Rechtstaatlichkeit in der Türkei

Rede in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates anlässlich des Berichts zur Lage der Menschenrechtschützer

Sehr geehrter Herr Präsident!

Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Für seinen Bericht danke ich meinem Kollegen Holger Haibach!

Zu den Hauptaufgaben des Europarates gehören vor allem diese drei Säulen:

• Menschenrechte

• Rechtsstaatlichkeit und

• Demokratie.

Seit gestern diskutieren wir intensiv über Menschenrechte und über die Lage der Menschenrechtschützer.

Menschenrechte sind universale Rechte, sie sind nicht teilbar.

Ich bin Abgeordneter des Deutschen Bundestages.

• Meine Muttersprache ist türkisch.

• Deshalb verfolge ich die Menschenrechte, die Rechtsstaatlichkeit und die Demokratie in der Türkei mit großem Interesse.

Die Türkei hat insbesondere in den Jahren 2000-2007 beachtliche Reformen durchgeführt.

Seit 1,5 Jahren sind jedoch im Bereich Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit berechtigte Sorgen entstanden.

Der Verband der türkischen Richter und Staatsanwälte, die Rechtsanwaltskammer, viele namhafte Juristen wie auch der der Regierung nahe stehende Präsident des Verfassungsgerichtes warnen vor einer Politisierung des Justizwesens.

Zahlreiche Professoren, Rektoren von Hochschulen, Journalisten und Vertreter anderer Organisationen werden in Nacht- und Nebelaktionen ohne Gerichtsentscheidung aus dem Bett geholt und verhaftet, ihre Wohnungen werden durchsucht.

Einige der Inhaftierten sind seit Monaten in Haft, ohne zu wissen, was man ihnen vorwirft.

Interessanterweise sind fast alle diese Personen bekannt als überzeugte Laizisten. Sie haben gemäß der Entscheidung des Verfassungsgerichtes Studentinnen mit Kopftuch nicht in ihren Seminaren geduldet.

Es hat sich der Eindruck verstärkt, dass es bei diesen Operationen um die Unterdrückung und Verfolgung von überzeugten Laizisten und Demokraten seitens der Anhänger von fundamentalistisch orientierten Islamisten geht.

Deren Presse führt eine Verleumdungs- und Hetzkampagne gegen Menschen durch, bevor sie vor Gericht gebracht werden.

Mit der Kritik an Missständen in der Türkei war ich noch bis vor kurzem sehr zurückhaltend, da die Türkei oft zu unrecht und mit zweierlei Maß kritisiert wurde.

Nun sind jedoch der Rechtsstaat und die Menschenrechte ernsthaft gefährdet. Daher habe ich heute das Wort ergriffen, im Interesse der Türkei, mit der ich mich als deutscher Abgeordneter verbunden fühle.

Selbstverständlich steht es jedem Staat frei, gegen strafbare Handlungen mit rechtsstaatlichen Mitteln vorzugehen.

Es kann jedoch nicht akzeptiert werden, dass Menschen verleumdet, menschenunwürdig behandelt und inhaftiert werden, die Zeit ihres Lebens für mehr Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaat gekämpft haben, nur weil sie regierungskritische Positionen beziehen.

Dateien:

rede_ergenekon_strassburg.doc

Bilder:

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