Chancen für Arbeiterkinder zum Besuch eines Gymnasiums

Mündliche Anfrage 7 Dr. Hakki Keskin, DIE LINKE 12.05.2006

Welche konkreten Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Aussage der PISA-Studie 2003, wonach Arbeiterkinder eine viermal geringere Chance haben, ein Gymnasium zu besuchen, als Kinder aus sozial besser gestellten Schichten?

Andreas Storm, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung:

Die Verbesserung der frühen und individuellen Förderung von Kindern und Jugendlichen ist ein zentraler Ansatzpunkt, um dem Zusammenhang zwischen Lernerfolg und sozialer Herkunft zu begegnen. Dazu gehört neben einer intensivierten Zusammenarbeit von Kindergarten und Grundschule wesentlich die Verbesserung früher sprachlicher Förderung der Kinder. Sie muss bereits in den ersten Lebensjahren einsetzen, um vor allem Sprachdefizite frühzeitig zu erkennen und ihnen gezielt entgegenzuwirken. Dem Ziel, die Stärken aller Kinder zu entwickeln und Benachteiligungen frühzeitig zu vermeiden, dient unter anderem das mit 4 Milliarden Euro ausgestattete Investitionsprogramm ‘Zukunft, Bildung und Betreuung’, also das angesprochene Ganztagsschulprogramm, mit dem der Bund die Länder seit 2003 beim bedarfsgerechten Auf- und Ausbau von Ganztagsschulen unterstützt.

Die Bundesregierung unterstützt die vielfältigen Maßnahmen in den Ländern durch Aktivitäten im Bereich der Bildungsforschung, insbesondere um die Wirksamkeit durchgeführter Maßnahmen zu überprüfen und Voraussetzungen für den Transfer der Ergebnisse zu schaffen. Darüber hinaus setzt die Bundesregierung einen Akzent bei der Qualitätssicherung und Weiterentwicklung der Arbeit in Tageseinrichtungen für Kinder und bei deren Trägern. Weiterhin wird die Bundesregierung mit dem Auf- und Ausbau von Mehrgenerationenhäusern eine neue Art familienorientierter Infrastruktur verstärken, die mithelfen soll, Kinder früh und gut zu fördern, Eltern in der Erziehungsaufgabe zu unterstützen, die Potenziale der älteren Generation zu nutzen, eine Plattform für familiennahe Dienstleistungen zu schaffen und den Zusammenhalt der Generationen auch außerhalb des Familienverbandes neu zu stiften.

Generell ist darauf hinzuweisen, dass die Umsetzung von Reformen im Bereich vorschulischer und schulischer Bildung in der Zuständigkeit von Ländern, Kommunen und Trägerverbänden liegt.

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Zusatzfragen? Dr. Hakki Keskin (DIE LINKE):

Herr Staatssekretär, die PISA-Studien belegen jedoch, dass wir strukturelle Veränderungen und Verbesserungen im Bildungssystem benötigen. Sie haben zwar ein Bündel von Maßnahmen beschrieben, aber welche strukturellen Verbesserungen oder Veränderungen gedenkt die Bundesregierung, hier vorzunehmen?

Andreas Storm, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung:

Herr Abgeordneter, ich darf auf die Antwort verweisen, die ich soeben vorgetragen habe. Sie müssen Folgendes sehen: Eine Reihe dieser Maßnahmen ist zu einem Zeitpunkt beschlossen worden oder mit ihrer Realisierung ist erst begonnen worden, nachdem diese Studie abgeschlossen war. Diese Studie wurde im Jahr 2003 erstellt; das war das Jahr, in dem beispielsweise das Ganztagsschulprogramm beschlossen wurde. Ich darf ferner darauf verweisen – das ist noch einmal ein Bezug auf die Frage der Kollegin Hirsch zur Situation von Kindern mit Migrationshintergrund -, dass die Bemühungen zur Förderung der Kenntnisse der deutschen Sprache überwiegend erst in den letzten Jahren massiv ausgebaut worden sind. Die Früchte dieser Bemühungen werden wir erst bei künftigen Studien erkennen.

Die Bundesregierung sieht sich aber in dem eingeschlagenen Weg sehr bestärkt, insbesondere was die Förderung der sprachlichen Fähigkeiten angeht. Dies betrifft gleichermaßen die Situation von Arbeiterkindern.

Präsident Dr. Norbert Lammert:

Nächste Zusatzfrage. Dr. Hakki Keskin (DIE LINKE):

Herr Staatssekretär, ich meinte mit strukturellen Verbesserungen zum Beispiel, ob die Bundesregierung gedenkt, die Ausweitung des Angebots an Ganztagsschulen in Angriff zu nehmen bzw. darauf Einfluss zu nehmen, dass dies in den Bundesländern geschieht. Ist die Bundesregierung der Auffassung, dass die Hauptschulen jetzt richtig reformiert werden müssen?

Andreas Storm, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung:

Herr Abgeordneter, eine Ausweitung des Ganztagsschulprogrammes ist nicht geplant und die Weiterentwicklung der Schulformen ist eine Angelegenheit, die in den Kompetenzbereich der Länder fällt, über die aber natürlich, wie Sie wissen, in den letzten Jahren sehr intensiv diskutiert worden ist.