Fragen für die Fragestunde der 31. Sitzung des Deutschen Bundestages am Mittwoch, dem 5. April 2006
Frage 9
Dr. Hakkı Keskin (DIE LINKE.)
Mit welchen konkreten Maßnahmen beabsichtigt die Bundesregierung, die Bildungschancen von Kindern aus sozial benachteiligten Familien und mit Migrationshintergrund zu verbessern?
Antwort
Andreas Storm, Parl. Staatssekretär
Nach der verfassungsrechtlichen Kompetenzverteilung sind für das Schulwesen ausschließlich die Länder zuständig, denen insofern auch die Verantwortung für die Ausgestaltung der Schulsysteme mit dem Ziel der Verbesserung der Bildungschancen von Kindern aus sozial benachteiligten Familien und mit Migrationshintergrund obliegt.
In den letzten Jahren sind von Bund, Ländern und Kommunen durch vielfältige Maßnahmen verstärkte Anstrengungen unternommen worden, um die Bildungsqualität insgesamt zu verbessern und den Zusammenhang von Bildungserfolg und sozioökonomischenund soziokulturellem Hintergrund abzubauen. Hinzuweisen ist im Bereich der schulischen Bildung unter anderem auf das mit vier Milliarden Euro ausgestattete Investitionsprogramm ‘Zukunft Bildung und Betreuung’ (IZBB) für den bedarfsgerechten Ausbau von Ganztagsschulen, das im Kern durch die Verbesserung der individuellen Förderung dazu beiträgt, die Stärken aller Kinder zu entwickeln und Benachteiligungen früh zu vermeiden, das BLK-Progranun ‘Förderung von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund’ (FörMig), das auf Basis individueller Sprachstandsfeststellungen auf eine durchgängige Sprachförderung vom Kindergarten bis zum Übergang in die Berufsausbildung zielt und auf das BLK-Verbundprojekt ‘Stärkung der Bildungs- und Erziehungsqualität in Kindertageseinrichtungen und Grundschule – Gestaltung des Übergangs’ (Trans-KIGS), das die Einführung der neuen Bildungspläne in den Ländern begleitet und zur Verbesserung der Zusammenarbeit von Erzieherinnen und Erziehern, Lehrerinnen und Lehrern und Eltern beiträgt.
Im Rahmen ihrer Zuständigkeit wird die Bundesregierung zur Verbesserung der Bildungschancen von Kindern aus sozial benachteiligten Familien und mit Migrationshintergrund auch weiterhin ihren Beitrag leisten, indem sie insbesondere zur Stärkung der Bildungsforschung in diesem Bereich beiträgt und Vorhaben zur Verbreitung und zum Transfer wissenschaftlicher Erkenntnisse unterstützt.
Frage 33
Dr. Hakkı Keskin (DIE LINKE.)
Wann und für welche gesellschaftlichen Bereiche plant die Bundesregierung, ein nationales Antidiskriminierungsgesetz einzuführen?
Antwort
Alfred Hartenbach, Parl. Staatssekretär
Es sind folgende Richtlinien in nationales Recht umzusetzen: die Antirassismus-Richtlinie (2000/43/EG) vom 29. Juni 2000, die Rahmen-Richtlinie Beschäftigung (2000/78/EG) vom 27. November 2000, die revidierte Gleichbehandlungs-Richtlinie (2002/73/EG) vom 23. September 2002 und die so genannte ‘Unisex-Richtlinie’ zur Gleichstellung der Geschlechter außerhalb des Erwerbslebens (2004/113/EG) vom 13. Dezember 2004.
Diese Richtlinien divergieren im Anwendungsbereich und hinsichtlich der geschützten Merkmale erheblich. Die Antirassismus-Richtlinie betrifft Arbeits- und Sozialrecht sowie umfassend Zivilrecht ausschließlich hinsichtlich des Merkmals Rasse oder ethnische Herkunft. Die Rahmen-Richtlinie Beschäftigung und die revidierte Gleichbehandlungs-Richtlinie betreffen ausschließlich das Arbeitsrecht und erfassen die Merkmale Religion oder Weltanschauung, Behinderung, Alter und sexuelle Identität sowie Geschlecht. Die so genannte ‘Unisex- Richtlinie’ zur Gleichstellung der Geschlechter außerhalb des Erwerbslebens betrifft schließlich nur das Merkmal Geschlecht und ist im Anwendungsbereich auf den Zugang zu Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeitohne Ansehen der Person zur Verfügung stehen (so genannte Massengeschäfte), und Privatversicherungen beschränkt.
Bereits in der letzten Legislaturperiode hat der Deutsche Bundestag am 17. Juni 2005 einen Gesetzentwurf der Fraktionen von SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜ- NEN zur Umsetzung der Gleichbehandlungsrichtlinien in der Fassung der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Familie, Senioren, Frauen und Jugend beschlossen. Der Bundesrat hat hierzu am 8. Juli 2005 den Vermittlungsausschuss angerufen. Das Gesetzgebungsverfahren konnte dann wegen der Neuwahl des Bundestages am 18. September vergangenen Jahres nicht abgeschlossen werden; die Gesetzentwürfe sind der Diskontinuität unterfallen.
Es ist daher ein neues Gesetzgebungsverfahren einzuleiten. Wegen der besonderen Eilbedürftigkeit der Umsetzung der vier EU-Gleichbehandlungs- Richtlinien in deutsches Recht werden die Koalitionsfraktionen nach Klärung einiger weniger offener Fragen kurzfristig den Entwurf eines Umsetzungsgesetzes in den Bundestag einbringen. Dieser Gesetzentwurf wird die von den EU-Gleichbehandlungs- Richtlinien vorgegebenen gesellschaftlichen Bereiche abdecken. Sowohl im Arbeitsrecht als auch im allgemeinen Zivilrecht wird eine an dem Grundsatz ‘1:1’ orientierte Umsetzung erfolgen. Diskutiert wird aber auch, stellenweise über die Anforderungen der Richtlinien hinauszugehen.