Die Ankündigung des Präsidenten Georgiens, Michail Saakaschwili, die Präsidentenwahlen auf Januar vorzuziehen, ist ein richtiger Schritt, um die schwierige innenpolitische Situation zu entschärfen.
Es ist wichtig, dass die gegenwärtige Krise nicht weiter eskaliert und auf friedliche und demokratische Weise beigelegt wird. Ebenso dürfen sich die ohnehin schon angespannten georgisch-russischen Beziehungen nicht noch weiter verschlechtern. Ich appelliere deshalb an die Regierungen beider Länder, in der gegenwärtigen Situation besonnen zu reagieren und möglichst in einen direkten Dialog zu treten.
Die Massenproteste der letzten Tage haben gezeigt, dass große Teile der Bevölkerung Georgiens unzufrieden mit der sozialen und politischen Lage des Landes sind. Die EU hat sich im Rahmen ihrer Nachbarschaftspolitik das Ziel gesetzt, die wirtschaftliche und demokratische Entwicklung in Georgien zu unterstützen. Obwohl Georgien seine Volkswirtschaft für Exporte aus dem EU-Binnenmarkt geöffnet hat, konnte die Bevölkerung bislang nicht davon profitieren. Die soziale Situation hat sich vielmehr dramatisch verschlechtert. Über die Hälfte der Bevölkerung Georgiens lebt derzeit unterhalb der Armutsgrenze. Diese Entwicklung ist unter anderem mitverschuldet durch die neoliberale Nachbarschaftspolitik der EU, die mit ihrer ruinösen Standortkonkurrenz den Erhalt und Ausbau sozialer Mindeststandards systematisch vernachlässigt und verhindert.
Die EU-Nachbarschaftspolitik bedarf einer generellen Überarbeitung. In den Verhandlungen zur Nachbarschaftspolitik müssen die Kooperationsländer als gleichberechtigte Partner angesehen werden. Ziel muss sein, in den Partnerländern die Entwicklung der Binnenwirtschaft zu fördern und ihnen Exporterleichterungen für Produkte in die EU zu gewähren. Dies wäre ein wirkungsvoller Beitrag für eine stabile Entwicklung in Georgien.
Prof. Dr. Hakkı Keskin