Welche konkreten Schlussfolgerungen zieht die Bundesregierung aus der Tatsache, dass 41 Prozent der Personen mit Migrationshintergrund in der Altersgruppe von 25 bis 35 Jahren über keinen beruflichen Bildungsabschluss verfügen?
Deutscher Bundestag Stenografischer Bericht 42. Sitzung Berlin, Mittwoch, den 28. Juni 2006
Andreas Storm, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung:
Lieber Kollege Keskin,
ich beantworte Ihre Frage wie folgt: Es ist das erklärte Ziel der Bundesregierung, dass Jugendliche und Erwachsene – das gilt uneingeschränkt sowohl für Menschen mit als auch für Menschen ohne Migrationshintergrund- eine zweite Chance erhalten, um einen Schulabschluss nachzuholen oder um eine Ausbildung erfolgreich zu durchlaufen. In den im Februar 2006 vom Bundesministerium für Bildung und Forschung veröffentlichten Leitlinien der Bildungs- und Forschungspolitik wurde das Ziel formuliert, dass die Zahl der derzeit rund 1,3 Millionen jungen Menschen ohne abgeschlossene Berufsausbildung deutlich verringert wird.
Ausgehend davon stellt die abschlussorientierte Nachqualifizierung von an- und ungelernten jungen Erwachsenen mit und ohne Migrationshintergrund ein zentrales Handlungsfeld künftiger berufsbildungspolitischer Aktivitäten des Bundesbildungsministeriums dar. Auch der von Frau Bundesbildungsministerin Dr. Annette Schavan Anfang April 2006 ins Leben gerufene Innovationskreis berufliche Bildung wird sich unter anderem mit diesem Themenkomplex befassen und in diesem Zusammenhang Handlungsvorschläge erarbeiten. Diese Handlungsvorschläge und Arbeitsergebnisse des Innovationskreises werden in die Planung einschlägiger Initiativen des BMBF einfließen. Vizepräsident Dr. Hermann Otto Solms: Nachfrage, bitte.
Dr. Hakki Keskin (DIE LINKE):
Herr Staatssekretär, 41 Prozent der Menschen zwischen 25 und 35 Jahren mit Migrationshintergrund haben keine berufliche Ausbildung bzw. Bildung. Bei Menschen ohne Migrationshintergrund beträgt dieser Anteil 15 Prozent. Mit anderen Worten: Es gibt einen riesigen Nachholbedarf, wenn es darum geht, die Lage der jungen Menschen mit Migrationshintergrund zu verbessern. Meinen Sie, dass Sie mit den Maßnahmen, die Sie genannt haben, diesem Nachholbedarf gerecht werden können?
Andreas Storm, Parl. Staatssekretär bei der Bundesministerin für Bildung und Forschung:
Herr Abgeordneter Keskin, zur Bewältigung dieses Problems gibt es eine ganze Reihe von Maßnahmen, die schon seit längerer Zeit laufen. Ich möchte einige herausgreifen.
Es gibt im Förderpaket des Bundesministeriums für Bildung und Forschung für den Bereich der beruflichen Bildung das Programm ‘Jobstarter’ mit Konzentration unter anderem auf die Verbesserung der Situation von Menschen mit Migrationshintergrund.
Zu den bundesweit verstärkt betriebenen Aktivitäten zählt unter anderem eine Veranstaltungsreihe ‘Moscheen aktiv für Berufsbildung’, mit der wir versuchen, insbesondere für Jugendliche aus der türkischen Bevölkerung eine deutliche Besserung im Hinblick auf die Beteiligung an der beruflichen Bildung zu erreichen.
Ich möchte noch eine andere Initiative nennen. Wir haben in den letzten Monaten unsere Bemühungen verstärkt, gemeinsam mit den Vertretern von Unternehmen, deren Inhaber einen Migrationshintergrund haben, die Ausbildungsaktivitäten zu stärken. Es gibt in unserem Land 300 000 Unternehmen, deren Inhaber einen Migrationshintergrund haben. In diesen Unternehmen sind mehr als 1 Million Menschen beschäftigt. Die Zahl der Ausbildungsplätze dort beträgt derzeit nur etwa 25 000.
Wir sehen hier ein großes Potenzial, die Zahl der Ausbildungsplätze deutlich zu steigern. Deshalb ist mit den Verbänden aus diesem Bereich sowie dem Deutschen Industrie- und Handelskammertag und den Handwerkskammern das Ziel vereinbart worden, allein in diesem Feld 10 000 zusätzliche Ausbildungsplätze bis zum Jahr 2010 zu gewinnen. Das betrifft natürlich nicht nur Ausbildungsplätze für Migranten; aber es ist ein wesentlicher Beitrag dazu, in dem Bereich zu einer Besserung zu kommen.
Sie merken also: Neben den Maßnahmen, die im Innovationskreis vorbereitet werden, läuft derzeit eine Fülle von Aktivitäten mit dem Ziel, die von Ihnen genannte Quote von 41 Prozent deutlich zu reduzieren.