Frage an die Bundesregierung in der Fragestunde

Sanktionsverschärfungen beim Zuwanderungs- und Aufenthaltsrecht

1. Wie beurteilt die Bundesregierung die Auswirkungen der geplanten Sanktionsverschärfungen beim Zuwanderungs- und Aufenthaltsrecht auf den Integrationserfolg der in der Bundesrepublik lebenden Migranten (Vgl. Gemeinsame Presseerklärung von Interkulturellem Rat, PRO ASYL und DGB, www.proasyl.de/fileadmin/proasyl/fm_redakteure/Archiv/Stellungnahmen/Stellungnahme-AEnderungsgesetz-260207.pdf)?

2. Was genau versteht die Bundesregierung unter einem ‚besonders integrationsfeindlichen Charakter‘ und einem ‚verwerflichen Verhalten‘, mit denen sie in ihrem Gesetzentwurf zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher EU-Richtlinien ihre Sanktionsverschärfungen begründet (Vgl. TAZ v. 27.02.2007, S. 7)?


aus dem Protokoll der Fragestunde, Deutscher Bundestag – 16. Wahlperiode – 84. Sitzung. Berlin, Mittwoch, den 7. März 2007:


Peter Altmaier , Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Frau Präsidentin, ich würde die Fragen 1 und 2 gerne gemeinsam beantworten.

Vizepräsidentin Petra Pau: Dann rufe ich zusätzlich die Frage 2 des Kollegen Keskin auf: Was genau versteht die Bundesregierung unter einem „besonders integrationsfeindlichen Charakter“ und einem „verwerflichen Verhalten“, mit denen sie in ihrem Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher EURichtlinien ihre Sanktionsverschärfungen begründet (vergleiche „taz“ vom 27. Februar 2007, Seite 7)?

Peter Altmaier, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege Keskin, Ihre Fragen 1 und 2 beziehen sich auf Regelungen im Entwurf eines Gesetzes zur Umsetzung von insgesamt elf aufenthalts- und asylrechtlichen Richtlinien der Europäischen Union. Sie wissen, dass sich dieser Entwurf derzeit in der abschließenden Ressortabstimmung befindet und dass es guter Brauch ist, dass die Bundesregierung zum Inhalt solcher Gesetze erst dann Stellung nimmt, wenn sie von der Bundesregierung auch beschlossen worden sind. Unabhängig davon kann ich Ihnen aber sagen, dass alle Maßnahmen der Bundesregierung im Bereich des Ausländer- und Aufenthaltsrechts selbstverständlich darauf abzielen, den Integrationserfolg der hier in Deutschland lebenden Migrantinnen und Migranten zu verbessern.

Vizepräsidentin Petra Pau: Herr Keskin, da das die Beantwortung der Fragen 1 und 2 im Zusammenhang war, haben Sie die Möglichkeit zu insgesamt vier Nachfragen. Bitte.

Dr. Hakki Keskin (DIE LINKE): Herr Staatssekretär Altmaier, vielen Dank für Ihre Antwort, ich möchte das aber noch genauer wissen. Meine erste Zusatzfrage: Beim Ehegattennachzug wird verlangt, dass der Partner noch vor seiner Einreise in die Bundesrepublik Deutschland Deutschkenntnisse nachweist. Manche der Ehegatten werden diese Möglichkeit nicht haben, weil sie aus Gebieten kommen, in denen sie diese Deutschkenntnisse gar nicht erst erwerben können. Meinen Sie nicht, dass hierdurch Ehe und Familie, die als Grundrecht geschützt sind, tangiert werden? Meine zweite Zusatzfrage: Worin sieht die Bundesregierung eigentlich die aktuelle Notwendigkeit, die bestehenden aufenthalts- und asylrechtlichen Regelungen zu verschärfen? Ich rede von „verschärfen“ und kann mich dabei auf gesellschaftspolitisch wichtige Verbände wie Pro Asyl, DGB, TGD, Interkultureller Rat usw. beziehen. Danke sehr.

Vizepräsidentin Petra Pau: Das waren also die ersten zwei Nachfragen. Bitte.

Peter Altmaier, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Vielen Dank, Frau Präsidentin. – Zu der Frage des Nachweises der Deutschkenntnisse vor dem Ehegattennachzug. Es handelt sich dabei um ein Problem, das sehr breit diskutiert worden ist. Es gibt Staaten in der Europäischen Union, wie beispielsweise die Niederlande, die bereits seit längerer Zeit eine entsprechende Regelung kennen und damit gute Erfahrungen gemacht haben. (Irmingard Schewe-Gerigk [BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN]: Das einzige Land!) Ich kann Ihnen auch versichern, dass die von Ihnen angesprochenen grundrechtlichen Fragen einer ausgiebigen und intensiven Prüfung unterzogen worden sind. Die zweite Frage bezieht sich darauf, ob einzelne Vorschriften im Referentenentwurf Verschärfungen mit sich bringen. Sie wissen, dass es eine sehr subjektive Einschätzung ist, ob etwas als Verschärfung angesehen wird. Wir haben uns darauf konzentriert, die elf Richtlinien der Europäischen Union umzusetzen und gleichzeitig dafür zu sorgen, dass die Integrationsvoraussetzungen verbessert werden. Das ist in den letzten Monaten zwischen den Koalitionsparteien diskutiert worden. Das Ergebnis ist den Verbänden, die beteiligt worden sind, mitgeteilt worden. Die Reaktionen auf einzelne Vorschriften sind bei der Beteiligung einer großen Anzahl von Verbänden naturgemäß in einzelnen Fällen positiver als in anderen.

Vizepräsidentin Petra Pau: Sie haben die Möglichkeit zu zwei weiteren Nachfragen. Bitte.

Dr. Hakki Keskin (DIE LINKE): Herr Staatssekretär Altmaier, ich möchte meine erste Frage konkretisieren. Stellen Sie sich ein Ehepaar vor: Einer der Ehegatten will nachziehen, kann dies aber nicht, weil ihre oder seine Deutschkenntnisse nicht ausreichen. Wie soll dann die Ehe, die schließlich vom Grundgesetz geschützt ist, fortbestehen? Auf diese Weise kann das Zusammenkommen der Familie ad acta gelegt werden.

Peter Altmaier, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister des Innern: Herr Kollege Keskin, entscheidend kommt es darauf an, ob die Möglichkeit besteht, Deutschkenntnisse zu erwerben. Der Sinn dieser Vorschrift besteht darin, denjenigen, die hierherziehen, die Integration in die Lebenswirklichkeit in unserem Land zu erleichtern. Man muss zwischen der Gesetzesregelung und der administrativen Umsetzung eines solchen Gesetzes unterscheiden. Das Beispiel der Niederlande zeigt meines Erachtens in nachvollziehbarer Form, dass es den betroffenen Ehegatten durch Kooperation mit ihren Herkunftsländern, entsprechende Maßnahmen etwa von Sprachinstituten und die Nutzung moderner technischer Möglichkeiten wie Presse, Funk und Fernsehen und des Internets ermöglicht werden kann, vor dem Nachzugnach Deutschland die erforderlichen Sprachkenntnisse zu erwerben.‘