Fragen für die Fragestunde der 36. Sitzung des Deutschen Bundestages am Freitag, dem 19. Mai 2006
Frage
Dr. Hakki Keskin (DIE LINKE.)
Wie gedenkt die Bundesregierung in dem angekündigten Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz hinsichtlich der Beweispflicht sicherzustellen, dass durch die Anzeige einer erfahrenen Diskriminierung der/die Betroffene keine beruflichen und/oder persönlichen Nachteile zu befürchten hat?
Antwort
Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Arbeit und Soziales
Werter Kollege Dr. Keskin, nach § 13 Abs. 1 des Entwurfs eines Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes steht den Beschäftigten, die sich benachteiligt fühlen, die Möglichkeit offen, sich bei den zuständigen Stellen des Betriebes, des Unternehmens oder der Dienststelle zu beschweren. Darüber hinaus kann auch der Rechtsweg beschritten werden.
Um Ihre Frage zu beantworten: Es gibt das Maßregelungsverbot. In § 16 Abs. 1 dieses Gesetzentwurfs heißt es: Der Arbeitgeber darf Beschäftigte nicht wegen der Inanspruchnahme von Rechten nach diesem Abschnitt oder wegen der Weigerung, eine gegen diesen Abschnitt verstoßende Anweisung auszuführen, benachteiligen. Gleiches gilt für Personen, die den Beschäftigten hierbei unterstützen oder als Zeuginnen oder Zeugen aussagen.
Bei einem Verstoß des Arbeitgebers gegen dieses gerade dargelegte Maßregelungsverbot nach § 16 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz können sich die Beschäftigten sowie Zeuginnen oder Zeugen gerichtlich zur Wehr setzen. In diesem Verfahren findet dann die Regelung über die Beweislastverteilung nach § 22 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes entsprechende Anwendung.
Zusatzfrage
Dr. Hakki Keskin (DIE LINKE.)
Herr Staatssekretär, die Erfahrungen in einigen Ländern, beispielsweise in Schweden und in Großbritannien, zeigen: Wenn die Beweislast nicht bei dem Beschuldigten, sondern bei dem Betroffenen liegt, dann gibt es erhebliche Hemmschwellen bei den Betroffenen, gegen ihre Diskriminierung vorzugehen. Meinen Sie daher nicht, dass die Beweislast bei den Beschuldigten liegen müsste?
Antwort
Franz Thönnes, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Arbeit und Soziales
Nein, ganz im Gegenteil, Herr Dr. Keskin. Ich glaube, dass die geplante Regelung eine Erleichterung ist; denn damit wird an die Erfahrungen angeknüpft, die wir bereits mit § 611 a Abs. 1 Satz 3 des Bürgerlichen Gesetzbuches gemacht haben. Dementsprechend muss der Betroffene Tatsachen glaubhaft machen, die eine Benachteiligung wegen eines Diskriminierungsmerkmals vermuten lassen. Dann trägt die andere Partei die Beweislast dafür, dass keine ungerechtfertigte Benachteiligung vorliegt. Wir leben also bereits mit vergleichbaren Regelungen und haben genügend Erfahrungen gesammelt.
Da ich ein Stück weit den Hintergrund Ihrer Frage erkenne – es ist zulässig, in diesem Sinne nachzufragen -, will ich auf Folgendes verweisen: Wir alle fühlen uns sicherer, wenn wir uns klar machen, dass es ähnliche Regelungen bereits in anderen Rechtsbereichen gibt. Wie Sie aus Ihrer bisherigen Berufsbiografie wissen, gibt es solche Regelungen im Betriebsverfassungsgesetz. In § 84 Abs. 3 dieses Gesetzes ist geregelt, dass sich ein Arbeitnehmer, der sich vom Arbeitgeber benachteiligt oder ungerecht behandelt fühlt, beim Betriebsrat beschweren kann und dass ihm deswegen keine Nachteile entstehen dürfen.
Ein ähnliches Benachteiligungsverbot gibt es bei den Funktionsträgern der Betriebsverfassung, im Personalvertretungsrecht und im SGB IX, Schwerbehindertenrecht. Dieses Verbot ist also bereits Praxis. Die Erfahrungen, die wir damit gemacht haben, lassen es uns als zulässig erscheinen, für eine solche Regelung im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz zu sorgen. Es ist völlig klar, dass wir immer aufpassen müssen und dass der Betroffene im Zweifelsfall die Möglichkeit zu einer gerichtlichen Klärung haben muss.