Im aktuellen Falle des offen ausländerfeindlichen neuen Einwanderungsgesetzes Italiens, das sogar vom Vatikan scharf kritisiert wird, zeigt sich der menschenfeindliche Kern der europäischen Asyl- und Flüchtlingspolitik.
Höchstens als billige Arbeitskräfte besaßen die vor allem aus Afrika stammenden Menschen eine Daseinsberechtigung in Europa. Mit der sich verschärfenden Wirtschaftslage verschwindet nun auch diese. So werden die Flüchtlinge in Italien nunmehr den rassistischen Bürgerwehren ausgesetzt oder dem lybischen Autokraten Gaddafi, mit dem Italien ein Abkommen zur Flüchtlingsabwehr im Mittelmeer geschlossen hat, preisgegeben. Oder man überlässt sie gleich den Fluten des Mittelmeeres.
In den vergangenen Jahren kamen mehr als 11.000 Menschen beim Versuch ums Leben, nach Europa zu gelangen! Eine Initiative von mir in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates wurde von zahlreichen Abgeordneten unterschiedlicher Fraktionen unterstützt. Daraufhin wurde im Juni 2009 beschlossen, eine gründliche Untersuchung zur humanitären Lage an den Außengrenzen der EU und Europas zu erstellen. Lösungsvorschläge sollen erarbeitet werden. Das Hauptaugenmerk dieses Berichts soll auf der Lage am Mittelmeer und den europäischen ‚Boatpeople‘ liegen.
Der Entschluss des Europarates, sich dieses drängendsten humanitären Problems der Gegenwart anzunehmen ist sehr zu begrüßen, auch wenn er um Jahre zu spät erfolgt. Immer wieder wurde in den vergangenen Jahren von Organisationen, Verbänden und Einzelpersonen auf das unermessliche menschliche Leid im Mittelmeer hingewiesen. Die nationalen Regierungen Europas tragen einen erheblichen Teil der Schuld an der Katastrophe an ihren Außengrenzen, die sie Tag für Tag hinnehmen, ja durch ihre Abschottungspolitik mit Militär und Überwachung selber geradezu schüren.
Der Berichterstatter des Europarates, Herr Tejera, sollte mit seinem Bericht und einer darauf folgenden Entschließung des Europarates dazu beitragen, die europäischen Regierungen hin zu einer wahrhaft humanitären Flüchtlings- und Einwanderungspolitik zu drängen. Hierzu gehört ganz entscheidend, dass keine weitere Abschottung an den Grenzen vorgenommen wird, die die Fluchtrouten immer riskanter und damit lebensgefährlich macht!
Insbesondere für Italien, ein Land mit Jahrhunderte alter Tradition von Auswanderung, ist dieses neue Gesetz eine Katastrophe. Italien muss für seine menschenfeindliche Ausländerpolitik international geächtet werden! Der offene Bruch mit den humanitären Traditionen Europas darf nicht folgenlos bleiben! Dem italienischen Bekenntnis zur Bekämpfung von Flüchtlingen muss ein Kampf gegen Fluchtursachen und die Liberalisierung der europäischen Asylgesetze entgegen gesetzt werden.
Hakkı Keskin