Deutsch-französische Zusammenarbeit in der Integrationspolitik muss zur vollen Gleichstellung von Migranten führen!

Die Fraktion Die LINKE. hat sich in einer Kleinen Anfrage (Drucks. Nr. 16/7631) bei der Bundesregierung nach dem Stand der deutsch-französischen Zusammenarbeit in der Integrationspolitik erkundigt.

Beide Länder haben in der Vergangenheit ihre diesbezügliche Zusammenarbeit intensiviert und vermehrt EU-Vorlagen in bestimmender Weise beeinflusst.

In ihrer Antwort bestätigt die Bundesregierung die enger gewordene integrationspolitische Zusammenarbeit Deutschlands mit Frankreich. Diese soll dem Ziel dienen, Herausforderungen wie ‘globale Migrationsströme als ein nicht zu verhinderndes oder zu ignorierendes Phänomen (zu) akzeptieren’ und mit Hilfe abgestimmter Integrationsmaßnahmen sozial zu bewältigen. Hierfür schlägt die Bundesregierung einen differenzierten Maßnahmenkatalog vor, der durchaus geeignet ist, manche Integrationsdefizite abzubauen. Hierzu zählen: Förderung des Spracherwerbs und nachholende Bildungsangebote für Kinder und Jugendliche, eine Qualifizierungsoffensive, bessere gesellschaftliche Teilhabechancen und Chancengleichheit von Frauen und Männern mit Migrationshintergrund.

Der Realitätssinn der Bundesregierung hat in der Integrationspolitik demnach zugenommen. Das Problem bildet hierbei nicht die Erkenntnisebene, sondern die konkrete politische Umsetzung der gewonnenen Erkenntnisse. Gerade bei den genannten Fördermaßnahmen, die für die Verbesserung der sozialen Integrationsbedingungen unverzichtbar sind, hat die Bundesregierung in den letzten Jahren zum Teil massiv gekürzt. Bei den Integrationskursen wurde drastisch gespart, ebenso wie insbesondere die Unionsparteien CDU/CSU das antiquierte mehrgliedrige Schulsystem beibehalten wollen, welches Migrantenkinder und Kinder aus sozial schwachen Familien systematisch benachteiligt und stigmatisiert.

Darüber hinaus hat die Bundesregierung im Unterschied zum Nachbarn Frankreich immer noch ein gravierendes Erkenntnisproblem in der Gleichstellungspolitik. Während sich die französische Integrationspolitik ausschließlich an die erste Einwanderergeneration richtet und für die zweite und dritte Einwanderergeneration primär von einer ‘Politik der Chancengleichheit’ ausgeht, praktiziert die Bundes-

republik eine Politik der dauerhaften Rechtsungleichheit von MigrantInnen. Trotz mancher Verschärfungen und Verschlechterungen in jüngster Zeit, zielt Frankreichs Integrationspolitik darauf ab, die Einwanderer in den Status eines vollwertigen und gleichberechtigten Staatsbürgers zu bringen. Demgegenüber verfügen in Deutschland nach wie vor zahlreiche Angehörige der ersten Einwanderergeneration nur über einen zeitlich beschränkten Aufenthaltstitel und damit über mindere Rechte.

Ich fordere deshalb die Bundesregierung auf, die Einbürgerung in Deutschland endlich zu erleichtern und dabei mehrfache Staatsangehörigkeiten zuzulassen. Dies wäre die richtige Antwort auf globale Migrationsprozesse und Ausdruck einer wirklichen Willkommenskultur, in der auch die soziale Integration leichter gelingen kann.

Die Unionsparteien stehen allerdings nach der vom amtierenden hessischen Ministerpräsidenten Koch (CDU) losgetretene Debatte um ‘zu viele kriminelle Ausländer’ in der Pflicht, ihre politische Glaubwürdigkeit zu beweisen. Es ist ein politischer Skandal, wenn einer ihrer führenden Politiker mit rechtspopulistischen Äußerungen gezielte Ressentiments gegenüber Migrantinnen und Migranten schürt. Es muss endlich ein Ende haben, dass Migranten stets aufs Neue zu Wahlkampfzwecken instrumentalisiert werden. Dies vergiftet die politische Kultur in Deutschland und schafft eine integrationsfeindliche Atmosphäre. Ich rufe die unionsgeführte Bundesregierung auf, sich von Kochs migrantenfeindlichen Parolen zu distanzieren und diese scharf zu verurteilen.

Prof. Dr. Hakkı Keskin

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