Mein Nachbar ist Deutscher – Kommunikation mit ausländischen Mietern und Mitgliedern

Erlauben Sie mir bitte einige allgemeine einleitende Bemerkungen zu machen.
Heute leben in Deutschland rund 7,3 Mio. Menschen ohne den deutschen Paß, das sind knapp 9 % der Gesamtbevölkerung Deutschlands. Die Deutschland-Türken machen mit rund 2,3 Mio. , 30 % der Nichtdeutschen Bevölkerung aus. Also mit Abstand die größte Einwanderergruppe.

Bekanntlich arbeiten und leben die meisten der Nichtdeutschen in den Industriegebieten und Großstätten. Ihr Anteil an der Wohnbevölkerung beträgt in:

Frankfurt/Main 30 % Stuttgart und München 24 % Ludwigshafen, Düsseldorf und Wiesbaden 20 % Duisburg, Augsburg, Saarbrücken und Hamburg 16 bis 18 % Hannover, Wuppertal, Gelsenkirchen und Berlin 13 bis 15 %.

Es gibt in diesen Großstätten wiederum die sogenannten Ballungsgebieten und Straßenzügen, in denen der Anteil der Migranten 30, 40 oder 50 % beträgt.

Die Anwerbung von ausländischen Arbeitskräften und der Nachzug ihrer Ehegatten und Kinder, aber auch die Flucht aus politischer und wirtschaftlicher Notlage, insbesondere aus dem Süden und Osten nach westlichen Industriestaaten hat die Bevölkerungszusammensetzung und Bevölkerungsstrukturen unumkehrbar geändert.

Deutschland und deutsche Städte sind, wie auch andere Länder und ihre Großstädte multikulturell geworden. Diese Lage ist also in Paris und Marse, in London und Birmingham nicht anders. Kulturelle Vielfalt ist eine Bereicherung und kann zu kulturellen, wirtschaftlichen, sozialen und sportlichen Reichtum des Landes ganz entscheidend beitragen. Die Politik und Gesellschaft muß diese neue Entwicklung als eine neue Chance und als Dauerraalität einsehen und akzeptieren.

Die kulturelle Vielfalt in Deutschland und anders wo bringt mit Sicherheit große Vorteile. Junge, dynamische, mobile Arbeitskräfte haben den raschen industriellen Aufschwung, Wiederaufbau Deutschlands und den Wohlstand entscheidend mitgeprägt.

Eine Forschungsarbeit über ‚Ökonomische und fiskalische Implikationen der Zuwanderung nach Deutschland‘ vom Rheinisch-Westfälischen Institut für Wirtschaftsforschung (RWI-Papiere, Nr.52, Februar 1998) belegt im einzelnen den beachtlichen positiven Beitrag der Einwanderer für Wirtschaft, Staat, Gesellschaft und für Steuer- und Sozialbeiträge (Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherungen).

Das Zusammenleben mit Menschen aus anderen Kulturen, also mit anderen Sprachen, Religionen und Lebensweisen bringt sicherlich auch Schwierigkeiten und Konflikte mit sich.

• Die Menschen aus den südlichen Regionen und vor allem aus ländlichen Gebieten kommunizieren wesentlich lauter, hören lauter Musik als ihre deutsche Nachbarn. Das Lautsein steigt um so mehr, wenn zahlreiche Besucher anwesend sind. • Die meisten Nichtdeutschen kochen mit scharfen und starken Gewürzen und essen mit Knoblauch, die nicht selten für die Nachbarschaft belästigend empfunden wird. • Das hängen von Wäschen auf den Balkonen wird von den deutschen Nachbarn als unschön empfunden. • Nicht selten stößt auch das Tragen von Kopftuch auf Kritik. • Eines der wesentlichen Probleme bei der Nachbarschaft der Deutschen und Migrantenfamilien ist meines Erachtens jedoch, die Schwierigkeiten bei der Kommunikation aus sprachlichen Gründen und daher das Fehlen der Kommunikation.

Viele Migranten der ersten Generation, haben die deutsche Sprache leider nicht ausreichend lernen können. Sie haben körperlich die schwersten Arbeiten, sehr oft verbunden mit Akkord-, Schicht- und Wochenendarbeit leisten müssen oder geleistet. Oft haben sie unter eigenen Landsleuten im Betrieb gearbeitet. Sie haben also nicht die Möglichkeit gehabt, Deutschkurse zu besuchen, um die Sprache zu lernen.

Schweden machte es den Unternehmen bei der Anwerbung zur Auflage, für jeden ausländischen Arbeitnehmern insgesamt 500 Unterrichtsstunden während der Arbeitszeit in den ersten drei Jahren zu ermöglichen. Der Staat zahlte die Lehrkräfte für den Sprachunterricht. Diese Möglichkeit wurde den sogenannten ‚Gastarbeitern‘ nicht gewährt.

Bekanntlich lernen die Spätaussiedler dank der vom Staat ermöglichten Sprachkurse ganz schnell die deutsche Sprache. Auch diese Möglichkeit haben die übrigen Migranten leider nicht.

Dazu kommt noch die unrealistische Annahme der Migranten, nach wenigen Jahren wieder zurückkehren zu wollen, so daß auch die eigene Motivation zum Erlernen der Sprache gering blieb. Nicht außer Acht darf gelassen werden auch, die Tatsache, daß ein Teil der angeworbenen Migranten nur geringe schulische Bildung hat, die auch das Erlernen einer Fremdsprache sehr erschwert.

Dies sollten wir wissen, damit wir verstehen, weshalb die Sprachkenntnisse besonders bei der ersten Einwanderergeneration sehr zu wünschen übrig lassen.

Deutsche Sprachkenntnisse sind aber die Grundvoraussetzung für das Kommuniziern mit den deutschen Nachbarn.

Die kulturellen Minderheiten bringen aber auch eine Reihe wichtige Eigenschaften mit, die für eine gute und gedeihliche Nachbarschaft von großem Vorteil sein können.

• Sie sind viel kommunikationsfreudiger als ihre deutsche Nachbarn. Gegenseitigen Besuchen wir große Bedeutung beigemessen.

• Der Nachbarschaft wird beispielsweise in der türkischen Kultur und im Islam eine wesentlich größere Bedeutung und Beachtung beigemessen. Sie soll stets gut, freundlich, hifsbereit und aufrichtig sein.

• Hilfe für ältere, bedürftige und einsame Nachbarn gehört zu den zentralen Elementen der türkischen Kultur.

Nicht selten höre ich beispielsweise von Türken, daß sie ihre deutschen Nachbarn zu sich einladen, aber dann keine Gegeneinladung folgt, was in der türkischen Kultur notwendig ist und als ein Affront und Desinteresse für weitere Kommunikation empfunden und verstanden wird. Die Migranten erwarten von ihren deutschen Nachbarn etwas mehr Toleranz bei ihrem anders sein und bei ihren unterschiedlichen Lebensweisen.

Hakkı Keskin