Solingen

10 Jahre nach Solingen - welche Lehren wurden gezogen?

Der Brandanschlag auf das Haus der Familie Genç in Solingen jährt sich am 28. Mai zum 10. Mal. Frau Mevlüde Genç, die damals fünf Familienmitglieder verlor, hat die Be-deutung dieses Tages zutreffend charakterisiert: ‚Unser Schmerz bleibt, aber die ande-ren können diesen Schmerz immer weniger nachvollziehen‘.

Wir hoffen, dass dieser Schmerz der Angehörigen heute nicht mehr ihr Leben bestimmt, dass sie dem Dasein auch wieder positive Seiten abgewinnen können.

Eines immerhin haben die zahlreichen rassistischen Anschläge von Hoyerswerda bis Solingen bewirkt: Es bildete sich eine breite Abwehrfront in der deutschen Gesellschaft gegen rassistische Gewalt. Hunderttausende protestierten, bildeten Lichterketten.

Rechtsradikale Gewalttaten gibt es jedoch nach wie vor, ihre Zahl hat auch keineswegs abgenommen. Zwar hat die Exekutive einiges getan, um die vom Grundgesetz garantier-te Unverletzlichkeit der Person besser zu schützen, Verbesserungen bei der Eindäm-mung von Gewalttaten wie beim Aufbrechen der rechtsradikalen Szene sind aber weiter-hin notwendig.

Doch hat sich diese Gesellschaft wirklich nachhaltig verändert? Und was wären die Indi-katoren dieser Änderung? Wie ist es um die gesellschaftliche Wertschätzung von Migranten, von Minderheiten insgesamt bestellt?

Bemisst man dies an ihren Berufen, ihrem Durchschnittsverdienst, den Schulabschlüssen oder -noten ihrer Kinder, so erhält man ein niederschmetterndes Bild. Alle diese Indikatoren liegen weit unter dem Durchschnitt. Doch eine Gesellschaft hat ihre Hausaufgaben in Sachen Integration erst gemacht, wenn es bei den Lebenschancen der Heranwachsenden keine signifikanten Unterschiede mehr zwischen der Mehrheit und den vielen Minderheiten gibt. Erst wenn diese Chancengleichheit hergestellt ist, wird man von Normalität sprechen können.

Es bedarf allerdings großer Anstrengungen in den Kindergärten, Vorschulen, Schulen sowie seitens der Betriebe, die entsprechende Ausbildungsplätze zur Verfügung stellen müssen, um Fortschritte zu erzielen. Nur durch gemeinsames Handeln aller in dieser Gesellschaft wird es möglich sein, die großen Unterschiede zu nivellieren.

Nihat Ercan (stellvertr. Vorsitzender)