Am heutigen zweiten Integrationsgipfel werden die Vertreter der zahlenmäßig größten Migrantengruppen, darunter die Türkische Gemeinde in Deutschland (TGD) und die Union der Anstalten für Religion (DITIB), nicht teilnehmen.
Diese sagten ihre Teilnahme ab, nachdem die Bundesregierung trotz massiver Kritik an ihrer integrationsfeindlichen Politik festhält.
Es ist richtig und konsequent, dass die größten Interessenorganisationen der Deutschlandtürken den Integrationsgipfel boykottieren. Mit ihrer Teilnahme würden sie der Bundesregierung nur ein Alibi für ihre repressive Zuwanderungs- und Integrationspolitik verschaffen. Tatsächlich ist die Bundesregierung bei ihren jüngsten Gesetzesvorhaben auf die von Anbeginn geäußerte Kritik von Migrantenorganisationen, Gewerkschaften, Kirchen und Sozialverbänden überhaupt nicht eingegangen.
Es grenzt daher schon an Zynismus, wenn nun die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Prof. Maria Böhmer (CDU), ihrerseits Vorwürfe an die Adresse von TGD und DITIB richtet. Wie anders hätten denn beide Organisationen ihr Missfallen über die Ignoranz der Bundesregierung bekunden sollen, wenn nicht mit einer Absage dieser reinen Alibishow?
Frau Böhmer ist ihrer Rolle als Schirmherrin und Moderation des Integrationsgipfels in keiner Weise gerecht geworden. Stattdessen hat sie in der Vergangenheit reine Parteipolitik betrieben, um in der Öffentlichkeit den Eindruck zu erwecken, dass die Desintegrationspolitik der Großen Koalition die Zustimmung der Migrantinnen und Migranten fände. Dieses Kalkül ging jedoch nicht auf. Hierzu gehört ebenfalls, dass mit Seyran Ates und Necla Kelek zwei Einzelpersonen als Gipfelteilnehmerinnen ausgewählt wurden, die eher vorhandene Klischees und Ressentiments schüren und keinerlei legitimiert sind für die türkische Bevölkerung zu sprechen. Repressionen und Sanktionen sind kein geeignetes politisches Instrument, um die in Deutschland existierenden Integrationsprobleme zu lösen. Sie offenbaren zudem ein fragwürdiges Demokratieverständnis. Demokratische Entscheidungsprozesse erfordern den Dialog und die Einbeziehung der Betroffenen über legitimierte Vertreter. Stattdessen wurde über die Köpfe der Migranten hinweg die Verabschiedung integrationsfeindlicher Gesetzesbestimmungen vorangetrieben. Mit dieser Vorgehensweise hat sich die Bundesregierung selbst disqualifiziert, so dass sie sich jetzt nicht wundern darf, wenn sie hierfür keine Zustimmung erntet.
Der Versuch der Bundesregierung, die Verantwortung für diese fatale Politik auf die Migrantenorganisationen abzuwälzen, ist entschieden zurückzuweisen. Vor diesem Hintergrund ist die Absage der größten Migrantenverbände mehr als gerechtfertigt.
Prof. Dr. Hakkı Keskin