Erwartungen der Deutschland-Türken an den Besuch des türkischen Ministerpräsidenten Mesut Yýlmaz in Bonn
Die Deutschland-Türken sind selbstverständlich an freundschaftlichen und partnerschaftlichen Beziehungen zwischen ihrem Herkunftsland Türkei und ihrer neuen Heimat Deutschland beson-ders interessiert. Eine weitere Intensivierung der Handels- und Wirtschaftsbeziehungen, die Ver-besserung der kulturellen Kontakte und des Jugendaustausches zwischen Deutschland und der Türkei wäre im Interesse beider Länder. Hierfür sollten in den genannten Bereichen gemeinsame Arbeitskommissionen auf Expertenebene verbindlich verabredet werden.
Rund 3,5 Millionen Menschen aus der Türkei haben sich in den Staaten der Europäischen Union niedergelassen, davon allein 2,2 Mio. in Deutschland. Eine Anbindung und Integration der Türkei an die EU würde uns, den Türken in Deutschland, mehr Lebenssicherheit und Zugehörigkeit zu Deutschland und zu Westeuropa ermöglichen.
Nach der 1996 erfolgten Zollunion der Türkei mit der EU setzen wir uns nun dafür ein, daß der Türkei in einer überschaubaren und verbindlichen Zeitspanne die Perspektive zur vollen EU-Mitgliedschaft gesichert wird. Eine klare Perspektive für diese Mitgliedschaft – die Türkei ist seit 1963 ein der EU assoziierter Staat – wird die Türkei auch in die Pflicht nehmen, ihre Hausaufga-ben in den Bereichen einer weiteren Demokratisierung, der strikten Anwendung der Menschen-rechte sowie einer friedlichen Lösung des Kurdenkonflikts konsequent und fristgerecht zu reali-sieren. Diese Perspektive wird aber vor allem auch eine Stütze gegen die islamischen Funda-mentalisten in der Türkei wie in Deutschland sein, die die Türkei in die ‘islamische Staatenge-meinschaft’ führen und in der Türkei einen islamischen Staat errichten wollen.
Die türkische Bevölkerung sieht Deutschland als ein historisch befreundetes Land an und erwar-tet daher von Bundeskanzler Kohl ein klares ‘Ja’ zu einer EU-Mitgliedschaft der Türkei. Die meisten anderen EU-Länder haben ihre diesbezügliche Zustimmung bereits bekundet.
Als Ergebnis des Gesprächs zwischen Kohl und Yýlmaz erwarten wir auch konkrete Maßnahmen zur Verbesserung unserer Lebenssituation in Deutschland aber auch der Deutschen in der Tür-kei. Die Deutschland-Türken wollen eine erleichterte Einbürgerung auch unter Hinnahme der doppelten Staatsbürgerschaft. Die rechtliche und politische Gleichstellung ist ein sehr wesentli-cher Schritt für die Integration der Türken in die bundesdeutsche Gesellschaft.
Wir erwarten andererseits aber auch, daß Ministerpräsident Yýlmaz den in der Türkei lebenden rund 40.000 Deutschen, deren Zahl stetig ansteigt, die bürokratischen Hindernisse bei Aufent-halts- und Arbeitserlaubnis aus dem Wege räumt, ihnen einen gesicherten Rechtsstatus garan-tiert sowie den Erwerb der türkischen Staatsbürgerschaft beispielgebend erleichtert.
Prof. Dr. Hakký Keskin