Durch Schaffung eines integrativen Schulsystems die bestehende Bildungsungerechtigkeit beseitigen!
Als Hochschulprofessor und langjähriger Bundesvorsitzender der Türkischen Gemeinde in Deutschland (TGD) habe ich mich intensiv mit dem deutschen Bildungssystem beschäftigt, das eine wesentliche Ursache für die strukturelle Chancenungerechtigkeit darstellt. Spätestens seit den PISA-Studien und dem Besuch des UNO-Sonderberichterstatters Vernor Munoz wissen wir, dass die teilweise massiven Bildungsdefizite insbesondere Schüler mit Migrationshintergrund sowie Kinder aus sozial schwachen und bildungsfernen Familien betreffen. Das dreigliedrige Schulsystem nimmt eine frühzeitige soziale Selektion vor, die einen späteren beruflichen Aufstieg nahezu unmöglich macht. Speziell die Hauptschulen haben sich zu einem sozialen Abstellgleis entwickelt, das die Betroffenen oftmals regelrecht stigmatisiert. Verrohtes Sozialverhalten und offene Gewaltausübung im Schulumfeld sind nicht selten die Folge dieser erfahrenen Perspektivlosigkeit. In diesem Kontext hat der Fall der Berliner ‚Rütli-Hauptschule‘ zwar hohe mediale Aufmerksamkeit erzielt, jedoch sind derartige Missstände keineswegs ausschließlich in Berlin anzutreffen.
Als Konsequenz sind nunmehr strukturelle Reformen im Schulsystem unaufschiebbar geworden. Die skandinavischen Länder haben bereits in den achtziger und neunziger Jahren entsprechende Bildungsreformen durchgeführt. Hierzu gehört vor allem ein längeres gemeinsames Lernen in Einheitsschulen mit Ganztagsbetreuungsangeboten, in denen lernschwächere Schüler in den Nachmittagsstunden zusätzlich gefördert werden und auch sportlich-kulturelle Freizeitaktivitäten nicht zu kurz kommen. Bei der Lehrerausbildung ist künftig mehr Wert auf didaktische Fähigkeiten und interkulturelle Kompetenzen zu legen. Hinsichtlich der notwendigen Schulreformen könnte in einigen Bereichen durchaus an bewährte Erfahrungen mit den vormaligen zehnklassigen, allgemeinbildenden polytechnischen Oberschulen (POS) der ehemaligen DDR angeknüpft werden, in denen beispielsweise eine enge Kooperation mit den Eltern gepflegt wurde.
Der Landesverband der Linkspartei. PDS Berlin hat in seinem Wahlprogramm die Einführung einer ’skandinavisch schlauen‘ integrativen Gemeinschaftsschule in Berlin angeregt, die allen Kindern unabhängig von ihrer Herkunft und vom sozialen Status ihrer Eltern eine neue, gemeinsame Lernkultur bieten soll. Dies ist in der Tat ein wichtiger Schritt auf dem Weg zu einer gerechteren Gesellschaft, die allen Kindern gleiche Bildungschancen einräumt. Auch hierüber können die Berlinerinnen und Berliner bei der Abgeordnetenhauswahl am 17. September mit ihrem Votum abstimmen.