Vor zehn Jahren gründete sich das globalisierungskritische Bündnis Attac
Von Ruth Jung
‚Eine andere Welt ist möglich.‘ Unter diesem Motto trat im Juni 1998 eine neuartige Protestbewegung an die Öffentlichkeit: Attac. Als breites Bündnis in Paris gegründet, streitet die globalisierungskritische Bewegung heute weltweit für eine sozial und ökologisch ausgerichtete Globalisierung.
‚Diese Bewegung lag sozusagen in der Luft. Heute gibt es Attac-Gruppen in Japan, Lateinamerika und sogar in Australien. Wie heißt es doch so treffend auf Englisch: eine Idee, für die die Zeit reif war.‘
Susan George, Autorin und Globalisierungskritikerin. Die 73-jährige gebürtige Amerikanerin mit französischem Pass ist Politologin und Beraterin von Nicht-Regierungsorganisationen. In ihren Büchern beschäftigt sie sich seit langem mit den negativen Folgen der Globalisierung.
Susan George gehört zum Gründungskreis jener neuartigen Bewegung, die unter dem Kürzel Attac am 3. Juni 1998 in Paris ins Leben gerufen wurde und heute weltweit auftritt. Attac ist die Abkürzung für einen sperrigen Namen: Association pour une taxation des transactions financières pour l’aide aux citoyens, Vereinigung zur Besteuerung von Finanztransaktionen zum Nutzen der Bürger. Die Einführung der sogenannten Tobin-Steuer ist eine zentrale Attac-Forderung. Angefangen hat alles mit einem Zeitungsartikel, erinnert sich Susan George:
‚Ein Leitartikel des Herausgebers der Monatszeitung ‚Le Monde diplomatique‘, Ignacio Ramonet, war der Auslöser. Ramonet schlug vor, eine Organisation zu gründen, die gegen die Auswüchse dieser Finanzspekulationen ankämpfen sollte. Sein Artikel löste ein riesiges Echo aus, die Redaktion bekam viele hundert Leserbriefe.‘
Der unter dem Eindruck der Bankenkrise in Asien verfasste Leitartikel im Dezember 1997 endete mit einem flammenden Appell:
‚Will man verhindern, dass sich die Welt im 21. Jahrhundert endgültig in einen Dschungel verwandelt, in dem die Räuber den Ton angeben, dann wird der Widerstand gegen die Macht der Finanzmärkte zur ersten Bürgerpflicht.‘
Nach mehreren Vorgesprächen kamen am 3. Juni 1998 Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, Vertreter von Bürgerinitiativen, Umweltgruppen und Gewerkschaften zur offiziellen Gründungsversammlung zusammen: José Bové und seine alternative Bauerngewerkschaft Confédération paysannne waren ebenso dabei wie der Musiker Manu Chao. Attac versteht sich als breites Bündnis: überparteilich und offen für alle.
Die Idee hatte durchschlagenden Erfolg. Schon bald nach der offiziellen Gründung bildeten sich überall in Frankreich lokale Gruppen. Attac richtete einen ‚Wissenschaftlichen Beirat‘ ein, der eine Buchreihe herausgibt. Hier werden ökonomische und politische Sachfragen konkret und allgemeinverständlich dargestellt. Aufklärung und Aktion haben sich die französischen Attac-Erfinder auf die Fahnen geschrieben. Sich das Denken wieder aneignen, Globalisierung ist kein Schicksal, heißt die Devise. Von Anfang an ging es den Attac-Begründern um eine internationale Ausrichtung der Bewegung:
‚Die neoliberale Globalisierung erfolgt weltweit. Der Widerspruch, der ihr entgegenzusetzen ist, sowie die möglichen Alternativen dazu müssen ebenfalls weltweit ansetzen‘,
heißt es im Attac-Manifest. Seattle, Genua, Barcelona, Heiligendamm: Stationen Aufsehen erregender Attac-Aktionen. Am Pranger steht die Politik der reichen Industriestaaten, die weltweit zur Verschärfung der Gegensätze zwischen Arm und Reich und zu einem ökologischen Desaster führe, wie es heißt. Bei den seit 2001 jährlich stattfindenden Weltsozialforen, die Attac-Frankreich mitbegründet hat, diskutieren die Teilnehmer über Alternativen dazu.
In Deutschland wurde Attac im Jahr 2000 gegründet. Nach französischem Vorbild wurde auch hier ein ‚Wissenschaftlicher Beirat‘ eingerichtet, dem der Kölner Sozialwissenschaftler und Armutsforscher Christoph Butterwegge angehört. Attac, resümiert Christoph Butterwegge, habe die politische Landschaft verändert:
‚Ich verstehe Attac als die Bewegung gegen den Neoliberalismus, übrigens nicht die Bewegung gegen die Globalisierung, was mit so einem Begriff wie Globalisierungsgegner immer unterstellt wird. Attac ist ja gerade ein Beispiel für Globalisierung, nämlich einer alternativen Form. Und für mich ist Attac die Frontalopposition zu neoliberalem Gedankengut, und wenn mehr Menschen kritisch nachdenken, ob eine Entwicklung mehr Privat, mehr Markt und weniger Staat richtig ist, etwa bei der Bahn-Privatisierung, ob die Verschleuderung von Volksvermögen richtig sind, wenn das so viele Menschen bewegt, dann hat Attac ganz wesentlich dazu beigetragen in den letzten Jahren.‘