Zu der Antrittsrede und zu der Rede des Bundespräsidenten Christian Wulff zum 20.Jahrestag der Deutschen Einheit

Seit drei Jahrzehnten begleite ich mit großem Interesse als Verbandsvertreter der Deutschtürken aber auch als Hochschullehrer die Debatten und Publikationen über die Migration- und Integrationspolitik in Deutschland. Zumeist habe ich mich sehr kritisch mit den Fehlern und Defiziten der bisherigen Integrationspolitik auseinandergesetzt.

Heinz Kühn, Ministerpräsident a.D und Ausländerbeauftragter der Bundesregierung hatte im September 1979 ein Memorandum zum „Stand Weiterentwicklung der Integration“ vorgelegt, in dem er bereits vor über 30 Jahren die „Anerkennung der faktischen Einwanderung“ in Deutschland anmahnte und detaillierte Vorschläge zur Integrationspolitik schilderte, die bis heute noch weitestgehend nicht realisiert wurden.

1985 nannten wir unseren neu gegründeten Landesverband in Hamburg „Bündnis Türkischer Einwanderer“ (heute Türkische Gemeinde Hamburg und Umgebung), um deutlich zu machen, dass wir uns als Einwanderer verstehen und auch demgemäß eine Einwanderungspolitik für erforderlich halten. Unsere unzähligen Veranstaltungen, Gespräche und Presseerklärungen mit konkreten Vorschlägen zur Integrationspolitik wurden jedoch von der Politik zumeist ignoriert.

Nun stelle ich mit Interesse und Anerkennung einen beginnenden Wandel in die richtige Richtung auch bei der Bundesregierung und manchen Landesregierungen fest.

Die Antrittsrede sowie die Rede zum 20. Jahrestag der Deutschen Einheit des Bundespräsidenten Christan Wulff unterstreichen diesen richtigen und dringend gebotenen Wandel in der Integrationspolitik. „Ein freiheitliches Land wie unseres- es lebt von Vielfalt, es lebt von unterschiedlichen Lebensentwürfen, es lebt von Aufgeschlossenheit für neue Ideen. Sonst kann es nicht bestehen. (…) Das Land muss Verschiedenheit aushalten. Es muss sie wollen. (…) Es ist Konsens, dass man Deutsch lernen muss, wenn man hier lebt. Es ist Konsens, dass in Deutschland deutsches Recht und Gesetz zu gelten haben. Für alle – wir sind ein Volk. (…) Ja wir haben Nachholbedarf. (…) Aber der Islam gehört inzwischen auch zu Deutschland.“ Das Motto seiner Rede „Vielfalt schätzen – Zusammenhalt fördern“ beinhaltet im Grunde alles, was die unbeirrbare Richtung der Integrationspolitik in Zukunft sein müsste.

Der Inhalt dieser Rede bedarf jedoch ohne Zögern politisches Handeln. Der İslam muss als eine der Religionsgemeinschaften wie das Christen- und Judentum als eine Religionsgemeinschaft Deutschlands anerkannt werden.

Die hier dauerhaft lebenden Menschen mit Migrationshintergrund dürfen nicht mehr lange gezwungen werden, ohne staatsbürgerliche Rechte, ohne politische Mitwirkungsmöglichkeiten hier zu leben. Daher muss dringend der Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft erleichtert werden. Hierzu gehört vor allem auch die Tolerierung der Beibehaltung der alten Staatsbürgerschaft.

Hakkı Keskin