GK Hamburg – Wahl in die Bürherschaft

Rede vom 15. April 1994, gehalten im Generalkonsulat der Türkei anläß-lich meiner Wahl in die Hamburgische Bürgerschaft und anläßlich des 150-jährigen Bestehens des Türkischen Konsulats hier in Hamburg.

Sehr geehrter Herr Generalkonsul,

meine sehr geehrten Damen und Herren aus der Politik

und von den Medien,

liebe Gäste!

Herr Generalkonsul, Ihnen und ganz besonders herzlich auch Ihrer Gattin, Ihnen, sehr verehrte Frau Baþsoy, möchte ich für diesen Empfang sehr herzlich danken.

Es ist für mich eine ganz besondere Ehre, daß mein Einzug in die Hamburgische Bürgerschaft gerade zu-sammen mit dem 150-jährigen Bestehen dieses Konsu-lats Anlaß zu dieser freundlichen Einladung wurde.

Dies ehrt mich um so mehr, da allgemein bekannt ist, daß ich zu keiner Zeit ein bequemer und angepaßter Staatsbürger der Türkei war und auch nicht bin. Die Kri-tik, die ich immer wieder an den Zuständen in der Türkei und gleichermaßen an den Bedingungen für die Einwan-derer hier in Deutschland übe, war, ist und wird wie ich hoffe auch in Zukunft stets eine konstruktive sein. Dem entnehmen Sie bitte, daß ich mit dieser Kritik immer die Entwicklung beider Staaten fördern wollte, wenn Sie so wollen sowohl als türkischer wie als deutscher Patriot.

Auch wenn dies paradox klingen mag, so empfinde ich für beide Staaten so etwas wie ‘Heimatgefühle’, beiden Ländern, die je zur Hälfte – wie bei den meisten Immig-ranten – meine Biographie geprägt haben, werde ich auf Dauer innig verbunden bleiben. Diese Haltung, diese O-rientierung ist offenbar prägend für den größten Teil der Einwanderer, insbesondere für die der ersten Generati-on.

Dies halte ich keineswegs für etwas Negatives. Aus ei-gener Erfahrung weiß ich und stelle dies ebenso bei anderen Menschen in meiner Situation fest, daß wir als Deutsch-Türken durchaus gegenüber beiden Ländern loyal sein können.

Die Beziehungen zwischen der Türkei und Deutschland sind wegen der Kurdenfrage und in Zusammenhang damit wegen der Verwendung deutscher Waffen in die-sem Konflikt in jüngster Zeit erneut belastet. In einer sol-chen Situation machen sich die aus der Türkei stam-menden und in Deutschland lebenden Menschen Ge-danken darüber, in welcher Weise sie zur Überwindung dieser Krise in den Beziehungen beitragen können. Ich bin der festen Überzeugung, daß die Interessenlage beider, Deutschlands wie der Türkei, nicht nur gute Be-ziehungen erfordert sondern in vielen Bereichen auch eine besonders enge Zusammenarbeit in Vorderasien voraussetzt.

Nach dem Zerfall der ehemaligen Sowjetunion und in einer Phase der Entwicklung, in der wir eine Renais-sance von Nationalismus und islamischem Fundamenta-lismus erleben, sind stabile und verläßliche politische wie ökonomische Verhältnisse besonders im Nahen Os-ten für den Weltfrieden dringend geboten. Gerade des-halb müßte die Europäische Union, müßte auch Deutschland die Entwicklung in der Türkei, der nach Meinung aller Experten eine Schlüsselrolle in diesem Teil der Welt zukommt, mit besonderem Interesse ver-folgen und zu stabilen politischen Verhältnissen in der Region beitragen. Ich habe die Befürchtung, daß man-che Reaktionen auf beiden Seiten möglicherweise aus wahltaktischen Erwägungen oder auch mangels umfas-sender Informationen erfolgten, die zu Verstimmungen führen, welche gerade in der heutigen Situation nur von Nachteil für alle Beteiligten sein könnten.

Gestatten Sie mir bitte, daß ich meine Position als Deutsch-Türke heute abend dazu nutze, eine Art Brücke zwischen diesen meinen kulturell so ganz unterschiedli-chen Heimatländern zu sein. Vielleicht kann ich in dieser Rolle ein wenig zum besseren gegenseitigen Verständ-nis beitragen.

Meine sehr verehrten Damen, meine Herren, ich danke Ihnen, daß Sie sich die Zeit genommen haben, diesem Abend beizuwohnen.