Die Ortsvorsteher von drei kurdischen Dörfern erheben Anspruch auf den Boden, auf dem das Kloster Mor Gabriel steht. Das Kloster ist das geistliche Zentrum der syrisch-orthodoxen Christen in der Türkei. In Mor Gabriel leben etwa 75 Mönche, Nonnen, Lehrer sowie rund 30 Schüler, die in der aramäischen Sprache Turoyo unterrichtet werden.
Es ist richtig, dass der Streitfall nun vor Gericht ausgetragen wird. Die drei kurdischen Dörfer begründen ihren Enteignungsantrag mit wirtschaftlichen Interessen. Sie wollen Teile des Bodens als Weideland nutzen. Demgegenüber wurde das Kloster Mor Gabriel bereits im Jahr 397 gegründet, also lange bevor es in dem Gebiet kurdische Dörfer gab. Dieser Aspekt muss Berücksichtigung finden, zumal historische Bauten und Denkmäler in der Türkei von Gesetzes wegen unter besonderem Schutz stehen.
Darüber hinaus muss das verfassungsmäßige Recht der syrisch-aramäischen Christen auf Freiheit ihrer Religionsausübung beachtet werden. Ich begrüße in diesem Zusammenhang ausdrücklich, dass es in den letzten Jahren erfolgreiche Wiederaufbauprojekte von aramäischen Dörfern in der Region gegeben hat.
Die Türkei ist ein multikulturelles und multireligiöses Land, in dem die kulturellen Rechte aller Bevölkerungsgruppen zu wahren sind. Ich bin davon überzeugt, dass ein Interessenausgleich zwischen den Streitparteien möglich ist und das Kloster Mor Gabriel seine Rolle als das Zentrum geistlichen Lebens der syrisch-aramäischen Christen in der Türkei fortführen kann.
Prof. Dr. Hakkı Keskin