Fragen an die Bundesregierung in der Fragestunde

Gammelfleisch

Welche Konsequenzen zieht die Bundesregierung aus dem erneuten Gammelfleischskandal für die Lebensmittelsicherheit in der Bundesrepublik Deutschland und insbesondere hinsichtlich der strafrechtlichen Sanktionierung von Gammelfleischproduktion und -lagerung?

Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz:

Herr Keskin, wir haben darüber heute früh lange im zuständigen Fachausschuss diskutiert. Seit 2006, seit wir in der Regierung sind, haben wir seitens des Bundes eine Reihe von Maßnahmen in Zusammenarbeit mit den Bundesländern umgesetzt. Ich nenne als herausragendes Beispiel das VIG. So der Bundesrat am kommenden Freitag zustimmt, wird es in Zukunft möglich sein, die Namen der Betriebe zu nennen, die Gammelware in den Verkehr bringen. Wir haben zudem das Thema Rückverfolgbarkeit aufgegriffen. Wenn K-3-Material in den Geschäftsgang gebracht wird, ist eine Bestätigung, ein Rückschein, erforderlich. Ich nenne mit Blick auf die zweite Frage von Herrn Keskin als Beispiel die Zuverlässigkeitsprüfung für Lebensmittelunternehmen. Die Voraussetzungen dafür sind nun gegeben. Wir setzen darüber hinaus im Oktober ein vom Kabinett beschlossenes Gesetzesvorhaben zur Meldepflicht um. In Zukunft sind Lebensmittelunternehmer, die Gammelware abnehmen, verpflichtet, dies zu melden; das ist strafsanktioniert. Wie Sie sehen, sind wir auf allen Ebenen tätig. Die Verbraucherschutzministerkonferenz in der vergangenen Woche hat sich dafür ausgesprochen, K-3-Material einzufärben. Die EU-Kommission hat dazu erstmals grünes Licht gegeben, leider nur national. Wir wünschen uns eine europaweit einheitliche Regelung. Es wurde noch eine Vielzahl weiterer Maßnahmen umgesetzt, aber so viel erst einmal dazu.

Ich warte auf Ihre Nachfragen.

Dr. Hakki Keskin (DIE LINKE): Herr Staatssekretär, Gammelfleischskandale beunruhigen, ja erschüttern seit Jahren das Land. Der Bundestag hätte schon längst gesetzliche Maßnahmen gegen diesen Missbrauch ergreifen müssen. Sind Sie eigentlich mit den Maßnahmen zufrieden, die die Verbraucherschutzministerkonferenz 2006 und 2007 beschlossen hat und die nun als erledigt betrachtet werden? Sie sagten, es seien einige Initiativen in Angriff genommen worden, und haben einiges konkret genannt. Sind hier wirklich strafrechtliche Maßnahmen für Leute vorgesehen, die immer wieder einen solchen Missbrauch begehen?

Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Selbstverständlich. Es liegen bereits erste Urteile mit einem Strafmaß von über vier Jahren für zurückliegende Fälle vor. Es wurde also auch vonseiten der Strafverfolgungsbehörden deutlich gemacht, dass es sich hier um keine Bagatelldelikte handelt. Dennoch werden wir mit dem neuen Lebensmittel- und Futtermittelgesetz im Oktober das Strafmaß für das vorsätzliche Inverkehrbringen von Gammelfleisch von 20 000 Euro auf 50 000 Euro anheben. Es wird aber trotz aller gesetzlichen Maßnahmen nicht zu verhindern sein, dass es auch in Zukunft auf diesem Sektor das eine oder andere Problem gibt. Wenn ich in die Kühlschränke der 50 jungen Leute auf der Zuschauertribüne schauen würde, dann – diese Prognose wage ich – würde ich feststellen, dass das Haltbarkeitsdatum des einen oder anderen Joghurts abgelaufen ist. Das gilt auch für das eine oder andere Stück Wurst, das sich in Abgeordnetenkühlschränken befindet. Wenn das Haltbarkeitsdatum abgelaufen ist, dann wird es zu Gammelfleisch. Jeder Verbraucher und jede Verbraucherin ist aufgefordert, beim Einkaufen eine bewusste Entscheidung an der Theke zu treffen. Alle Betriebe sind aufgefordert, wachsam zu sein. Wir haben in Deutschland eine hervorragende Versorgungs- und Sicherheitslage in diesem Sektor. Es gibt einzelne Vorfälle wie im Wertinger Fall, in dem die Betroffenen hohe kriminelle Energie entwickelt haben. Wenn hohe kriminelle Energie im Spiel ist, können alle möglichen Maßnahmen nicht verhindern, dass wir solche Fälle auch in Zukunft haben werden.

Dr. Hakki Keskin (DIE LINKE): Herr Staatssekretär Müller, es entsteht der Eindruck, als ob von den Gammelfleischskandalen speziell die Dönerbranche betroffen ist. Das führt dazu, dass manche Leute meinen, es gebe eine gelenkte Politik gegen die Inhaber von Dönerläden. Was, glauben Sie, könnte man tun, um diesem Eindruck entgegenzutreten?

Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Herr Präsident, diese Frage ist Inhalt der schriftlich formulierten Frage 15.

Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Dann rufe ich die Frage 15 des Abg. Dr. Hakki Keskin auf:

Unternimmt die Bundesregierung Aktivitäten, um den von manchen Medien und einigen Politikern erweckten Eindruck,es handle sich vorrangig um ein spezifisches Problem der Dönerbranche, entgegenzutreten und, wenn ja, welche?

Dr. Gerd Müller, Parl. Staatssekretär beim Bundesminister für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz: Ich möchte zunächst einmal klarstellen: Der Bund setzt die Rahmengesetzgebung. Für die Kontrollen sind die Länder zuständig, in Berlin somit das Land Berlin. Dönerbetriebe sind im aktuellen Fall Geschädigte. Ich sage aber auch: Dönerbetriebe wie jeder Abnehmer von Fleisch und Fleischwaren stehen in der Pflicht, sich und den Kunden zu schützen. Das heißt, wenn Billigstfleisch zu Billigstpreisen auf dem Markt angeboten wird, ist Vorsicht angebracht. Jeder Dönerbetrieb muss, was die Qualität seiner Ware betrifft, seinen Kunden Zuverlässigkeit garantieren. Es wird in diesem Fall nicht nur gegen das Wertinger Unternehmen ermittelt, sondern auch gegen die abnehmenden Betriebe. Aber ein Generalverdacht ist nicht angebracht.