbock für das Versagen der Bun-desregierung bei Arbeitslosigkeit, Armut und Wohnungsnot ge-macht werden!

Wie lange noch kann sich Deutschland dieses Apartheitssystem europäischen Zuschnitts leisten?