Rede zum Europäischen Rat am 23./24. März 2006 in Brüssel

Abgabe einer Erklärung durch die Bundesregierung zum Europäischen Rat am 23./24. März 2006 in Brüssel

Sehr geehrter Herr Präsident/in, meine Damen und Herren,

Europa war lange Zeit nicht nur für die Bürgerinnen und Bürger der europäischen Union eine Hoffnung auf Sicherung des Friedens, des Wohlstandes, der Demokratie und des Sozialstaates.

Seit rund einem Jahrzehnt wird jedoch die ‚Hoffnung Europa‘ immer mehr erschüttert.

Wir sehen täglich, dass Millionen Menschen hier bei uns, aber auch in anderen EU-Staaten tief beunruhigt sind.

Sie haben Angst um die eigene Zukunft aber auch um die Zukunft ihrer Kinder.

Es ist nicht allein die anhaltende hohe Arbeitslosigkeit, die die Menschen sorgt. Sondern vor allem die längst verlorene Balance zwischen Groß-Unternehmen und arbeitender Bevölkerung.

Wir erfahren fast täglich von hemmungslosem Agieren mancher Unternehmen, nämlich Verlagerung der Arbeitsplätze in das Ausland oder Lohnkürzung und Arbeitszeitverlängerung für die Beschäftigten.

Wie Recht hatte Mahatma Gandhi mit seiner Feststellung, wenn er sagte: ‚Die Welt hat genug für jedermanns Bedürfnisse, aber nicht für jedermanns Gier.‘

Meine Damen und Herren, die EU darf sich nicht lediglich zu einem Freiraum für die Interessen der mächtigen Wirtschaftskreise degradieren lassen.

  • Wir, die Linke Fraktion akzeptieren nicht, dass manche Unternehmen ihre Milliardengewinne in Deutschland erwirtschaften aber hier bei uns kaum Steuern zahlen.

Daher fordere ich die Bundesregierung auf, sich konsequent für die europaweite Angleichung von Steuer- und Zinssätzen stark zu machen.

  • Wir akzeptieren nicht, dass die großen Erdöl- und Erdgaskonzerne ihre marktbeherrschende Lage ausnutzen und ihre Preise völlig unangemessen im letzten Jahr um nahezu 20 Prozent erhöhten.

Die Gewinne der drei größten Erdölkonzerne, Exson, Shell und BP, stiegen im letzten Jahr im Durchschnitt um 37 Prozent.

  • Wir akzeptieren nicht, dass die politisch Verantwortlichen hierbei tatenlos zuschauen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

spätestens nach der Ablehnung der EU-Verfassung in Frankreich und in den Niederlanden sollten die Alarmglocken geläutet haben.

  • Die EU Bürgerinnen und Bürger haben ein Recht auf ein soziales und ihre sozialen Rechte sicherndes Europa,
  • Sie haben ein Recht darauf, dass die zunehmende Kluft zwischen Arm und Reich durch eine Politik der sozialen Gerechtigkeit gestoppt wird,
  • Sie haben ein Recht darauf, dass die EU nicht nur für die Interessen der Wirtschaft und Großkonzerne da ist, sondern auch für die Belange und Interessen aller Menschen,
  • Sie haben ein Recht darauf, dass sich die EU gemäß ihrer Gründungsidee als eine Friedensgemeinschaft weltweit aktiv engagiert, jedoch nicht mit militärischen Mitteln.
  • Kurzum, sie haben ein Recht auf Arbeit, soziale Sicherheit, soziale Gerechtigkeit und Frieden in der Welt.

Die Fraktion DIE LINKE fordert daher einen Paradigmenwechsel in der Politik.

Gemeinsam mit den Gewerkschaften, Verbänden, Vereinen und der Friedensbewegung sagen wir ja zur ‚Hoffnung soziales Europa‘ ‚Nein‘! zu Neoliberalismus und Sozialabbau.