Die neueste PISA-Studie kommt zu dem alarmierenden Ergebnis, dass in keinem anderen untersuchten Land die Bildungschancen von Migrantenkindern so schlecht sind wie in der Bundesrepublik.
Das systematische Versagen der bisherigen Bildungspolitik drückt sich darin aus, dass den sozial- und bildungsbenachteiligten Kindern, besonders von Migranten, die notwendige Unterstützung vom Staat und von der Politik nicht gewährt wurde.
Dieses Ergebnis kam nicht wirklich überraschend: seit geraumer Zeit haben etliche Bildungsexperten, Migrantenverbände, die vorangegangenen PISA-Studien, der UNO-Sonderberichterstatter Munoz sowie ich selbst nachdrücklich auf die hausgemachte Bildungsmisere hingewiesen. Anstelle endlos zu debattieren, sind nunmehr konkrete bildungspolitische Anstrengungen unaufschiebbar.
Die notwendigen Maßnahmen müssten meiner Meinung nach wie folgt aussehen:
1. Deutliche Erhöhung des öffentlichen Bildungsetats 2. Abschaffung der bildungspolitischen Kleinstaaterei durch höheren Einfluss des Bundes bei der Rahmengesetzgebung im Schul- und Hochschulwesen 3. Ersetzung des sozial selektiven, mehrgliedrigen Schulwesens durch eine gemeinsame, zehnjährige Einheitsschule 4. Verbesserung der bildungspolitischen Infrastruktur durch Ausweitung des Ganztagsschulangebots 5. Frühzeitige Sprachförderung von Migrantenkindern in Kindertagesstätten und Vorschulen, deren Besuch kostenlos bzw. kostengünstig zu gestalten ist 6. Nach- und Zusatzförderung von Kindern und Jugendlichen mit schlechteren Lernergebnissen 7. Verringerung der Klassengrößen bei lernschwachen Schülern 8. Verbesserung der Lehrerqualifikation und Stärkung der interkulturellen Kompetenzen der Lehrerschaft
In der gegenwärtigen Wissensgesellschaft kann Integration nur durch Bildung gelingen. Die deutsche Politik ist daher aufgefordert, anstelle von Restriktionen und Sanktionen den hier lebenden Migranten konkrete bildungspolitische Angebote zu unterbreiten, welche die bestehende Chancenungerechtigkeit beseitigen. Entsprechend der Regierungserklärung von Bundeskanzlerin Merkel erwarte ich nunmehr Taten, um die angekündigte Offensive bei Bildung, Forschung und Innovationen mit den erforderlichen Mitteln konsequent voranzutreiben.
Prof. Hakkı Keskin