Rheinischer Merkur

'Wenn in den USA ein Teil der Einwanderer auch nach einigen Jahren noch nicht die US-amerikanische Staatsbürgerschaft angenommen hat, sind die Behörden darüber stark be-unruhigt. Sie wollen wissen, weshalb dies nicht geschehen ist, sehen doch die Amerikaner in der Einbürgerung den wichtigsten Schritt für die Integration in die Gesellschaft.' Keine andere Äußerung des namhaften amerikanischen Pro-fessors und Migrationsforschers Mark J. Miller hat mich so beeindruckt wie diese.

Die Unionsparteien hingegen beharren auf ei-ner ganz entgegengesetzten Einbürgerungspo-litik. Die Einbürgerung müsse am Ende des In-tegrationsprozesses stehen, sagen sie. Wie aber soll eine Integration überhaupt möglich sein, solange die Nichtdeutschen rechtlich, poli-tisch und sozial eine von Staat und Gesell-schaft abgeschottete und abgesonderte Positi-on einzunehmen gezwungen sind? Rund 7 Mil-lionen Menschen, die sogenannten ‚Ausländer‘, besitzen nach dem Ausländergesetz ei-nen Sonderstatus mit minderen Rechten, nicht einmal das kommunale Wahlrecht wird ihnen zugestanden. Angesichts dieser ungleichen Behandlung und dieser staatspolitisch verord-neten Diskriminierung ist die Integration in die deutsche Gesellschaft praktisch ausgeschlos-sen.

Die Einbürgerung und somit die Gleichbehand-lung vor dem Gesetz ist vielmehr die Voraus-setzung eines langen Integrationsprozesses. Entsprechend unglaubwürdig und absurd ist auch die skizzierte Einbürgerungsphilosophie der Unionsparteien. Deutschland kann am En-de des 20. Jahrhunderts nicht mehr an einem Staatsbürgerschaftsrecht von 1913 festhalten, das sich an einer ‚an rassischen Gesichtspunkten orientierten‘ Abstammung nach dem Blute richtet. Dies haben die übrigen im Bundestag vertretenen Parteien inzwischen eingesehen. Sie alle wollen eine radikale Reform des Einbürgerungsrechts unter Hinnahme der Doppelstaatsbürgerschaft realisieren.

In einer weltweit einmaligen ‚Mogelpackung‘ wird mit dem neuen Begriff einer ‚Kinderstaatsangehörigkeit‘ der Öffentlichkeit, insbe-sondere der liberalen Wählerschaft, suggeriert, man habe etwas für die dritte ‚Ausländergeneration‘ getan. Doch gerade die noch in tradi-tionellen Bindungen verhafteten Familien aus dem Süden Europas werden sich nicht nach El-tern, Kindern und Enkeln auseinanderdividieren lassen. Eine erleichterte Einbürgerung wird es nur dann geben, wenn die erzwungene Aufga-be der bisherigen Staatsbürgerschaft ähnlich wie in Frankreich, Großbritannien, den Nieder-landen und vielen anderen Staaten endlich auch in Deutschland nicht mehr besteht. Die Einwanderer, ihre Kinder und Enkel wollen, und sei es lediglich in einer ‚ruhenden Form‘, ihre alte Staatsbürgerschaft nicht aufgeben, weil sie die Möglichkeit, Deutschland aus welchen Gründen auch immer verlassen zu müssen, nicht ausschließen können. Verantwortlich für dieses fehlende Vertrauen ist neben zuneh-menden rechtsradikalen und rassistischen Tendenzen in der deutschen Gesellschaft ge-nau die Politik, die die in Deutschland gebore-nen und aufgewachsenen Menschen und ihre Eltern nach über 30 Jahren immer noch als ‚Ausländer‘ tituliert und behandelt.

Die in 30 Jahren geschaffenen Realitäten kön-nen weder durch Ignoranz noch durch konse-quentes Leugnen der Tatsachen aus der Welt geschafft werden. 8,5% der Bevölkerung Deutschlands sind inzwischen Einwanderer und ihre Nachkommen. Diese Menschen werden dauerhaft in ihrer neuen Heimat Deutschland leben, mit ihrer unterschiedlichen Kultur und Religion. Es kann heute nur darum gehen, das gemeinsame Leben der deutschen Bevölke-rung mit den kulturellen Minderheiten so zu gestalten, daß ein gleichberechtigtes, friedli-ches und gutnachbarliches Zusammenleben auf Dauer gesichert wird.