Informationsveranstaltung Redeversion

Informationsveranstaltung über die Projekte der TGD: 'Abbau der Arbeitslosigkeit bei türkischen Jugendli-chen' und 'Interkulturelles Praktikum' Eröffnungsrede: Prof. Dr. Hakkı Keskin, Bundesvorsitzender der TGD Hamburg, 6.2. 2004

Sehr geehrte Frau Senatorin, sehr geehrter Herr Goecke, sehr geehrter Herr Konsul, meine Damen und Herren!

Wie Sie bereits bei der Ehrung von Herrn Wolfgang Kramer und bei der Überreichung des Sparbuchs an Ramazan Avcı erfahren haben, entstand das Bündnis Türkischer Einwanderer Hamburg vor über 18 Jahren.

Dies war ein Novum, weil die Türken, die bis dahin un-ter sich sehr zersplittert waren, zur Wahrnehmung ihrer Belange und Interessen erstmalig einen pluralistischen Zusammenschluss von Institutionen unterschiedlicher Orientierungen realisierten.

Viele wollten damals nicht glauben, dass es möglich sein würde, so viele Menschen, Vereine und Gruppen konservativer, liberaler, religiöser und sozialdemokrati-scher Orientierung über einen so langen Zeitraum unter einem Dach zusammenhalten zu können.

Wie Sie sehen, hat sich diese Organisation auf Lan-desebene bewährt. Ihr folgten in anderen Bundeslän-dern die Gründung ähnliche Landesverbände.

Am 2. Dezember 1995 haben wir dann unter großer Aufmerksamkeit der deutschen und türkischen Öffent-lichkeit auf Bundesebene die Türkische Gemeinde in Deutschland gegründet. Sie ist heute mit ihren sachlichen, kritischen und inte-grativen Beiträgen zum Zusammenleben von deutscher und türkischer Bevölkerung zu einer der wichtigsten Mi-grantenorganisationen geworden.

Mehr als 200 Vereine, darunter die Föderationen türki-scher Eltern, Lehrer, Akademiker und Studenten, sind unter dem Dach der Türkischen Gemeinde vereint. Unsere Ziele sind:

  • gleiche Rechte auf allen Ebenen der Gesellschaft,
  • Gleichbehandlung in allen Lebensbereichen,
  • bei gleichzeitiger Fortentwicklung und Wahrung der ei-genen kulturellen Identität,
  • bestmögliche Beziehungen zwischen unser alten und neuen Heimat, der Türkei und Deutschland.

Zu dieser gleichen Behandlung gehört sicherlich die schulische Bildung, berufliche Ausbildung und der Zu-gang zu qualifizierten Arbeitsplätzen.

Meine Damen und Herren, wir stehen in Deutschland vor einer großen Herausfor-derung, vor einer eminent wichtigen Aufgabe. Dies ist die seit nunmehr zwei Jahrzehnten andauernde und zunehmende Arbeitslosigkeit. Zur Zeit sind es weit mehr als 11 Prozent.

Viele Hunderttausende Jugendliche finden keine Aus-bildungsplätze, um ihren gewünschten Beruf zu erler-nen.

für diese jungen Menschen bedeutet dies zumeist-Hoffnungslosigkeit, -das Gefühl persönlichen Versagens. -Konflikte in der Familie -und ein Gefühl bitterer Enttäuschung und Empörung gegenüber Gesellschaft, Politik und Staat.

Nicht selten führt dies, wenn dieser Zustand länger an-dauert und die Unterstützung seitens der Eltern fehlt, zu-Alkoholismus, -Drogenabhängigkeit, -zu Gewalt bis hin zur Straffälligkeit.

Wir alle können uns sehr gut vorstellen, was aus diesen Jungen Menschen werden kann, wenn die Lebenslauf-bahn auf diese Weise beginnt.

Gerade deshalb müssen wir alle Anstrengungen unter-nehmen, um insbesondere den Jugendlichen die best-mögliche schulische Bildung und berufliche Ausbildung zu ermöglichen und eine entsprechende Arbeit anbieten zu können.

Ich kann und ich will es auch nicht verstehen, wenn wir seit Jahren darüber streiten, ob die Unternehmer ver-pflichtet werden sollen, in ihren Firmen Ausbildungs-plätze zu schaffen.

Gleichzeitig beklagen gerade viele Unternehmer, dass ihnen in bestimmten Bereichen qualifizierte Kräfte feh-len, die wir dann aus dem Ausland nach Deutschland holen müssen.

Die Politik ist nun gefordert, dieser Paradoxie durch entsprechende gesetzliche Rahmenbedingungen ein Ende zu bereiten.

Meine Damen und Herren, von Arbeitslosigkeit sind die Migranten mehrt als dop-pelt so stark betroffen wie ihre deutsche Kollegen. Nicht weil sie nicht arbeiten wollen, sondern weil sie von den Entlassungen viel stärker betroffen sind und ihnen bei Neueinstellungen oft ihre fehlende Qualifikati-on zum Vorwurf gemacht wird. Jugendliche mit Migrationshintergrund, darunter türki-sche Jungendliche, sind von den fehlenden Ausbil-dungsplätzen ebenfalls doppelt so hoch betroffen wie ihre deutsche Altersgenossen.

Diese Entwicklung beginnt bereits mit den ungleichen Startchancen wegen nicht ausreichender deutscher Sprachkenntnisse zu Schulbeginn und setzt sich in der weiteren Schullaufbahn fort.

20 Prozent der nichtdeutschen Kinder verlassen die Schule ohne Hauptschulabschluss, doppelt so viele wie bei den deutschen Schülerinnen und Schülern. Während nur jeder dritte deutsche Schüler die Hoch-schulreife erreicht, ist es bei nichtdeutschen lediglich jeder zehnte.

Meine Damen und Herren, mit einer Vielzahl von Aktivitäten versucht die Türkische Gemeinde in Deutschland, diesen Missstand wenigs-tens teilweise beheben zu helfen.

Durch Gespräche, auf Veranstaltungen oder mit Plaka-ten beraten und motivieren wir unter Mithilfe der Medien die türkischen Eltern-über die Bedeutung guter Schulzeugnisse und die bestmöglichen Schulabschlüsse und -über eine zukunftsträchtige Ausbildung ihrer Kinder.

Mit diesen beiden Projekten und einigen anderen, die von unseren Mitgliedsvereinen durchgeführt werden, gelingt es uns, viele Hundert türkische Jugendliche in Ausbildungs- und Arbeitsplätze, in schulische Weiterbil-dungs- und Berufsvorbereitungsmaßnahmen zu vermit-teln.

Unsere Projektmitarbeiter werden Ihnen dazu einige Basisinformationen geben. Für die Realisierung dieser Projekte haben sich viele Personen und Institutionen eingesetzt. Mein Dank geht hierbei-an unsere Sozialsenatorin, Birgit Schnieber-Jastram, – an unseren Bundestagsabgeordneten für Altona und inzwischen auch Generalsekretär seiner Partei, Olaf Scholz, -an die Regionaldirektionen Nord und Berlin-Mitte der Bundesagentur für Arbeit, heute vertreten durch Herrn Goecke, – sowie an das Bundesministerium für Arbeit und Sozi-alordnung, Ich danke auch an unseren Mitarbeiterinnen und Mitar-beitern für ihre sehr engagierte Arbeit. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.