Die lange Zeit für ihre Weltoffenheit und Liberalität berühmte niederländische Demokratie gerät zunehmend auf die schiefe Bahn: antiislamische und migrantenfeindliche Hetzkampagnen haben in den letzten Jahren an Häufigkeit und Intensität zugenommen.
Das jüngste Beispiel liefert die rechtspopulistisch motivierte Diffamierungskampagne gegen den als intellektuellen Vordenker eines liberalen Euro-Islam geltenden Tariq Ramadan. Ramadan wurde die Gastprofessur an der Erasmus-Universität Rotterdam entzogen, da er angeblich zu große Nähe zum iranischen Mullahregime gezeigt habe. Den Anlass bildete eine von ihm moderierte Sendung auf dem englischsprachigen iranischen Nachrichtensender Press TV, der von der Regierung in Teheran finanziert wird.
Ich bin zutiefst schockiert über den erschreckenden Verfall der politischen Kultur in den Niederlanden. Die gegen Ramadan angezettelte Kampagne verdeutlicht exemplarisch das Erstarken von demokratiefeindlichen und antiislamischen Kräften. Es überrascht nicht, dass die niederländische ‚Partei für die Freiheit‘ des Rechtspopulisten Gert Wilders versucht, aus der Hetzkampagne politisches Kapital zu schlagen. Der Islam und die Musliminnen und Muslime sollen als generell demokratieunfähig stigmatisiert werden, um zu zeigen, dass ein gemeinsames Zusammenleben mit ihnen nicht möglich sei.
Inhaltlich können die islamfeindlichen Rechtspopulisten Tariq Ramadan nichts nachweisen: gerade wegen seiner bekannten pro-demokratischen und äußerst regimekritischen Haltung verweigern ihm Ägypten, Saudi-Arabien, Tunesien, Libyen und Syrien bis heute die Einreise. Darüber hinaus verschweigen Ramadans Gegner geflissentlich, dass freie und unabhängige Medien im Iran wohl kaum zu finden sein werden. Es ging und geht ihnen nicht darum, dass Ramadan die Fernsehsendung dazu benutzte, um dem Mullahregime die Leviten zu lesen und die gewaltsame Unterdrückung der jüngsten inneriranischen Demokratiebewegung anzuprangen. Allein aus seinem Auftritt in den iranischen Medien wird der Vorwurf konstruiert, dass er ein heimlicher Mullahanhänger sei, der die liberale westliche Demokratie von innen heraus zerstören wolle.
Es verdient daher großen Respekt, dass sich sofort nach dem Entzug der Gastprofessur zahlreiche Hochschulkolleginnen und Hochschulkollegen mit Tariq Ramadan solidarisiert haben. Ich appelliere an alle demokratischen Muslime in den Niederlanden und darüber hinaus, sich an der Solidaritätsaktion zu beteiligen. Die demokratischen Kräfte müssen deutlich zeigen, dass sie und nicht die Rechtspopulisten für die demokratischen Traditionen des Landes und deren Zukunft stehen. Ich werde mich persönlich dafür einsetzen, dass sich auch die Türkische Gemeinde in Deutschland der Solidaritätsbewegung für Tariq Ramadan anschließt.
Prof. Dr. Hakki Keskin