Gestern hat die EU-Kommission ihren diesjährigen Bericht zur Erweiterung der EU veröffentlicht. Gelobt wird hierbei die Entwicklung in Kroatien, die, wenn das Reformtempo anhält, zu einem Beitritt im Jahr 2010 führen könne.
Vorausgesetzt, Kroatien schafft es, bis dahin die organisierte Kriminalität im Land erfolgreich zu bekämpfen.
Serbien wird seitens EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn erneut ermahnt, entschlossener mit dem UN-Kriegsverbrechertribunal zusammenzuarbeiten. Die Kriegsverbrecher Ratko Mladic und Goran Hadzic sind in Serbien nach wie vor auf freiem Fuß. Die positiven Entwicklungen in den Balkanstaaten sind zu begrüßen. Was nicht heißt, dass die EU die Augen vor vorhandenen Mängeln verschließen darf. Die Aufgaben, die Kroatien noch zu bewältigen hat, müssen ernst genommen werden. Ein übereilter Beitritt Kroatiens könnte zu einer Stagnation in den Entwicklungen führen. Am Beispiel Bulgariens und Rumäniens und ihrem Umgang mit Minderheiten haben wir dies erlebt. Wie auch seitens der Kommission immer wieder festgestellt wird, ist die Situation der Roma in diesen neuen EU-Mitgliedstaaten nach wie vor mit Mängeln und Problemen behaftet.
Im Hinblick auf die Türkei weist der Bericht zunächst auf die wichtige strategische Rolle der Türkei hin. Ihre Vermittlerrolle während des Kaukasus-Krieges im August dieses Jahres und die Bemühungen der Türkei im Nahost-Konflikt werden positiv bewertet. Andererseits wird der Beitrittskandidat für ein stark verlangsamtes Reformtempo im Bereich Innenpolitik kritisiert. Der Regierung Erdoğan wird eine Reihe von Defiziten insbesondere in Bezug auf Frauen- und Minderheitenrechte attestiert. Auch müsse die AKP-Führung Einschränkungen der Presse- und Meinungsfreiheit beseitigen.
Gleichzeitig begrüßt die EU-Kommission die Stärkung nicht-muslimischer Religionsgemeinschaften, die die Türkei durch Änderungen der Gesetzgebung erzielt habe. Auch wird die Aufstockung der Mittel für das Südostanatolien-Projekt, welches die sozialen und wirtschaftlichen Probleme im Südosten des Landes zu mindern bezwecke, positiv bewertet. Der Bericht weist zudem darauf hin, dass ‚die Türkei weiterhin unter Terroranschlägen der PKK litt (…)‘.
Die Regierung Erdoğan muss ihrer Verantwortung gerecht werden und gegen die ‚Ehrenmorde‘ an Frauen entschieden vorgehen. Den Missbrauch von Minderjährigen mit geringen Haftstrafen zu ahnden, verbessert die Situation der Frauen in der Türkei mit Sicherheit nicht!
Die Regierung Erdoğan versucht wichtige demokratische Institutionen wie Presse, Justiz, Bildungs- und Hochschulwesen immer stärker unter ihre eigene Kontrolle zu bringen. Hält diese Politik an, bedeutet dies einen besorgniserregenden Rückgang im Demokratisierungsprozess der Türkei.
Hakkı Keskin