Das Paderborner Gericht hält das Brüllen von Parolen wie 'Ausländer raus!' nicht für Volksverhetzung und sieht darin keinen Angriff auf die Menschenwürde der damit konfrontierten ausländischen Heimbewoh-ner. Mit dieser Begründung wurde die Entscheidung des Schöffengerichts Höxter aufgehoben, nach der die Angeklagten wegen Volksverhetzung zu Geldstrafen von bis zu DM 9.000,-- verurteilt worden waren.
Die drei angeklagten Rechtsexstremisten waren im westfälischen Bad Driburg mit rund dreißig Gesin-nungsgenossen vor ein Ausländerheim gezogen und hatten ‚Ausländer raus!‘ und ähnliche Parolen skan-diert.
Dieses Urteil ist skandalös. Es kann und wird eine große Ermutigung für alle Rechtsradikalen sein, die alltäglich Ausländer und Flüchtlinge mit ähnlichen Parolen in ihrer Würde tief verletzen. Folgt man dem Gericht darin, in derartigen Hetzparolen lediglich Meinungsäußerungen zu sehen, so leistet man Ereignis-sen wie denen von Mölln und Solingen Vorschub. Auch der Reichsprogromnacht 1938 ging zunächst ’nur‘ das skandieren rassistischer Parolen voraus.
Urteile wie dieses zeigen die dringende Notwendigkeit eines Antisiskriminierungsgesetzes endlich auch für Deutschland, wie es viele unserer Nachbarstaaten längst besitzen, auch wenn Richter, die Urteile wie dieses fällen, nicht müde werden zu erklären, daß wir kein Antidiskriminierungsgesetz bräuchten, da die bestehenden Gesetze ausreichend seien.. Es muß rechtlich ganz eindeutig geklärt sein, daß solche Beschimpfungen nicht ungestraft bleiben. Die Justiz darf mit derartig unverschämten Entscheidungen den Neonazis keine Einladung zu ihrer rassistischen Politik anbieten. Vielmehr muß das Gesetz eindeutig ab-schreckend wirken.
Angesichts der eskalierenden Gewalt und der Zunahme rechtsradikaler Aktivitäten in den letzten Jah-ren ist es unerläßlich, den Neonazis mit strafrechtlichen Mitteln ihre Grenzen aufzuzeigen. Ein Antidiskrimi-nierungsgesetz wird auch verhindern helfen, daß Richter entsprechend ihrer politischen Überzeugung sol-che beschämenden Urteile fällen dürfen.
Natürlich sind es nicht nur Richter, die sich durch ihre Urteile zu Erfüllungsgehilfen von Rassisten und Rechtsradikalen machen. In dieses Bild paßt es, daß der frühere bayerische Ministerpräsident Max Streibl, CSU, mit Republikaner-Chef Schönhuber zu einem ‚privaten Meinungsaustausch‘ zusammenkommt. Treffen wie dieses werten in unerträglicher Weise die gesamte rechtsradikale Szene auf. Es zeigt sich deut-lich, wie recht der Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, Ignatz Bubis, hatte, als er auf die Notwendigkeit eines Fairneßabkommens zwischen den demokratischen Parteien im Superwahljahr 1994 hinwies. Einige Politiker werden sonst, wie jetzt Herr Streibel, Gefahr laufen, mit wohlfeilen populistischen Slogans Wählerstimmen von den ›Schönhuber-Parteien‹ auf Kosten der Ausländer zurückgewinnen zu wollen.
Prof.Dr. Hakki Keskin (Sprecher)