Eine der führenden Medienunternehmen in der Türkei, die Doğan-Gruppe, sieht sich mit Forderungen nach Steuerstrafzahlungen in Höhe von 1,74 Milliarden Euro konfrontiert.
Obwohl die Rechtmäßigkeit der Forderungen der Finanzbehörden gerichtlich geprüft wird, lastet bis zum Ende des Prozesses auf der regierungskritischen Mediengruppe ein hoher Druck und die Ungewissheit, ob ihr Überleben gesichert werden kann.
Die AKP-Regierung versucht seit einigen Jahren mit wachsendem Erfolg, die regierungskritischen Medien mit unlauteren Methoden unter ihre direkte oder indirekte Kontrolle zu bringen. Seit über 25 Jahren hat es keine Regierung in der Türkei gegeben, die kritische Medien in Finanznot bringt, um sie anschließend von regierungsnahen Kreisen übernehmen zu lassen.
Es liegt auf der Hand, dass kritische Medien aus Sicht einer Regierung häufig als unliebsam angesehen werden. In Ländern mit einer ungefestigten Demokratie ist es gang und gäbe, dass kritische Medienvertreter eingeschüchtert werden. Die AKP geht aber noch viel weiter, indem sie versucht, die Printmedien, Hörfunk- und Fernsehanstalten zu kontrollieren und dort, wo ihr dies nicht gelingt, sie unter massiven wirtschaftlichen und politischen Druck zu setzen.
Die AKP-Regierung unter Führung von Premierminister Erdoğan hat sich gegenüber der EU und der europäischen Öffentlichkeit mit Erfolg als Garant für ‘mehr Demokratie und Freiheit’ inszeniert. Doch wie kann sie die massiven Einschränkungen der Pressefreiheit gegenüber der europäischen Öffentlichkeit und im eigenen Land als demokratiefördernd begründen?
Die Pressefreiheit gehört in allen demokratischen Staaten zu den unverzichtbaren Grundrechten. Repressalien gegen die Pressefreiheit werden zu Recht nicht toleriert.
Kann es somit ohne Pressefreiheit und ohne eine unabhängige Gerichtsbarkeit überhaupt eine Demokratie geben? Daher ist das Vorgehen gegen die Doğan-Mediagruppe eine Frage, die auch die Zukunft der Demokratie in der Türkei betrifft.
Selbstverständlich dürfen keine Unternehmen oder Personen von der Steuerpflicht ausgenommen werden. Dies gilt natürlich auch für die Doğan-Mediagruppe. Allerdings nährt die extrem hohe Steuernachforderung den Verdacht, dass es sich hierbei um ein politisch motiviertes Vorgehen handelt.
Ich fordere die AKP-Regierung auf, diesen Verdacht auszuräumen und die für eine Demokratie unerlässlichen Fundamente der Pressefreiheit und unabhängigen Justiz nicht anzutasten.
Prof. Dr. Hakkı Keskin