Die Einhaltung des vor wenigen Tagen zwischen den Kriegsparteien vereinbarten Waffenstillstands ist von ausschlaggebender Bedeutung, damit Verhandlungen zur Beendigung des Südossetienkrieges Erfolg haben können.
Umso beunruhigender ist die Tatsache, dass Russland seine Truppen nicht wie vereinbart auf die Ausgangsstellungen vor Kriegsbeginn zurückgezogen hat, sondern weiterhin auf georgischem Kernterritorium außerhalb der Konfliktzone operiert und stellenweise sogar noch vorrückt.
Wenn die Kampfhandlungen das von der Zivilbevölkerung ersehnte Ende haben sollen, müssen sich alle Konfliktparteien an die getroffenen Vereinbarungen halten. Ein sofortiger, tragfähiger Waffenstillstand ist unbedingt notwendig, um den Hunderttausend Flüchtlingen humanitäre Hilfe zukommen lassen zu können. Russland muss deshalb den Rückwärtsgang einlegen und sich aus georgischen Städten wie Gori umgehend zurückziehen.
Am allerwenigsten wäre dem Frieden in Georgien mit zusätzlichen US-amerikanischen Truppen gedient, wie dies von US-Präsident George W. Bush gestern angedeutet wurde. Die USA haben mit ihrer Strategie einer schnellen Aufnahme Georgiens in die NATO maßgeblichen Anteil an der Eskalation des Konflikts. Eine Einkreisung durch die NATO verletzt legitime Sicherheitsinteressen Russlands und konterkariert jegliche Bemühungen um ein partnerschaftliches Verhältnis. Die Stationierung von US-Truppen in Georgien würde das Land zum Austragungsort einer jahrelangen Dauerkonfrontation beider imperialistischen Großmächte werden lassen. Dies würde jede Konfliktlösung unmöglich machen.
Prof. Dr. Hakkı Keskin